In Böblingen gibt es die meisten Ingenieure
Meist sind es Konzerne mit bekannten Marken, bei denen Ingenieure am liebsten arbeiten würden. Außerdem bezahlen sie mehr als der Mittelstand. Doch der profitiert bei der Personalrekrutierung durchaus von den Großen. Dass es in Böblingen die meisten Ingenieure Deutschlands gibt, gemessen an der Gesamtzahl der Beschäftigten, das hat seinen guten Grund.
Als liebenswerter Lebensraum mit hoher Lebensqualität präsentiert sich der Landkreis Böblingen in seinem Imagefilm. Wer Natur mag, der scheint gut aufgehoben in dem Gebiet südlich von Stuttgart. Doch neben den Naturschönheiten ist Böblingen ein Hightech-Standort. „Bei uns sind Weltfirmen zu Hause und der weithin bekannte schwäbische Fleiß und Tüftlergeist sowie die Aufgeschlossenheit gegenüber Neuem haben so manchen Erfolg ermöglicht“, ist auf der Homepage des Kreises nachzulesen. Ob in den Bereichen Forschung und Entwicklung, Produktion oder Dienstleistung: Im Landkreis finde man gut ausgebildete Spezialisten. Vor allem Ingenieure. In Böblingen gibt es viel mehr als anderswo in Deutschland.
In Baden-Württemberg arbeiteten zum Jahresende 2010 über 152 000 angestellte Ingenieure, so viele, wie in keinem anderen Bundesland. Wie das Statistische Landesamt nach Auswertung der Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit weiter mitteilt, hatte jeder fünfte Ingenieur in Deutschland seinen Arbeitsplatz im Südwesten. Allein in den vergangenen zehn Jahren stieg die Zahl dieser Berufsgruppe in Baden-Württemberg um fast 20 000.
790 000 sozialversicherungspflichtige Ingenieure in Deutschland
Der Zuwachs lag mehr als doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt. Knapp 790 000 sozialversicherungspflichtige Ingenieure gab es zum Jahresende 2010 in Deutschland, der Anteil dieser Berufsgruppe unter allen Beschäftigten lag damit bei 2,8 %. In Baden-Württemberg sind es 3,8 % und im Landkreis Böblingen 8,2 %. Das ist der höchste Wert in gesamten Bundesgebiet. An zweiter und dritter Stelle folgen der Bodenseekreis und der Stadtkreis Stuttgart. Dass auch 2010 beim Deutschen Patent- und Markenamt die meisten Anmeldungen aus Baden-Württemberg stammten, verwundert kaum.
„Daimler, Porsche, IBM, Bertrand und MB-Tech haben bei uns ihre Forschungs- und Entwicklungszentren, daher erklärt sich die Vielzahl an Ingenieuren von selbst“, sagt Walter Kübler, Geschäftsführer der IHK-Bezirkskammer Böblingen. Hinzu kämen viele Mittelständler wie z. B. Eisenmann oder Geze. Er hält die hohe Ingenieursdichte für einen Segen in der Region: „Das alles sind langfristig sichere Jobs.“ Beispiel Daimler. Der Automobilbauer hat in seinen Montagewerken Personal ab- und in Forschung und Entwicklung aufgebaut. Nun plant auch Bosch, sein Forschungs- und Entwicklungszentrum in den Landkreis zu verlegen. Baubeginn ist in den nächsten Monaten, etwa zwei Jahre später sollen die ersten Mitarbeiter einziehen. Die Ingenieurquote in Böblingen wird demnach weiter steigen.
Doch viele Ingenieure bedeuten nicht zwangsläufig, dass der Markt gesättigt ist. Ganz im Gegenteil: Wo schon viele sind, werden noch viel mehr gebraucht als anderswo. In den bundesweit über 30 Niederlassungen von Personal Total ist gut jede dritte Stelle, für die das Unternehmen im Kundenauftrag Kandidaten sucht, an einen Ingenieur gerichtet. „Bei uns sind es zwei von drei“, sagt Michael Eiberger, Geschäftsführer der Niederlassung Stuttgart. „Bosch, Daimler und Porsche brauchen uns nicht, die finden ihre Leute meist selbst“, sagt er.
Die Klientel der Personalberatung seien Unternehmen aus der zweiten Reihe: Zulieferer, Mittelständler, Firmen eben, die nicht im Fokus der Ingenieure stehen. „Im Fokus stehen heißt, man sieht die Produkte ständig und das erzeugt Signalwirkung.“ Autos schaffen das leicht, die sind nicht zu übersehen. Und die Großen zahlen höhere Gehälter. „Mittelständler wollen oder können da nicht mithalten.“ Nach dem Ranking der beliebtesten Arbeitgeber von Ingenieuren, herausgegeben vom Berliner Beratungsunternehmen Trendence, steht Porsche auf Platz 3, Daimler auf Platz 5.
Fast alle Ingenieure von Daimler arbeiten in Böblingen
Daimler beschäftigt in Deutschland fast 1000 Ingenieure, von denen die meisten im Landkreis Böblingen arbeiten. „Zum Jahresende 2011 haben wir in Deutschland 400 Ingenieure und Informatiker eingestellt, zudem gut 500 Trainees, von denen die meisten in technischen Bereichen eingesetzt werden. Bislang konnten wir immer alle offenen Stellen besetzen“, sagt Peter Berg, Leiter Global Talent Acquisition & Development.
Ingenieure des Maschinenbaus und der Elektrotechnik sowie Wirtschaftsingenieure stehen bei Daimler und allen anderen ganz oben auf der Liste. Und viele konkurrieren bei den Aufgaben: Energieeffizienz, Leichtbau und alternative Antriebe. Daimler sucht Generalisten und Spezialisten. „Bei uns muss generell das Gesamtprofil passen und wir wollen eine Leidenschaft fürs Auto spüren.“ Dass Daimler-Ingenieure aufgrund der schieren Größe des Unternehmens kleine Rädchen seien, das stimme nicht. „Wer will, kann etwas bewegen.“ Geld spiele zwar immer eine Rolle, seiner Meinung nach aber keine allzu große.
Ingenieure werden durch Konzerne wie Daimler oder Porsche angezogen, die in Böblingen sitzen
Eine angemessene Bezahlung und eine hohe Wertschätzung der geleisteten Arbeit sind für Berufstätige in Deutschland ausschlaggebend für die Attraktivität eines Arbeitsplatzes. Zu diesem Ergebnis kommt die Job AG in einer repräsentativen Befragung im Mai 2011. In Böblingen spielt ein weiterer Faktor eine Rolle. „Die Großen aus der Region ziehen Ingenieure magisch an und deshalb informieren sich viele Stellensuchende über Firmen aus der Gegend“, sagt Nicolai Stickel, Personalchef bei Star Cooperation in Böblingen.
Im ersten Halbjahr 2011 klickten 25 000 Interessenten die Karriereseite des Dienstleisters an, der etwa 600 Mitarbeiter hat, davon sind 170 Ingenieure. Allein 1700 Bewerbungen gingen in diesem Zeitraum ein. Die Einstellungsrate lag deutlich niedriger, weil viele Ingenieure gleich mehrere Angebote haben und viele sich am Ende doch für einen Großen entscheiden. „Derzeit haben wir 40 offene Stellen, die Konkurrenz ist einfach zu groß.“
Zu den Großen passen nach Meinung von Stickel Menschen, die klare Strukturen und ebensolche Vorgaben brauchen, Leute eben, die ein gemachtes Nest brauchen. „Wer Abwechslung will, Eigenständigkeit sucht und eine Herausforderung braucht, der ist bei uns besser aufgehoben.“ Und was Stickel für die Zukunft Mut macht, die offenen Stellen doch noch besetzen zu können: „Wer schon einmal einen Konzern erlebt hat, der ist offen für den Mittelstand.“ Star war bis 2005 ein Tochterunternehmen von Daimler.
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