Gehälterkrieg im Mittelstand
In der Automobilindustrie wird mit harten Bandagen um Fachkräfte gekämpft. Vor allem Mittelständler haben es mit hartnäckigen Headhuntern sowie hohen Einkommensversprechen zu tun und müssen sehen, wie sie die eigenen Mitarbeiter halten.
Immer wieder klingelt bei Uwe Schäfer das Telefon. Ist ein Headhunter dran, ist das Gespräch schnell beendet. „Danke, kein Interesse“, lautet die Standardantwort des Ingenieurs. Doch nicht alle Fachkräfte in der Automotive-Szene sind so standhaft wie der Schorndorfer, der seit mehr als 20 Jahren beim Zulieferer Hartmann-exact arbeitet. „Vor allem nicht, wenn sie die aktuellen Angebote hören“, wie Personalberater Martin Winkler aus Oberhaching berichtet. Bis zu 30 % höhere Einstiegsgehälter als vor einem Jahr kursieren angeblich derzeit.
Teils würden von Herstellern für Jobstarter Jahressaläre von bis zu 45 000 € angeboten. Der Markt scheint wie leergefegt. Selbst beim Mannheimer Personaldienstleister Hays können nicht alle Anfragen für High-Potentials befriedigt werden.
Neue Intensität bei Recruiting-Aktivitäten der Automobilhersteller
„Gesucht sind unter anderem IT-Spezialisten für Embedded-Systems, also der Verknüpfung von Soft- und Hardware im Auto, sowie Experten für neue Antriebstechnologien. Stichwort E-Mobilität“, sagt Firmensprecher Frank Schabel. Auch er beobachtet Sprünge beim Lohngefüge. Zwar seien die Recruiting-Aktivitäten der Automobilhersteller (Mercedes, BMW, VW und der Automobilzulieferer der ersten Kategorie (Tier-1) nichts Neues, schon vor der Finanzkrise sei ein ähnlicher Aktionismus zu beobachten gewesen, so Winkler. Die im Moment aufkeimende Intensität sei jedoch neu.
Besonders betroffen vom Gehälterkrieg ist der Mittelstand. „Die Abwerbeversuche bringen Unruhe ins Unternehmen“, sagt Jürgen Hofele, Geschäftsführer von Hartmann-exact, der in Deutschland über 200 Menschen beschäftigt. Dringend sucht der Mittelständler selbst qualifizierte Mitarbeiter. Denn die Auftragsbücher sind voll. Wie in den vergangenen Jahren will das Unternehmen auch 2011 im zweistelligen Prozentbereich wachsen. „Doch das geht nur mit entsprechend qualifizierten Mitarbeitern“, sagt Hofele und rüstet sich gegen den Gehälterkrieg. Als Vorsichtsmaßnahme. Denn wenn ein Zulieferer infolge von Personalmangel Liefertermine nicht einhält oder sich Entwicklungsprojekte verzögern, sind die Kosten katastrophal. Steht ein Herstellerband still, fallen Vertragsstrafen von bis 30 000 € pro Stunde an.
Mittelstand: Mitarbeiterbindung durch Perspektiven
Um diesen schwerwiegenden Folgen zu entgehen, sitzt bei Hartmann-exact die Führungsriege an einem Tisch. Neben Uwe Schäfer, dem Leiter der Entwicklung Prüfsysteme und Messtechnik, suchen derzeit alle 15 Abteilungsleiter in einem Workshop nach Wegen, um einerseits Prozesse und Abläufe zu optimieren, die durch das Wachstum angepasst werden müssen. Andererseits grübelt der Zirkel über Incentives, sprich Belohnungen, die die Kollegen motivieren und Wechselgedanken wegwischen sollen. Ein guter Plan, wie Peter Speck vom Festo Bildungsfonds findet. Mittelständler könnten aus seiner Sicht vor allem mit berufsbegleitenden Qualifizierungsangeboten Mitarbeiter binden. „Es geht darum, Perspektiven zu geben“, sagt der ehemalige Personalleiter.
Der nächste konjunkturelle Abschwung sei gewiss und wer dann eine Zusatzqualifizierung etwa beim Top-Thema E-Mobilität oder Energieeffizienz in der Tasche habe, gehöre nicht zu denen, die als erste wieder auf der Straße landen.
Uwe Schäfer sieht noch ein anderes Ass, das Mittelständler ausspielen können. Nach einem anfänglichen Kulturschock zu Beginn und frisch von der Hochschule lernte er, sich durchzusetzen und bekam schnell Verantwortung übertragen. Selbst als es im Job nicht optimal lief, verließ Schäfer den Zulieferer nicht. „Meine Arbeit und ich werden im Haus gesehen“, sagt der Ingenieur. So flache Hierarchien und kurze Wege gebe es bei keinem Konzern. Ein Trumpf, der im Gehälterkrieg stechen kann. Dann sind auch Geschichten kein Thema, die Personaler hinter vorgehaltener Hand erzählen: Gelingt es, einen Führungskopf abzuwerben, folgen dessen Spitzenkräfte von ganz alleine. Wer also einen Top-Mann verliert, muss damit rechnen, bald ohne Mannschaft dazustehen.
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