Generation Y im Berufsalltag: Angekommen in der Realität
Wie sich die zwischen 1980 und 1990 Geborenen ihr künftiges Arbeitsleben vorstellen, wenn sie noch in der Ausbildung stecken, ist bekannt: Eine Herausforderung nach der anderen, nette Leute um sich herum, ein Chef, der an Lob nicht spart. Verdienst und Aufstieg seien für diese Generation Nebensache, behaupten die Wissenschaftler. Nun weckt eine Studie von Accenture Zweifel an diesem Bild.
Fred Marchlewski hat so viel von den gerade im Beruf angekommenen 19- bis 30-Jährigen gehört, gelesen und gesehen, dass er ihre Wünsche an die Arbeitgeber im Schlaf aufsagen kann. Als Geschäftsführer des Bereichs Talent & Organisation bei der Unternehmensberatung Accenture in Kronberg gehört das zu seinem Job. Überrascht war er dann aber doch angesichts der Ergebnisse einer Studie, die von seinen selbst der Generation Y angehörenden Mitarbeitern durchgeführt worden war. Der Berufsalltag hat viele Träume der umworbenen Nachwuchskräfte platzen lassen.
Der Realitätscheck, zu dem die Unternehmensberatung 600 junge Arbeitnehmer mit zwischen einem und fünf Jahren Berufserfahrung aus Deutschland, Österreich und der Schweiz aufgefordert hatte, konnte mit den vor Berufsantritt geäußerten Erwartungen der „Ypsiloner“ kaum mithalten. Viele gaben an, in ihrem ersten Job zum Teil deutliche Abstriche von ihren Zielen gemacht zu haben. So hatten zwei von fünf Befragten ihre Gehaltsvorstellungen nicht durchsetzen können. Wenn sie schon länger im Beruf arbeiten, steigt der Anteil derjenigen, die mit ihren Einkommen unzufrieden sind, auf knapp zwei Drittel an. Eine angemessene Vergütung ist denn auch das am häufigsten genannte Merkmal eines attraktiven Arbeitgebers.
Auch für die Generation Y ist Geld wichtig
Wer glaubt, seine Nachwuchstalente glücklich machen zu können, wenn sie ihre Leistungen ständig aufs Neue beweisen können und dafür Anerkennung erfahren, liegt nicht verkehrt. Hadern sie aber mit ihrem Gehalt, dann liebäugeln die Jungen genauso schnell mit dem benachbarten Grün wie die Altvorderen. „Die Annahme, dass hier eine Generation herangewachsen ist, für die Geld keine Rolle spielt, ist falsch“, sagt Fred Marchlewski sehr entschieden. „Wenn man im Job steht, wird Geld auf einmal wichtig. Die jungen Leute wollen den Konsum nachholen, den sie sich in der Ausbildung oder im Studium nicht haben leisten können. Und schließlich treten nach zwei bis fünf Berufsjahren die Familie und soziale Verbindungen auf den Plan. Dafür braucht man ein festes Einkommen.“
Geradewegs in die Rundablage befördert die Studie auch die Vorhersage, Gen-Y’ler seien Jobhopper und wollten sich nicht lange an einen Arbeitgeber binden. „Wir haben immer gedacht, die nach 1980 Geborenen seien Nomaden, die alle zwei Jahre etwas Neues machen wollen“, sagt Marchlewski. „Das stimmt aber so nicht: Sie sind durchaus an Stabilität interessiert. Und hier kann der Mittelstand einen Vorteil haben: Als Mitarbeiter in einem kleineren Unternehmen ist man eben nicht als Teil eines Personalkostenblocks, sondern als Person besser bekannt und hat engeren Kontakt zum Management. Das gibt den jungen Leuten Transparenz und Sicherheit.“ Je länger die Berufstätigkeit dauere, desto wichtiger werde die Sicherheit des eigenen Arbeitsplatzes.
Andere Aussagen der Studie bestätigen die bekannten Merkmale der Generation Y. Herausfordernde Tätigkeiten, flexible Arbeitszeiten und ein attraktiver Standort sind ihnen wichtig.
Nach wenigen Berufsjahren hat die Generation Y die gleichen Ansprüche wie die Vorgängergeneration
Für manchen dürfte der eigentliche Aha-Effekt der Studie darin bestehen, dass die ursprünglich hohen Ansprüche der umworbenen Generation Y bereits nach wenigen Berufsjahren in sich zusammenfallen und sich kaum von denen der Vorgängergenerationen unterscheiden: Das Gehalt muss stimmen und der Job muss Freude machen, die Kollegen sollen nett sein, den Vorgesetzten will man schätzen können und von ihm wertgeschätzt werden. Gibt es also doch nichts Neues unter der Sonne? Ist es mit der viel beschriebenen Andersartigkeit der nach 1980 Geborenen womöglich doch nicht so weit her, wie die Experten glauben machen wollen?
Susanne Böhlich und Jutta Rump beschäftigen sich seit vielen Jahren und in vielen wissenschaftlichen Veröffentlichen mit der Generation Y. Beide wollen deren künftigen Arbeitgebern nützliche Hinweise für die Behandlung der raren Spezies an die Hand geben. „Dass den Ypsilonern das Gehalt so wichtig ist, haben frühere Studien nicht gezeigt“, wundert sich Susanne Böhlich, Professorin für Internationales Management an der Hochschule Bonn-Bad Honnef. Den nachgeholten Konsum hält sie als Begründung nur für begrenzt plausibel. „Viele sind doch in guten Verhältnissen groß geworden. Wenn wir früher stolz waren, mit den Eltern im Auto nach Spanien zu fahren, dann jetten die heute nach Thailand.“
Hinter dem Wunsch nach einem höheren Einkommen vermutet sie eher eine Trotzhaltung: „Wenn ich schon nicht meinen Traumjob mache, dann muss wenigstens das Geld stimmen.“ Sie jedenfalls erlebt ihre Studenten keineswegs als kompromissbereit: „Ich sehe viel Selbstüberschätzung und ein unglaubliches Anspruchsdenken, und das haben die genauso im Arbeitsleben.“ Ihr Verdacht: „Vielleicht lässt die Befragung von nur 600 jungen Menschen sämtlicher Ausbildungsstufen das Bild unscharf werden.“
Ludwigshafener Professorin kritisiert die Durchführung der Studie zur Generation Y
In die gleiche Richtung zielt die Abwehr der Ludwigshafener Professorin Jutta Rump. Die Leiterin des Instituts für Beschäftigung und Employability (ibe) bestreitet entschieden die Repräsentativität der Studie. „Zur Generation Y gehören ausschließlich Fachkräfte der zunehmend knappen MINT- und der Gesundheitsberufe. Man hätte nur diese Gruppe befragen sollen.“
Anders als ihre Altersgenossen erwarte die schmaler definierte Generation Y ein aufnahmefähiger Arbeitsmarkt, auf dem sie fordern könne. „Das Streben nach Geld und Sicherheit ist generationsunabhängig“, gibt Rump zu bedenken. „Neu in dieser Altersklasse hinzu kommt noch der Wunsch nach einer ausgeglichenen Work-Life-Balance. Wenn die die Marktmacht haben, dann setzen sie das auch durch.“
Das Fazit zieht Susanne Böhlich aus Bonn, und hier sind Jutta Rump und Fred Marchlewski von Accenture wahrscheinlich ganz bei ihr: „Da wächst eine anspruchsvolle Generation heran. Und wir brauchen die. Wir haben nämlich nur die eine.“
Ein Beitrag von: