Goodbye Deutschland kann zur Steuerfalle werden
Viele Firmen verlagern Tätigkeiten auf Tochter- oder Schwestergesellschaften im Ausland. Doch für wirtschaftlich motivierte Verlagerungen verlangt der Fiskus hohe Ausgleichszahlungen, die die Liquidität belasten. Wie sich diese vermeiden oder verringern lassen, erläutert Thomas Rohler von der Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft DHPG im folgenden Beitrag.
In Deutschland planen, im Ausland produzieren und die Produkte und Dienstleistungen lokal über Auslandsvertretungen vertreiben: Viele Mittelständler folgen dem Beispiel von Großunternehmen. Sie verlagern betriebliche Funktionen an ausländische Standorte oder Tochtergesellschaften. Damit begegnen Unternehmen dem anhaltend hohen Wettbewerbsdruck und nutzen die Chancen der Globalisierung.
Doch Vorsicht: Firmenlenker sollten die Rechnung nie ohne den Fiskus machen. Potenziellen Einsparungen können erhebliche steuerliche Mehrbelastungen gegenüberstehen. Der Fiskus beäugt nämlich alle Formen grenzüberschreitender Restrukturierungen sehr kritisch.
Die Finanzbehörden fürchten, dass ihnen langfristig Steuereinnahmen entgehen und fordern deshalb einen finanziellen Ausgleich. Sie setzen einen (fiktiven) Veräußerungspreis für die Funktionsverlagerung fest, der im Jahr der Transaktion der Körperschafts- und Gewerbesteuer unterworfen wird. Die gesamte Steuerschuld ist sofort fällig.
Was wertet der Fiskus als Funktionsverlagerung? Das Bundesfinanzministerium hat in einem umfangreichen Anwendungserlass die gesetzlichen Rahmenbedingungen präzisiert. Nichtsdestotrotz bleiben in der Praxis zahlreiche Punkte unklar oder gehen über den gesetzlich abgesteckten Rahmen hinaus. Dies ist umso bedauerlicher, als sich die Identifikation und Bewertung von Funktionsverlagerungen zu einem Schwerpunkt bei Betriebsprüfungen mit Auslandsbezug entwickeln wird.
Der Fiskus kann angesichts der zum Teil schwierigen Auslegung ab dem Veranlagungszeitraum 2008 erhebliche Mehrsteuern festsetzen. Zudem kann es wegen der fehlenden Akzeptanz im Ausland zu effektiven Doppelbelastungen des Steuerpflichtigen kommen.
International tätige Unternehmensgruppen sollten sich deshalb frühzeitig und systematisch mit den steuerlichen Konsequenzen auseinandersetzen und mögliche Gestaltungsoptionen nutzen. Grundsätzlich gilt:
–Eine steuerlich relevante Funktionsverlagerung liegt vor, wenn eine Geschäftstätigkeit im Ausland aufgenommen und gleichzeitig dieselbe Tätigkeit in Deutschland eingeschränkt oder eingestellt wird.
–Die Geschäftstätigkeit selbst und die der Geschäftstätigkeit zuzuordnenden Wirtschaftsgüter und sonstigen Vorteile, das sogenannte Transferpaket, müssen hierzu zumindest wirtschaftlich auf das nahe stehende ausländische Unternehmen übertragen werden.
–Eine wichtige Voraussetzung ist darüber hinaus eine gewisse Eigenständigkeit der Funktion, die es ermöglicht, ihr bestimmte Erträge oder Aufwendungen sowie bestimmte Chancen und Risiken zuzuordnen. Im Regelfall geht es um die Verlagerung einer Produktions- bzw. Vertriebsfunktion.
Nicht jede Auslandsaktivität wird jedoch als Funktionsverlagerung gewertet. Schon in der Planungsphase sollten Unternehmen deshalb alle steuerlichen Risiken und Gestaltungsmöglichkeiten im Blick haben.
Die steuerlichen Belastungen aus grenzüberschreitenden Restrukturierungen können beispielsweise durch die folgenden Gestaltungsoptionen reduziert werden.
Nutzungsüberlassung: Die sofortigen Steuerbelastungen einer Funktionsverlagerung lassen sich vermeiden, wenn die betreffenden Wirtschaftsgüter (z. B. Kundenstamm oder Patente) im Rahmen eines Nutzungsverhältnisses über einen längeren Zeitraum überlassen und nicht übertragen werden.
Vorteil: Bei einer Nutzungsüberlassung werden die stillen Reserven nicht sofort, sondern im Laufe der Nutzung – und damit in der Regel über mehrere Jahre verteilt – besteuert.
Wichtig ist, dass die Auslandsfirma für die Nutzung ein laufendes, marktgerechtes Entgelt zahlt. Zwar muss das inländische Unternehmen die Lizenzeinnahmen versteuern, doch kann das ausländische Unternehmen die Lizenzgebühr als Betriebsausgaben geltend machen. Eine Doppelbesteuerung wird vermieden.
Funktionsverdoppelungen: Nur selten werden Funktionen im Inland komplett abgebaut und im Ausland in derselben Form wieder aufgebaut. Kann ein Unternehmen gegenüber den Finanzbehörden belegen, dass keine Einschränkung der inländischen Funktion erfolgt ist, liegt eine nicht besteuerbare Funktionsverdoppelung vor.
Die Finanzverwaltung überwacht dies aber genau. Maßstab ist der im Inland erzielte Umsatz. Ab einem Umsatzrückgang von 1 Mio. € im Vergleich zum Vorjahr stufen die Finanzbehörden den Fall als Funktionsverlagerung ein.
Routineunternehmen: Zusätzliche Gestaltungsoptionen bieten sogenannte Öffnungsklauseln. Ein Anwendungsfall ist die Funktionsverlagerung auf ein Routineunternehmen. Hier unterstellt der Fiskus, dass keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter und Vorteile übertragen werden.
Von einem Routineunternehmen spricht man, wenn das ausländische Unternehmen ausschließlich für das übertragende Unternehmen tätig ist und die Entgelte nach der Kostenaufschlagsmethode oder einem vergleichbaren Verfahren berechnet werden.
Laut Anwendungserlass fallen darunter außerdem Fälle, in denen beispielsweise ein „Shared Servicecenter“ innerhalb eines Konzerns für mehrere Unternehmen tätig ist, sich der Preis für die erbrachten Dienstleistungen aber an den angefallenen Kosten orientiert.
Vorteil: Als Grundlage für die Bewertung kann in diesen Fällen die Summe der Einzelverrechnungspreise der verlagerten (materiellen) Wirtschaftsgüter herangezogen werden. Im günstigsten Fall werden gar keine Wirtschaftsgüter übertragen, so dass die Verlagerung steuerneutral abläuft.
Grundsätzlich gilt bei Funktionsverlagerungen, dass der Fiskus Untätigkeit bestraft. Die Finanzbehörden ordnen eine Funktionsverlagerung als außergewöhnlichen Geschäftsvorfall ein und verpflichten Unternehmen zur verstärkten Mitwirkung.
Wer keine Wertermittlung vornimmt oder diese nicht hinreichend dokumentiert, sieht sich schnell einer Schätzung des Finanzamts gegenüber, die meist zu überhöhten Werten führt. Zudem drohen Strafzuschläge von 5 % bis 10 % des vom Fiskus hinzugeschätzten Betrags.
Abhilfe schafft eine systematische Planung. Es ist dringend erforderlich, die kalkulatorische Grundlage von Geschäftsbeziehungen zu nahestehenden Auslandsgesellschaften genau zu dokumentieren. Bei gewichtigen Fällen sollte schon vor einer Verlagerung eine gutachterliche Stellungnahme über die Angemessenheit der Bewertung eingeholt werden. Nur so können Unternehmen auch gegenüber eifrigen Betriebsprüfern stichhaltig argumentieren und eine steuerliche Mehrbelastung vermeiden. THOMAS ROHLER
Thomas Rohler ist Wirtschaftsprüfer/Steuerberater, DHPG Bergisch Gladbach
Ein Beitrag von: