Industriegüter-Hersteller punkten mit Dienstleistungen
Nicht zuletzt in Fernost formiert sich eine mächtige Konkurrenz für deutsche Industriegüter-Hersteller. Um im Wettbewerb zu bestehen, bedarf es innovativer Dienstleistungen. Die Frage ist, welche Services vom Kunden honoriert werden. Ruth Stock-Homburg, Leiterin der Fachgebiets Marketing und Personalmanagement an der TU Darmstadt, hat gemeinsam mit ihrem Mitarbeiter Sebastian Dreher 100 Firmen nach erfolgreichen Strategien befragt.
VDI nachrichten: Welche innovativen Dienstleistungen – abseits von Bedienungseinweisung und Wartung – sind bei Industriegüter-Herstellern denkbar?
Stock-Homburg: Zum einen gibt es zusätzlichen Service um das Produkt herum. Ein Beispiel liefert die Pilz GmbH & Co KG, die im Bereich Sicherheitstechnik und Automatisierung tätig ist. Sie hat ihren Kunden angeboten, Mitarbeiter zu Experten in Maschinensicherheit auszubilden, die dann vom TÜV zertifiziert werden. Das bietet wiederum Vorteile gegenüber den Endkunden.
Innovative Dienstleistungen können aber auch produktunabhängig sein. Ein Beispiel dafür liefert die Festo AG & Co KG, ein Anbieter von Antriebstechnik. Das Unternehmen hat ein gutes Personalmanagement und hat sich schon früh mit dem Thema demografischer Wandel im Betrieb beschäftigt. Die firmeninternen Experten schulen inzwischen die Belegschaft beim Kunden in diesen Fragen.
Was bringt das an Wettbewerbsvorteilen?
Enorm viel. Es gibt den Kunden das Gefühl, mit einem progressiven Unternehmen zusammenzuarbeiten. Er kann sich darauf verlassen, stets das Neueste zu bekommen. Das ist wichtig. Die Produkte sind schließlich immer stärker austauschbar. Die Technologien werden transparenter und lassen sich sehr schnell nachahmen. Dienstleistungen dagegen nicht. Gerade die innovativen Ansätze erfordern qualifizierte Mitarbeiter. Das braucht einen Vorlauf. Und, sehr wichtig, einen Innovationsgeist.
Wie können Anbieter ermitteln, welche innovativen Dienstleistungen vom Kunden honoriert werden?
Sie können dem Kunden diverse Serviceinnovationen vorstellen und fragen: „Wollen Sie das haben?“ Oder: „Haben Sie eigene Ideen?“ Wir haben aber festgestellt, dass es sogar Industriekunden sehr schwer fällt, Innovationen zu antizipieren. Sie sind nicht darauf trainiert. Außerdem geben sie Informationen aus dem Betrieb nicht unbegrenzt weiter. Einige Kunden neigen auch dazu, Vieles vorzuschlagen. Wenn ihnen diese Neuheiten dann tatsächlich angeboten werden, nehmen sie sie aber nicht in Anspruch. Nach dem Motto: „Ist zwar nett, aber brauche ich eigentlich nicht.“
Auf der anderen Seite kann man die Bedürfnisse der Kunden während der täglichen Zusammenarbeit erfahren, etwa bei der Inbetriebnahme von neuer Produktionstechnologie. Mitarbeiter von Pilz etwa gehen mit dem Kunden die Prozesse in seiner Fabrik durch und installieren die Technik. Die Frage, welche Dienstleistung zusätzlich gebraucht wird, wird nicht explizit thematisiert. Man hört dem Kunden einfach zu. Man beobachtet ihn oder führt mit ihm strukturierte Gespräche. Das Ziel ist es, die Prozesse, die gerade stattfinden, zu verbessern.
Ein zu enger Kontakt zum Kunden soll laut Ihrer Untersuchung aber sogar kontraproduktiv wirken. Warum?
Kritisch wird es, wenn Unternehmen quasi mit ihren Kunden verschmelzen. Aus einer Reihe von Studien wissen wir, dass die Mitarbeiter, die den Kontakt zum Kunden pflegen, die Interessen des eigenen Betriebs mitunter aus den Augen verlieren. Möglich ist auch eine Verschiebung der Machtverhältnisse, so dass ein Unternehmen im Grunde die Kontrolle über die eigenen Prozesse ein Stück weit aus der Hand gibt.
Welche Empfehlungen haben Sie für die Praktiker?
Zunächst zur Kundenbefragung: Wenn ich die Kunden direkt befrage, macht das nur dort Sinn, wo ich ein gewisses Vertrauen genieße. Das kann ich anhand von Zufriedenheitsmessungen erfassen. In dem Fall ist es auch wichtig, dem Kunden Anreize zu setzen, sich über Innovationen zu äußern. Eine halbherzige Aktion, wie „Wir schicken mal einen Fragebogen raus“, kann man sich sparen. Entweder ganz oder gar nicht.
Und zur Beobachtung von Kunden: Das zahlt sich aus. Eine „Verschmelzung“ sollte allerdings vermieden werden.
M. JORDANOVA-DUDA/sta
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