Große Unternehmen tun sich leichter mit der Anwerbung ausländischer Ingenieure
Fachkräfte aus dem Ausland anzuwerben, ist offenbar nur für große Unternehmen eine Option. Nur jede zehnte kleine Firma sucht Spezialisten im Ausland, bei den großen Firmen sind es mehr als die Hälfte, so eine Bitkom-Studie. Ein wichtiger Grund sind die immer noch hohen Hürden im Zuwanderungsrecht.
Trotz des vielfach beklagten Mangels an Facharbeitern in Deutschland ist es längst nicht Alltag für Unternehmen, ihre Fachkräfte auch im Ausland zu rekrutieren. Nur jede zehnte Firma zwischen 50 und 499 Mitarbeitern stellt Mitarbeiter aus dem Ausland ein. Bei den größeren Firmen ab 500 Mitarbeitern sind das mit 58 Prozent mehr als die Hälfte. Das ist das zentrale Ergebnis einer Studie, die das Marktforschungsinstitut Bitkom Research GmbH in Berlin in den beiden letzten Juliwochen dieses Jahres für das Karrierenetzwerk LinkedIn durchgeführt hat. 1409 Personalentscheider und Geschäftsführer standen in Telefoninterviews Rede und Antwort.
„Ausländische Fachkräfte kommen nicht über Nacht nach Deutschland“
Drei von Vier der großen Unternehmen leiden unter der Verknappung der Fach- und Führungskräfte, jedes Zweite bei den kleinen Firmen. Es ist aber vor allem der hohe bürokratische Aufwand durch die Hürden im Zuwanderungsrecht, der die Unternehmen davon abhält, im Ausland nach Top-Leuten zu suchen. „Ausländische Fachkräfte kommen nicht über Nacht nach Deutschland“, sagte Dr. Axel Pols, der Geschäftsführer von Bitkom Research, bei der Vorstellung der Studie in Berlin. „Erstaunlich ist dennoch, wie viel Zeit manche Unternehmen investieren, bis sie einen Spezialisten anstellen können. Bei Kandidaten aus der EU wird in 14 Prozent der Fälle mehr als ein Jahr benötigt. Kommt die Fachkraft aus einem Land außerhalb der EU, wird sogar in fast der Hälfte der Fälle mehr als ein Jahr benötigt.“
Wunsch nach besseren Nachzugsbedingungen für Familienangehörige
Trotz dieser ernüchternd langen Suchzeiträume ist die Hälfte der Befragten der Meinung, dass sich beim Zuwanderungsrecht in der Vergangenheit vieles verbessert hat. „Gleichzeitig fällt aber auch auf, dass kein einziger Personalverantwortlicher meint, dass das Zuwanderungsrecht transparent und leicht handhabbar ist“, sagt Pols. Im Gegenteil: 62 Prozent wünschen sich mehr Informationen über das bestehende Zuwanderungsrecht. Jeweils rund 60 Prozent wünschen sich kürzere Verfahren und bessere Nachzugsbedingungen für Familienangehörige. „Gerade der letzte Punkt ist wichtig, wenn sich weltweit gesuchte Fach- und Führungskräfte für Deutschland entscheiden sollen“, sagt Axel Pols. „Zuwanderungspolitik ist auch Familienpolitik.“
Es hat allerdings den Anschein, als fühlten sich die umworbenen Fach- und Führungskräfte hierzulande nicht sonderlich wohl. 38 Prozent der Mitarbeiter verlassen das Unternehmen nach weniger als zwei Jahren, 60 Prozent halten keine drei Jahre durch. Fast jede fünfte ausländische Führungskraft verlässt sogar nach weniger als einem Jahr das Unternehmen wieder.
Auch hier scheinen die großen Firmen einiges besser zu machen, als die kleinen Unternehmen: Bei ihnen sind 16 Prozent der ausländischen Fachkräfte 10 Jahre oder länger beschäftigt. Bei den kleinen sind nur 2 Prozent derart lange im Unternehmen tätig.
„Deutschland wird nur dann ein attraktives Einwanderungsland, wenn die Option, dauerhaft hier zu leben und zu arbeiten, als selbstverständlicher Bestandteil des Angebots an ausländischen Fachkräften wahrgenommen wird“, kommentiert Pols diese Zahlen.
IT-Fachkräfte und Controller sind besonders beliebt
Es sind in erster Linie IT-Fachkräfte und Controller, die die Unternehmen im Ausland suchen. Aber auch Qualitätsmanager, Marketing-Profis und Mitarbeiter für die Forschung und Entwicklung werden jenseits der deutschen Grenzen gesucht. Von den IT-Spezialisten werden die meisten für Administrations- und Management-Aufgaben sowie für die Software-Entwicklung eingesetzt. „Damit unterscheidet sich die Liste der Wunschprofile ausländischer Mitarbeiter von der, die im Inland gesucht werden. Hier werden neben Software-Entwicklern vor allem Mitarbeiter für IT-Beratung und Marketing- bzw. Vertriebsfunktionen gesucht. Wo intensiver Dialog mit Kunden erforderlich ist, spielen Sprachkenntnisse eine zentrale Rolle“, erklärt Axel Pols die Unterschiede.
In der deutschen Wirtschaft sind vor allem Fachkräfte aus Südeuropa begehrt. Über die Hälfte der Unternehmen, genau 56 Prozent, die Fachkräfte im Ausland suchen, richten ihren Blick in Richtung Spanien, Portugal, Italien oder Griechenland und damit in Richtung der kriselnden PIGS-Staaten. Knapp die Hälfte, genau 46 Prozent, rekrutieren ihre Spezialisten aus westeuropäischen EU-Ländern wie Frankreich, Großbritannien oder Belgien.
Die wohl wichtigste Veränderung im deutschen Zuwanderungsrecht ist die vor gut einem Jahr eingeführte sogenannte Blue Card, die vor allem hochqualifizierten Drittstaatsangehörigen den Aufenthalt in der EU ermöglichen soll. Jedes sechste Unternehmen, das sich mit dem Thema Rekrutierung ausländischer Fachkräfte beschäftigt, hat eine solche Blue Card beantragt. „Wenn man bedenkt, dass der Prozess immer noch viel Zeit kostet, ist das kein schlechtes Ergebnis“, meint Axel Pols von Bitkom Research. Vor allem die größeren Unternehmen nutzen die Blue Card. Hier sind es mit 27 Prozent drei Mal mehr als bei den mittleren Unternehmen mit 8 Prozent.
Schlechte Berufschancen in der Heimat wichtiger Grund für Auswanderung
Bei den Rekrutierten handelt es sich bei 62 Prozent um Berufseinsteiger. Für 53 Prozent der Fach- und Führungskräfte ist der Erwerb neuer Fähigkeiten, für 40 Prozent die Karriereaussichten im Herkunftsland die Hauptmotivation für den Schritt, ihre Heimat zu verlassen und in Deutschland zu arbeiten. „Von der Zuwanderung ausländischer Fachkräfte profitieren beide Seiten“, sagt Axel Pols. „Die Unternehmen bekommen dringend benötigte Spezialisten und die neuen Mitarbeiter erhalten die Chance, zusätzliches Know-how zu sammeln.“
„Die Personalverantwortlichen sind mit den ausländischen Fachkräften hochzufrieden“, pflichtet Till Kaestner bei, Geschäftsleiter LinkedIn Deutschland, Österreich und Schweiz. „Fast alle Befragten berichten, dass sich die Mitarbeiter gut ins Unternehmen integrieren und sehr gute Arbeitsleistung erbringen.“
Online-Kanäle werden am besten bewertet
97 Prozent der Unternehmen schalten die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung der Bundesagentur für Arbeit ein und 90 Prozent setzen auf spezialisierte Personalvermittlungen. Darauf folgt das Internet: 74 Prozent der Firmen betreiben eine eigene Karriere-Webseite, 73 Prozent nutzen Online-Jobbörsen und 72 Prozent Soziale Netzwerke. Gefragt nach dem Erfolg der verschiedenen Rekrutierungswege schneiden die Online-Kanäle am besten ab.
Dabei urteilen die Personalmanager allerdings höchst narzistisch: 96 Prozent bewertet die eigene Karrierewebseite als „erfolgreich“ oder sogar „sehr erfolgreich“. An zweiter Stelle stehen mit 82 Prozent die Online-Jobbörsen, auf Platz drei folgen mit 74 Prozent die spezialisierten Personalvermittlungen. Knapp dahinter findet sich in diesem Ranking der Auftraggeber der Studie, das Online-Business-Netzwerk LinkedIn. „Unternehmen, die schon jetzt ein loses lokales und globales Netzwerk an potentiellen Mitarbeitern aufbauen und pflegen, können kurzfristigen Bedarf jetzt und in Zukunft besser decken“, sagt Till Kaestner. „Wie die Studie zeigt, sind Online-Kanäle wie unser Business-Netzwerk dafür höchst effizient.“
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