Ingenieure gesucht: Karriere im Schuldienst
Statt in die Industrie und Wirtschaft in den Schuldienst? Diese Alternative bietet sich angehenden Ingenieuren und solchen, die bereits eine erste Karriere hinter sich haben. Seiteneinsteiger sind insbesondere an den berufsbildenden Schulen derzeit in vielen Bundesländern gern gesehen, denn es fehlt an Lehrkräften.
Ingenieure haben in Industrie und Wirtschaft glänzende Aussichten, Fachkräftemangel sei Dank – zumindest diejenigen, die hoch qualifiziert sind und das mitbringen, was die Unternehmen gerade suchen. Doch nicht nur die Wirtschaft sucht händeringend technischen Nachwuchs, auch Schulen fehlt es an Lehrkräften. Vor allen Dingen an den beruflichen Schulen werden Ingenieure gesucht, um im naturwissenschaftlich-technischen Bereich zu unterrichten.
„Gefragt sind insbesondere die Fachrichtungen Metalltechnik, Elektrotechnik und Informationstechnik“, weiß Berthold Gehlert, Vorsitzender des Bundesverbandes der Lehrerinnen und Lehrer an beruflichen Schulen. An den allgemeinbildenden Schulen sind Lehrer, die Fächer wie Chemie, Physik, Mathematik und Informatik unterrichten, Mangelware.
Damit eröffnet sich Ingenieuren ein weiteres Berufsfeld: der Schuldienst. Doch warum sollte dieser jene locken, die in der freien Wirtschaft derzeit beste Karriereaussichten haben? Gerd Hock, von Haus aus Elektrotechnik-Ingenieur, hat seine Antwort längst gefunden: „Zum einen macht mir die Arbeit mit den jungen Menschen viel Spaß. Zum anderen ist es mir wichtig, meine 15-jährige berufliche Erfahrung weiterzugeben und quasi zu multiplizieren, in dem ich mich als Praktiker in die Lehre begebe und die Wissensvermittlung nicht nur den Theoretikern überlasse.“
Derzeit steckt Hock, der ein „klassischer Quereinsteiger“ ist, mittendrin in der Ausbildung, seine momentane Berufsbezeichnung ist „Lehrkraft im Vorbereitungsdienst“, kurz LIV. Drei Tage in der Woche unterrichtet er bereits und büffelt mit seinen Schülern Mathematik und Elektrotechnik an einer berufsbildenden Schule in Wiesbaden. Zwei Tage drückt Hock selbst die Schulbank im so genannten Lehrerseminar (oder auch Studienseminar genannt) und paukt, wie moderner Unterricht aussehen soll.
Hinter ihm liegt bereits ein viersemestriger Masterstudiengang, der Master auf Education an der Technischen Uni Darmstadt, vor ihm noch das Referendariat. Voraussetzung für den Master war in seinem Fall ein abgeschlossenes Fachhochschulstudium. Hock: „Diese beiden Abschlüsse ersetzen das erste Staatsexamen, das ,normale“ Lehramtsstudenten absolvieren.“ Im Masterstudium stand in erster Linie Didaktik auf dem Lehrplan, ein Muss für jeden angehenden Lehrer.
Dass Hock seine erste berufliche Karriere zugunsten des Schuldienstes aufgab, hat er bis heute nicht bereut. Denn der Lehrerberuf ist für ihn viel mehr als nur die Vermittlung seines Ingenieurwissens: „Für mich ist es wichtig, mit den Schülern in eine Beziehung zu treten, die nicht nur die Fachebene betrifft, sondern auch die Verständnisebene und die Zielebene. Junge Menschen müssen lernen, ihre eigenen Ziele zu definieren und zu verfolgen. Sie dabei zu unterstützen, ist eine meiner Aufgaben als Lehrer“, erklärt der 46-Jährige.
Hinzu kommt, dass der Lehrerberuf zumindest derzeit in vielen Bundesländern Ingenieuren gute Chancen auf eine Festanstellung bietet, das gilt auch für Gerd Hock. Im Jahr 2008 wurden laut Kultusministerkonferenz bundesweit rund 700 Seitensteiger eingestellt, davon über 400 in den technisch-naturwissenschaftlichen Fächern. Im Jahr 2009 waren es erheblich mehr: Insgesamt wurden 1798 Seiteneinsteiger registriert, ein Großteil davon im naturwissenschaftlich-technischen Bereich.
Jobs und Qualifizierungsmöglichkeiten bieten sich in fast allen Bundesländern, sind aber „je nach Fachbereich und Region sehr unterschiedlich. In den neuen Bundesländern ist mit weniger Bedarf zu rechnen. Vor allem sind die Chancen immer auch abhängig von den jeweiligen Maßnahmen, die von den Kultusministerien aufgelegt werden. Diese unterscheiden sich häufig von Jahr zu Jahr“, weiß Gehlert. Die besten Einstiegsmöglichkeiten haben in der Regel Uni-Absolventen, wobei die örtliche Mobilität aber immer wichtiger werde.
Wer jedoch als Seiteneinsteiger in erster Linie deswegen der Lehrerberuf wählt, um sich in Sicherheit zu wiegen, der läuft Gefahr, enttäuscht zu werden: Die Altersgrenze, um verbeamtet zu werden, ist in jedem Bundesland eine andere. Wer schon einige Jahre Berufserfahrung hat und sich erst mit über 30 für das Lehramt entscheidet, sollte sich genau informieren. Denn andernfalls gilt: Weniger Sicherheit und deutlich weniger Gehalt als die verbeamteten Kollegen.
Gerd Hock muss sich deswegen keine Sorgen machen: In Hessen liegt die Altersgrenze für eine Verbeamtung derzeit bei 50 Jahren. Zum Vergleich: in Nordrhein-Westfalen bei nur 40 Jahren.
Bundesländer wie Baden-Württemberg, die Not haben, die technisch-naturwissenschaftlichen Fächer zu besetzen, lassen sich inzwischen einiges einfallen, hier ist gar ein Direkteinstieg möglich. Das heißt: Statt des so genannten Vorbereitungsdienstes absolviert der Bewerber eine zweijährige berufsbegleitende pädagogische Schulung bei gleichzeitig verringerter Unterrichtsverpflichtung. Nach einem weiteren „Bewährungsjahr“ ist die Übernahme in das Beamtenverhältnis vorgesehen. In Baden-Württemberg gilt das u. a. für die Fachbereiche Maschinenbau, Metalltechnik, Fahrzeugtechnik, Energie- und Automatisierungstechnik sowie Informationstechnik. Und: Als i-Tüpfelchen lockt das Land Direkteinsteiger mit einer monatlichen Zulage von bis zu 800 € brutto bei Universitätsabschluss und 600 € bei Fachhochschulabschluss. JULIA SCHLINGMANN
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