Industrieländer werden ihrer Verantwortung für die Klimaprobleme nicht gerecht
Die Industrieländer müssen zum einen die eigenen Treibhausgasemissionen deutlich stärker senken, zum anderen die Finanzierung von Emissionsreduktionen in Entwicklungsländern sowie Schutzmaßnahmen für die durch den Klimawandel betroffenen ärmeren Länder sicherstellen. So zumindest sieht es Klimapolitikexperte Wolfgang Sterk.
Sterk: Die politische Ausgangslage sieht einigermaßen verfahren aus. Dies liegt vor allem daran, dass sich die Industrieländer weiter weigern, ihrer Verantwortung für die Lösung des Klimaproblems gerecht zu werden. Die Industrieländer sind diejenigen, die das Klimaproblem – historisch betrachtet – verursacht haben. Sie haben sich auch entsprechend in der Klimarahmenkonvention 1992 verpflichtet, die Führung bei der Bekämpfung des Klimaproblems zu übernehmen. Dieser Verpflichtung sind sie aber bisher weitestgehend nicht gerecht geworden.
Das was jetzt seitens der Industrieländer auf dem Tisch liegt, ist bei weitem zu schwach, gegenüber dem, was ökologisch eigentlich erforderlich wäre. Das betrifft zwei Komplexe: Zum einen, was die Industrieländer selber machen wollen, was die Emissionsreduktionsziele angeht für die Zeit nach 2012, wenn die erste Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls ausläuft. Zum anderen geht es um die Unterstützung der Entwicklungsländer. Einerseits geht es darum, den Entwicklungsländern zu ermöglichen, sich auf eine emissionsarme Weise zu entwickeln, und andererseits um Unterstützung bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels.
Der Klimawandel ist heute schon sichtbar und dies betrifft vor allem ärmere Staaten. Deshalb geht es bei den Klimaverhandlungen auch darum, wie diese Länder und die betroffenen Bevölkerungsgruppen dabei unterstützt werden können, sich an die Folgen des Klimawandels anzupassen. Auch hier sind die Industrieländer in der Pflicht als historische Verursacher Unterstützungsleistungen auf den Tisch zu legen. Auch hier sind die Angebote deutlich zu schwach.
Das betrifft aus Ihrer Sicht sowohl die Angebote der EU wie die anderer Industrieländer?
Ja. Norwegen war jetzt neulich eine Ausnahme, indem es angekündigt hat, die Treibhausgasemissionen bis 2020 um 40 % gegenüber dem Stand von 1990 zu senken. Damit liegen die Norweger weit vorne. Alles andere, was bisher vorliegt, ist bei Weitem zu schwach, inklusive dessen, was die EU bisher auf den Tisch gelegt hat.
Wie ist in Kopenhagen die Rolle der aufstrebenden Schwellenländer wie China, Indien oder Brasilien einzuschätzen?
Diese Länder muss man differenziert betrachten. Gemeinsam ist ihnen, das die Treibhausgasemissionen in diesen Ländern sehr stark wachsen. Es ist aber so, dass die Pro-Kopf-Emissionen immer noch, im Vergleich zu den klassischen Industrieländern, sehr niedrig sind. In der Tat hat China jetzt die USA als größer Emittent überholt, in China leben aber auch viermal mehr Menschen. So liegt die Pro-Kopf-Emission in China bei jährlich 4,5 t CO2, in den USA sind es mehr als 20 t.
Diese Länder agieren im Rahmen der G77 schon sehr einheitlich und koordiniert. Sie wollen, dass die Industrieländer ihre Verantwortung übernehmen und vorangehen. Zusätzlich wollen sie finanzielle und technologische Unterstützung, damit sie ihr eigenes wirtschaftliches Wachstum mit möglichst wenig Treibhausgasemissionen erreichen können und sich auch an die Folgen des Klimawandels anpassen können.
Diese Forderungen differenzieren sich nach den Ländern. Für die durch die Folgen des Klimawandels stark verwundbaren Länder, wie zum Beispiel die kleinen Inselstaaten oder in der Saharazone, ist Anpassung natürlich ein sehr wichtiger Punkt. Oder für die Länder, die wirtschaftlich sehr schwach sind und daher kaum Ressourcen haben, um sich an solche Klimafolgen anzupassen.
Was müsste in Kopenhagen vereinbart werden, damit das klimapolitisch Notwendige getan werden kann?
Es wäre erst einmal sehr wünschenswert, wenn nicht nur Eckpunkte vereinbart würden, sondern ein konkretes, ratifizierbares Abkommen. Der Punkt ist dabei nicht, dass die Zeit zu knapp wäre, sondern der mangelnde politische Wille auf Seiten der Industrieländer fehlt.
Vereinbart werden müsste, dass sich die Industrieländer insgesamt verpflichten, ihre Treibhausgasemissionen bis 2020 um 40 % gegenüber dem Stand von 1990 zu senken. Zudem müssten sehr umfangreiche Unterstützungsmaßnahmen für Emissionsreduktionen in südlichen Ländern und für Unterstützung der Anpassung an die Klimawandel zu Verfügung gestellt werden.
Unserer Meinung nach wäre es das Günstigste, dazu einen internationalen Fonds aufzusetzen. Der sollte am besten gespeist werden durch Versteigerungserlöse aus Emissionshandelsmechanismen. So kann sich ein Klimaregime selbst finanzieren.
Das Kyoto-Protokoll ist quasi ein Emissionshandelssystem. Die darin festgelegten Ziele der Industrieländer für die Treibhausgasemissionen werden in Emissionszertifikaten ausgedrückt und diese sind handelbar. Bisher sind diese Zertifikate kostenlos zugeteilt worden.
Unserer Meinung nach wäre der beste Mechanismus, wenn diese Zertifikate in Zukunft versteigert werden würden. Darüber könnten Dutzende bis Hunderte von Milliarden Euros aufgebracht werden, die dann über solch einen Fonds in sinnvolle Maßnahmen in den Entwicklungsländern investiert werden.
Aber auch in den schnell wachsenden Schwellenländern muss etwas passieren, um das starke Emissionswachstum abzubremsen. Dazu passiert schon einiges, ob in China, Indien, Brasilien, Südafrika oder Mexiko, all diese Länder haben in den letzten Jahren nationale Klimaschutzpläne aufgestellt und diese werden kontinuierlich weiterentwickelt. Das Kopenhagen-Abkommen muss einen Rahmen bieten, um diese Maßnahmen weiter voranzutreiben und wo nötig, mit Unterstützung aus den Industrieländern zusammenzubringen.
Was, glauben Sie, kann dann Mitte Dezember das reale Ergebnis der Verhandlungen in Kopenhagen sein?
Ich würde die Hoffnung noch nicht aufgeben. Es gibt ein Interesse der Industrieländer, im Vorfeld der Kopenhagener Konferenz, die Erwartungen niedrig zu hängen und erst im nächsten Jahr zu einem Abschluss zu kommen. Die Entwicklungsländer halten da ganz massiv dagegen, vor allem diejenigen, die massiv vom Klimawandel betroffen werden.
Es bewegt sich durchaus einiges. Brasilien hat ein neues Ziel auf den Tisch gelegt, zu welchen Treibhausgasreduktionen es bereit wäre. Die Südkoreaner haben ein Ziel auf den Tisch gelegt. Die USA treten in Kopenhagen mit einer konkreten Zahl für Treibhausgasemissionsminderungen an, obwohl das US-Klimaschutzgesetz zurzeit noch im Kongress festhängt.
Von daher darf man die Hoffnung nicht aufgeben, dass in Kopenhagen wirklich ein Abkommen herauskommt. Gäbe es nur ein Rahmenpapier mit einem weiteren Fahrplan, das fände ich ausgesprochen traurig. So weit waren wir in Bali 2007 nämlich auch schon.
Ein Beitrag von: