Bildungspolitik 30.08.2021, 10:25 Uhr

Informatik als Pflichtfach: Wähler fordern Recht auf digitale Bildung

Programmieren lernen, Apps coden oder Techniktrends verstehen: Informatik ist als Fach in Schulen unterrepräsentiert. Mit fatalen Folgen für den Arbeitsmarkt. Wählerinnen und Wähler fordern jetzt ihr Recht auf digitale Bildung ein.

Schülerin mit Headset und Laptop

Laut einer Bitkom-Umfrage fordern Wählerinnen und Wähler Informatik als Schul-Pflichtfach und ein Recht auf digitale Bildung.

Foto: panthermedia.net/AntonLozovoy

Informatik als Schul-Pflichtfach: Das fordern drei Viertel der Bevölkerung – und zwar ab Klasse 5 und nicht erst in der Oberstufe. Zu diesem Ergebnis kommt eine Umfrage des Digitalverbands Bitkom.

Die Zahl der Informatik-Studierenden steigt. Im Wintersemester 2019/2020 waren in Deutschland mehr als 127.500 Studierende im Fach eingeschrieben. Im Wintersemester 2016/2017 waren es noch 110.000 Studierende, so das Erhebungsportal Statista. Seit Jahren sind IT-Skills in ingenieurwissenschaftlichen Berufen gefordert – und sorgen für hohe Gehälter wie die Einkommensstudie von ingenieur.de zeigt.

Informatik findet als Schulfach keine Anerkennung

Doch wie sieht es mit Lehrplänen an deutschen Schulen aus? Die Corona-Pandemie hat aufgezeigt, dass unser Schulsystem mit der Digitalisierung zu kämpfen hat. Homeschooling und digitaler Unterricht stellen Schulen und Lehrkräfte bis heute vor Herausforderungen.

Informatik als Schulfach ist nichts Neues, begann der Unterricht bereits vor 50 Jahren in der gymnasialen Oberstufe. Doch bis heute hat das Fach keine bundesweite Anerkennung. Die Universität Rostock spricht in einem Vergleichspapier zum Informatikunterricht in Deutschland sogar von einem “Scheitern der Integration des Schulfachs”. “Weder die Grundbildung in den 1980er Jahren noch eine starke gesellschaftswissenschaftliche Ausrichtung Anfang der 1990er Jahre konnten die Bildung zur Informatik in den Schulen stabilisieren.”

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IT-Fachkräftemangel beginnt in der Schule

Diese Missstand kritisieren nun auch Teilnehmer einer Bitkom-Umfrage. Die Mehrheit wünscht sich in der nächsten Legislaturperiode mehr bildungspolitische Kompetenzen für den Bund. 80 Prozent fordern ein Recht auf digitale Bildung.

„Wenn Deutschland ein digitaler Spitzen-Standort werden will, brauchen die Beschäftigten von morgen dafür die notwendigen Fähigkeiten – und Informatik bildet dafür die Basis“, sagt Bitkom-Präsident Achim Berg.

Aktuell seien in Deutschland über 86.000 Stellen für IT-Fachkräfte unbesetzt – Tendenz steigend. „Wer bereits in der Schule programmieren lernt, hat später beste Berufsaussichten. Es ist Aufgabe der Politik, unseren Kindern solche Chancen durch zukunftsgerichtete Lehrpläne zu eröffnen. Bislang orientieren sich die Curricula zu sehr an den Bedarfen von gestern und Nöten von heute, sie orientieren sich viel zu wenig an den Erfordernissen von morgen und übermorgen.“

Verbessert IT-Wissen das Ingenieurgehalt?

67 Prozent der Befragten denken, dass sich der Bund mehr in das Bildungswesen einschalten sollte, um die Digitalisierung der Schulen zu schaffen. Bisher liegt diese Aufgabe fast ausschließlich im Verantwortungsbereich der 16 Bundesländer und der Schulträger. Die Digitalisierung der Schulen geht vielerorts nur schleppend voran.

Der Digitalverband Bitkom hat für die Erhebung über 1.000 Personen in Deutschland ab 18 Jahren befragt.

Bundestagswahl: Gesetzliches Recht auf digitale Bildung

80 Prozent der Deutschen wünschen sich im Zuge der Bundestagswahl ein gesetzlich garantiertes Recht auf digitale Bildung. Das heißt einen Rechtsanspruch auf digitalen Unterricht für alle Schul- und Weiterbildungsformen. Laut Berg sollte das nicht nur in einer Ausnahmesituation wie der Corona-Pandemie gelten. Sofern Schülerinnen und Schüler aufgrund einer persönlichen Einschränkung oder Erkrankung nicht zum Lernort kommen könnte, sollte das Recht auf digitale Bildung ebenfalls greifen.

„Die starke Meinung in der Bevölkerung zeigt, wie sehr die Bildungspolitik die Menschen in den letzten Jahren enttäuscht hat. Sie war wenig ambitioniert, die Vorschläge altbacken und die Kommunikation während der Corona-Pandemie oft chaotisch. Der Auftrag der Wählerinnen und Wähler ist klar: Unsere Bildungspolitik muss in der kommenden Legislaturperiode entschlossener und visionärer werden. Hierfür werden wir wohl auch die in Sachen Bildung in die Jahre gekommene Verfassung ändern müssen”, so der Bitkom-Präsident Berg.

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Am 26. September ist die Bundestagswahl 2021. Wir haben die Wahlprogramme zum Thema Bildungspolitik durchsucht.

Christlich Demokratische Union Deutschlands (CDU) / Christlich-Soziale Union in Bayern (CSU)

CDU/CSU wollen Bildung früh fördern, unter anderem mit einer Weiterförderung des Kita-Ausbaus. Fachwissen und Kompetenzen, Wertebewusstsein und Urteilskraft, Team- und Kollaborationsfähigkeit, Resilienz, Kreativität, Forscher- und Gründergeist sowie problemlösungsorientiertes und kritisches Denken sollen laut der Partei in Schulen gefördert werden. Ein Ausbau der digitalen Kompetenz findet sich im Wahlprogramm der CDU/CSU sowohl in der Lehrer- als auch Schülerausbildung. Dazu zählen technisches und informatisches Grundverständnis sowie Medienkompetenz.

Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Neben beitragsfreien Kitas sieht die SPD vor, jedem Schüler und jeder Schülerin ein digitales Endgerät und Zugang zum Internet zur Verfügung zu stellen. Auf einer Open-Source-Plattform sollen länderübergreifend Lehr- und Lernmaterialien und Unterrichtskonzepte für alle zugänglich sein. Für Lehrkräfte plant die SPD bundesweit vernetzte Kompetenzzentren für digitales Lehren und Lernen.

Das geforderte Recht auf digitale Bildung fällt auch im Wahlprogramm der SPD. Dieses Recht sowie Weiterbildungen sieht die Partei für alle Generationen vor.

Bündnis90/Die Grünen

Zunächst wollen Die Grünen für jedes Kind einen Kitaplatz. Weiterhin soll es das Recht auf einen Ganztagsplatz für jedes Grundschulkind geben. In der Schule setzt die Partei bei der Bundestagswahl auf “datenschutzfreundliche digitale Ausstattung und Strukturen, die die Schulen beim digitalen Lehren und Lernen wirkungsvoll unterstützen”. Insgesamt sollen MINT-Themen an Schulen gefördert werden.

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Freie Demokratische Partei (FDP)

Die FDP spricht in ihrem Wahlprogramm zur Bundestagswahl von Talentschulen, die sie “mit modernster Pädagogik und bester Ausstattung aufbauen” wollen. MINT-Bildung soll frühzeitig gestärkt werden – insbesondere Mädchen und Frauen will die FDP fördern. Die Partei nennt auch eine explizite bundesweite Einführung der Schulfächer Wirtschaft und Informatik.

DIE LINKE

Ganztagsbetreuung und gebührenfreie Kitas stehen ebenfalls im Wahlprogramm. Den Rechtsanspruch sieht Die Linke im gemeinsamen Lernen in einer Regelschule sowie in einer inklusiven Bildung. “Jedes Kind braucht von der Schule ein kostenfreies digitales Leihgerät für die gesamte Schulzeit. Die Leihgeräte sind mit quelloffenen Betriebssystemen und freier Software sowie jugendgerecht auszustatten”, heißt es im Wahlprogramm. Von MINT-Fächern liest man explizit nichts. Jedoch fordern Die Linke einen zulassungsfreien Zugang zum Master muss für Bachelor-Absolventen.

Neue Perspektiven durch MINT-Berufe

Alternative für Deutschland (AfD)

Die AfD möchte die Vereinbarkeit von Familie und Beruf vereinfachen, wofür laut Partei mehr Betriebskindergärten nötig sind. Von einer frühen Förderung von Digitalkompetenz rät die Partei ab. Im Wahlprogramm heißt es: “Die ersten vier Schuljahre sollten vorwiegend digitalfreie Räume sein, da sie der Aneignung der grundlegenden Kulturtechniken Lesen, Rechnen und Schreiben dienen.” Außerdem befürwortet die AfD die Wiedereinführung der bewährten Diplom- und Magisterstudiengänge.

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Ein Beitrag von:

  • Sarah Janczura

    Sarah Janczura

    Sarah Janczura schreibt zu den Themen Technik, Forschung und Karriere. Nach einem Volontariat mit dem Schwerpunkt Social Media war sie als Online-Redakteurin in einer Digitalagentur unterwegs. Aktuell arbeitet sie als Referentin für Presse und Kommunikation beim VDI e.V.

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