Guten Tag, Frau Poth! Guten Tag, meine Herren!
„Bei den Jungs war der Bauingenieurberuf weniger eine Berufung als bei mir.“ Deshalb ließ es die Ingenieurstudentin Regina Poth kalt, dass sie als Frau oft auf Ablehnung stieß. Ihr „dickes Fell“ hat sich die Leiterin der Straßenbauabteilung der Stadt Aachen bis heute bewahrt. Der Lohn für ihre Beharrlichkeit ist ein Beruf, der „tolle Möglichkeiten“ bietet.
„Man muss ein dickes Fell haben, wenn man in vorderster Schusslinie steht. Das bringt das Amt mit sich, das muss man aber auch mögen.“ Wer Regina Poth kennengelernt hat, zweifelt nicht daran, dass die Leiterin der Straßenbauabteilung der Stadt Aachen kaum einer Diskussion aus dem Wege geht. „Das kann manchmal sehr unangenehm sein, weil Leute oft persönlich werden: ,Die Poth hat keine Ahnung“, sagen sie dann.“
Wenn der Gesprächspartner unsachlich wird, ist der Punkt erreicht, an dem die Ohren von Regina Poth auf Durchzug schalten. „Glücklicherweise sind das Einzelfälle, denn ich glaube, dass mir die Leute meistens meine Fachkompetenz abkaufen“, sagt die 56-Jährige im Brustton der Überzeugung.
Die Kunst, konstruktive Kritik von inhaltsleeren Verbalattacken oder gut gemeinten, aber irreführenden Ratschlägen zu unterscheiden, hat Regina Poth früh gelernt. Schon auf dem Mädchengymnasium hieß es, Mathe und Physik seien nicht wichtig, schließlich bräuchten Frauen so etwas im Berufsleben nicht. „Dabei stand für mich schon als Kind fest: Ich will Ingenieurin werden.“
Die einzigen, die der kleinen Regina gut zuredeten, waren ihre Eltern. „In der tiefen Eifel, in Dahlem, war ich die einzige aus meiner Klasse, die zum Gymnasium ging. Dafür bin ich meinen Eltern heute noch dankbar.“
Mit dem „Puddingabitur“, wie man den gymnasialen Abschluss für Mädchen nannte, machte sich Regina Poth auf den Weg an die RWTH Aachen, um Bauingenieurwesen zu studieren. „Eine harte Zeit“, wie sich später herausstellte. Einige Professoren hatten offensichtlich Spaß an platten Witzen, etwa wenn es nach einer Vorlesung hieß: „Na, haben das alle verstanden, auch die Damen?“
Regina Poth ballte die Fäuste in den Taschen. „Bei den Jungs war der Bauingenieurberuf weniger eine Berufung als bei mir. Sie machten das halt, so wie man Maschinenbau studiert. Für mich als Frau war das eine bewusste Entscheidung. Nicht nur aus Begeisterung für Technik, sondern auch, um den Männern zu zeigen, was eine Harke ist.“
Sie habe das Studium als Privileg gegenüber ihren ehemaligen Klassenkameraden empfunden, die am Fließband standen oder an der Kaufhauskasse saßen. Dumme Sprüche aus der Professorenschaft verbuchte sie unter lästiger Begleiterscheinung.
Über das Studium, die Arbeit in einem Ingenieurbüro und einige Forschungsprojekte konzentrierte sich Regina Poth auf Stadtplanung und Straßenwesen. Damit wich sie von ihrem ursprünglichen Ziel ab, als Entwicklungshelferin Brunnen in Afrika zu bauen.
Die beste Möglichkeit zur Umsetzung ihrer Ideen sah Regina Poth in der Kommunalverwaltung. Während der Referendarzeit knüpfte sie Kontakte zu den Kölner Verkehrsbetrieben (KVB), die Ingenieure suchten. Als Expertin für Gleisbau stand sie als Frau allein auf weiter Flur. „Bei Seminaren hieß es: Guten Tag, Frau Poth! Guten Tag, meine Herren!“
So erdverbunden Regina Poth auch ist, so allergisch reagiert sie auf unsensible Oberflächlichkeiten. „Da haben wir eine Oma umgenietet“, kommentierte ihr damaliger Chef einen Verkehrsunfall in Köln, worauf seine Mitarbeiterin ihn zurechtwies: „So redet man nicht über Menschen.“ Der scharfe Einwand sorgte dafür, dass Regina Poth die Hoffnung auf eine Beförderung zur Amtsleiterin fahren lassen musste. „Sie bekommen den Job nie“, so der Konter ihres Vorgesetzten. Die ganze Mühe, inklusive des Straßenbahnführerscheins, auf den sich Regina Poth neben der täglichen Routine vorbereitete, schien für die Katz“ zu sein.
Solche Rückschläge verbuchte die nur 1,57 m große Beamtin unter der Rubrik „Wer weiß, wofür es gut ist“ und ging zum nächsten Auftrag über. Für eine KVB-Consulting-Tochter, die Projekte im Ausland betreute, kam sie aufgrund ihrer Sprachkenntnisse in Italienisch, Englisch, Französisch, Spanisch und Türkisch wie gerufen. „Ich habe damals abends an der FH Köln ein Aufbaustudium in Tropentechnologie absolviert, tagsüber die Abteilung geleitet und am Wochenende Gutachten für Bahnprojekte in der Türkei geschrieben. Ich weiß heute nicht mehr, wie ich das gemacht habe. Es hat aber Spaß gemacht.“
Ende der 80er-Jahre, Anfang der 90er-Jahre überschlagen sich die Ereignisse. Regina Poth übernimmt die Abteilungsleitung Straßenbau der Stadt Aachen, später das Amt für Verkehrsanlagen. Sie lernt ihren Mann kennen und wird Mutter. „Bei der Stadt Aachen konnte ich das machen, was ich immer machen wollte.“
Konform mit den Plänen ökologisch orientierter Stadtplanung setzt sie „viele neue, hoch spannende“ Herausforderungen, wie neue Radwege, den Ausbau des öffentlichen Verkehrssystems und die Einführung des Anwohnerparkens in die Tat um. „Das ging nicht immer reibungslos vonstatten und war teilweise mit riesigen politischen Diskussionen verbunden. Ich sah mich im Einklang mit dem Wahlprogramm, deshalb hat mich die Kritik sehr getroffen.“
2003 nahm Regina Poth ihren zweiten Kindheitstraum in Angriff. Sie packte ihre Koffer und ging mit den beiden Kindern für drei Jahre nach Kigali. In der Hauptstadt Ruandas arbeitete sie für das städtische Bauamt. Eine glückliche und lehrreiche Zeit. „Ich bin ein zutiefst demokratischer Mensch. In Afrika hungern die Leute nach Demokratie und stehen stundenlang Schlange, um ihre Stimme abzugeben. Das hat mich geprägt.“
Nach ihrer Rückkehr übernahm sie die Leitung der Aachener Straßenbauabteilung. Amtsmüde ist sie auch nach drei Jahrzehnten im öffentlichen Dienst nicht. „Das Ganze könnte man konservativ-traditionell durchziehen, aber es gibt Randbereiche, die darauf warten, dass sich jemand darum kümmert.“
Der Spaß am technisch Machbaren und das Interesse an Menschen sind wichtige Triebfedern, vor allem aber die Chance, vor Ort die Entscheidung in die Realität umzusetzen. Das böte nur der öffentliche Dienst. Junge Frauen sollten sich genau überlegen, ob eine Stelle in der Kommunalverwaltung nicht doch eine Aufgabe ist, die entgegen landläufiger Einschätzung interessante Entwicklungsmöglichkeiten bietet.
Den Kampf um die Anerkennung als Ingenieurinnen bräuchten Studentinnen heute nicht mehr zu führen. Trotzdem mache es Sinn, als „Role Model“ der VDI-Initiative Mädchen von der spannenden Arbeit als Ingenieurin zu überzeugen. „Es ist immer noch nicht in den Köpfen junger Frauen, dass man in diesem Job tolle Möglichkeiten hat.“
Um das zu ändern, nutzt sie ihre Kontakte zu Hochschulen und die Referendarausbildung, um Studenten und junge Ingenieure immer wieder mit der Begeisterung für ihren Beruf anzustecken. WOLFGANG SCHMITZ
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