Häuser mit Styropordämmung können zur Feuerhölle werden
Für Bewohner Hunderttausender Häuser mit Styropordämmung bedeutet es Lebensgefahr: Bei einem Brand sind die Kunststoffplatten an der Fassade Brandbeschleuniger, die das Haus in eine Feuerfalle verwandeln. Diese jahrelang totgeschwiegene Gefahr liegt dem Bundesbauministerium jetzt in einer Studie schwarz auf weiß vor.
Den Bauministern der Bundesländer liegt laut Nachrichtenmagazin Spiegel eine interne Analyse vor, die bestätigt: Alle Häuser sind brandgefährdet, deren Fassaden mit sogenannten Wärmedämmverbundsystemen aus Styropor versehen sind. Dieser Erkenntnis liegt eine erschreckende Versuchsreihe zugrunde. Experten hatten dabei eine Holzkrippe vor einer 60 Quadratmeter großen Wand mit Polystyrol-Dämmplatten entzündet. Bereits nach 15 Minuten stand die gesamte Fläche lichterloh in Flammen. Vollbrand, wie es die Experten nennen. Das Wärmeverbundsystem hat versagt.
Experten fordern Verschärfung der Brandschutzvorschriften
Die Gefahr betrifft viele Häuser in Deutschland: Platten aus Polystyrol sind auf dem Markt der preiswerteste Dämmstoff und kommen mittlerweile bei 80 Prozent der Wärmedämmeinbauten zum Einsatz, um die Wärmedämmvorschriften der Bundesregierung einzuhalten.
Was also tun? Die Experten haben dem Bundesbauministerium vorgeschlagen, die Brandschutzvorschriften für Neubauten zu verschärfen. Sogenannte Brandriegel könnten zukünftig verhindern, dass sich Brände unkontrolliert ausbreiten – das sind Streifen nichtbrennbarer Mineralwolle, die sich in die Fassade einarbeiten lassen.
Solche Brandsperren sind bei Einfamilienhäusern bislang nicht vorgeschrieben. Die Experten fordern allerdings nicht dazu auf, bestehende Gebäude nachzurüsten. Hier soll ein Merkblatt an die Mieter ausreichen, mit der Bitte, Mülltonnen und andere brennbare Gegenstände von der Fassade abzurücken.
Keine Rettung über das Fenster: Polystyrol schmilzt und fließt Fassade herunter
Was macht Polystyrol so gefährlich? Das aus Rohöl gefertigte Material schmilzt bei Hitze und verwandelt sich in eine entzündbare Flüssigkeit, so dass „die Brandlast während des Brandverlaufs zunimmt“, heißt es in der Studie.
Doch nicht nur das: „Wenn Polystyrol brennt, schmilzt und tropft es in großer Breite von der Fassade und bildet eine undurchdringliche Barriere aus flüssigem heißem Material“, erklärt Reimund Stewen, Vorstandsmitglied des Verbands Privater Bauherren (VPB), in einem Bericht der Welt. Rettung über die Fenster fällt dann aus, wenn flüssiges Styropor an den Fenstern vorbeitropft. Brennt gleichzeitig das Treppenhaus, verwandelt sich das Haus schnell in eine Todesfalle.
THW-Präsident: Menschen würden auf der Straße demonstrieren
Neu ist diese Erkenntnis nicht. 2011 zündeten Jugendliche in Delmenhorst Müllcontainer an, die neben einem Mehrfamilienhaus standen, das mit Polystyrol gedämmt war. Zunächst brannte der Müll, kurze Zeit später die ganze Fassade – 209 Bewohner konnten gerade noch rechtzeitig gerettet werden. Kein Glück hingegen hatten zwei Menschen, die 2005 bei einem Styroporbrand in Berlin-Heinerdorf ums Leben kamen.
Albrecht Broemme war damals Einsatzleiter der Berliner Feuerwehr, heute ist er Präsident des Technischen Hilfswerks. Er warnte schon 2011 in einem Interview mit dem NDR für die Dokumentation „Wahnsinn Wärmedämmung“ vor dem gefährlichen Fassadendämmstoff: „Wüssten die Menschen um das Brandrisiko, würden sie dagegen auf den Straßen protestieren.“
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