Hochschulen werden zu Gesellschaftern
Laut einer aktuellen Fraunhofer-Studie erwägen immer mehr deutsche Unis, sich an ihren Spin-offs zu beteiligen. Doch der Aufwand ist hoch und wird selten mit finanziellem Gewinn belohnt.
In den USA ist es normal, dass sich Unis an Spin-offs beteiligen. Oft gehört es zu ihrem Geschäftsmodell, Gründer zu fördern – und dann beim Erreichen der Gewinnzone zur Kasse zu bitten. Das Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) Karlsruhe ist nun für das Wirtschaftsministerium (BMWi) der Frage nachgegangen, inwieweit sich deutsche Hochschulen mit dem Thema befassen.
Für die Studie haben die Forscher insgesamt 117 Hochschulen befragt, 60 antworteten. Immerhin 49 gaben an, in den letzten fünf Jahren über Beteiligungen an Spin-offs verstärkt nachgedacht oder sie bereits durchgeführt zu haben. Auf prinzipielle Bereitschaft stießen die Forscher auch bei jenen Hochschulen, wo Beteiligungen noch keine Rolle spielen: 86 % von ihnen gaben an, sich mangels Nachfrage der Gründer nicht mit der Frage befasst zu haben.
Die Studie scheint also ins Schwarze zu treffen. Denn ihr Ziel ist es, Hochschulen über Chancen und Risiken von Beteiligungen aufzuklären und sie anhand von Fallbeispielen für Probleme zu sensibilisieren.
Doch ist es überhaupt sinnvoll, dass Hochschulen als Gesellschafter bei Start-ups einsteigen – noch dazu mit öffentlichen Geldern? Die Befragten selbst sehen diese Option als einen Weg des Technologietransfers. Über 60 % geben an, Gründern ohnehin Sonderkonditionen zur Nutzung von Patenten einzuräumen – etwa indem sie Lizenzgebühren erlassen, stunden oder die Schutzrechte verschenken. Als Gegenleistung ziehen sie inzwischen auch Unternehmensanteile in Betracht. Geldeinlagen sind hingegen die Ausnahme.
An anonymisierten Fallbeispielen, in denen Hochschulen sich an Spin-offs beteiligten, zeigen die Forscher, dass universitäre Verwaltungsapparate in der Gesellschafterrolle leicht an Grenzen stoßen. Oft vergehen Monate, bis sich die Gremien in redundanten Prüfprozeduren zu Entscheidungen durchringen. Danach bleibt die Koordination schwierig. Die Forscher berichten von Fällen, in denen es praktisch keine Kommunikation zwischen Betreuern der Spin-offs und Beteiligungscontrollern gab. „Eigene Organisationseinheiten für das Beteiligungsmanagement konnten wir nur an wenigen Hochschulen finden“, monieren sie in der Studie.
Gerade das Beteiligungsmanagement wird oft unterschätzt. Hochschulen halten in der Regel unter 10 % der Anteile. Häufig haben sie es mit professionellen Co-Investoren zu tun – können aber selbst keine Finanzprofis aufbieten. Denn die sind mit Gehältern des öffentlichen Dienstes nicht zu locken. Also müssen Verwaltungsangestellte den Job übernehmen. Doch gerade wenn weitere Finanzierungsrunden anstehen, birgt das Risiken. Weil die Unis in der Regel keine weiteren Gelder einbringen, gilt es, den Wert ihrer bisherigen Einlage zu taxieren, zu verhandeln und vertraglich zu fixieren. Oder sie veräußern sie. Beide Optionen führen ihre Selfmade-Beteiligungsmanager an fachliche Grenzen.
Zudem bewegen sich die Hochschulen in einer rechtlichen Grauzone. Länder und Rechnungshöfe handhaben die Frage der Beteiligungen uneinheitlich. Nur in Hessen, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern ist es gesetzlich verankert, dass Unis sich an Ausgründungen ihrer Absolventen oder wissenschaftlichen Mitarbeitern beteiligen dürfen.
Ein Rechtsgutachten der Dresdener Kanzlei Nörr Stiefenhofer Lutz kommt allerdings zu dem Fazit, dass es mit dem öffentlichen Auftrag von Hochschulen vereinbar ist, sich im Rahmen das Technologietransfers an Ausgründungen zu beteiligen. Vorsicht sei aber bei der Rechtsform geboten: in Frage kämen nur GmbH, UG, AG oder KGaA. „Denn Hochschulen dürfen sich nicht als persönlich haftende Gesellschafter an Personengesellschaften beteiligen“, stellen die Juristen klar. Zudem sei es ratsam, die Haftungsrisiken durch indirekte Beteiligung über eine Holding-Struktur zu minimieren.
Bleibt die Frage, ob sich Beteiligungen überhaupt lohnen. Dass Unis als Teilhaber von Start-Ups á la Microsoft und Apple das große Geld machen, halten die Forscher für unrealistisch. Auch jene Hochschulen mit Beteiligungserfahrung hätten erkannt, dass sich nicht einmal ihre Kosten über die Renditen ihrer Portfolios decken können. Sie sind von längerfristigen strategischen Überlegungen getrieben. Einerseits hoffen sie über die Spin-Offs auf vertiefte Kontakte zur Industrie und Forschungsaufträge. Zum anderen zielen sie darauf ab, ihr Netzwerk und damit die Chancen ihrer Studierenden im Arbeitsmarkt zu verbessern. Und nicht zuletzt geht es ums Image. Sei es über den Hebel verbesserter Hochschulratings, den Nachweis, an brandaktuellen Technologien zu arbeiten oder eine gründerfreundliche Hochschule zu sein.
PETER TRECHOW
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