Arbeitsmarkt 03.12.2010, 19:50 Uhr

Ingenieure in der Consulting-Branche: In zwei Welten zu Hause

Deutschland ist Hightechland, deshalb müssen sich Unternehmensberater fast schon zwangsläufig mit Technologie-Themen auseinandersetzen. Ingenieure sind häufig die Mittler zwischen den Kunden und dem Consulting-Team. Während junge Ingenieure vor allem in den großen Beratungshäusern unterkommen, brauchen spezialisierte Häuser Ingenieure mit Erfahrung. Karriere ist bei beiden inbegriffen.

Volker Darius wechselte vom Hörsaal direkt in die Beratung. Der 28-jährige Ingenieur der technischen Informatik wusste, was er wollte. „Ich habe während des Studiums Internetlösungen für Unternehmen entwickelt und implementiert. Die Aufträge haben mir deutlich gemacht, dass ich gerne berate, rechts und links schaue.“ Während zwei Industriepraktika stellte er fest, dass Ingenieure dort zwar oft Spezialisten in einem Fachthema sind, ihnen aber häufig der Kontext fehlt. „Ich will das große Ganze verstehen, am besten in einem starken Team, das im internationalen Umfeld agiert“, so Darius.

Seit gut zwei Jahren arbeitet er nun als Berater bei Capgemini Consulting in Berlin. Capgemini ist eine Management- und IT-Beratung mit rund 100 000 Mitarbeitern in mehr als 35 Ländern. Eine der vier strategischen Geschäftseinheiten ist Capgemini Consulting, dort hat Darius weltweit etwa 4000 Kollegen etwa jeder fünfte Berater in Deutschland ist Ingenieur. Jedem Einsteiger werden in Trainings die notwendigen Beratungsskills vermittelt, Ingenieuren außerdem betriebswirtschaftliche Kenntnisse. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit zum berufsbegleitenden MBA und in Trainings wird an Fallbeispielen geübt. Parallel dazu arbeiten junge Berater mit erfahrenen Kollegen in konkreten Projekten. „Dort habe ich am meisten gelernt“, sagt Darius.

Zuletzt war er für einen Auftrag in Serbien. Die Firma macht Verluste und beauftragte Capgemini Consulting damit, den Turnaround einzuleiten. „Häufig werden wir gerufen, wenn es schon lichterloh brennt. Wir kommen mit einem externen Blick auf die Dinge und der Erfahrung aus ähnlich gelagerten Fällen. In kürzester Zeit müssen wir eine riesige Menge an Informationen aufnehmen, bewerten und Lösungen liefern.“ Seiner Meinung nach eignen sich Ingenieure dafür besonders, weil sie es gelernt haben, analytisch und strukturiert zu denken und lösungsorientiert zu handeln.

Darius schätzt es, schon in jungen Jahren Großes bewegen zu können, jedes Projekt ist für ihn eine neue, spannende Herausforderung. Dass er dafür unter der Woche meist aus dem Koffer leben muss, ist für ihn ein Wermutstropfen, den er wohlwissend in Kauf nimmt: „Ich bin überzeugt, dass kein Ingenieur seinen Alltag hinter dem Schreibtisch verbringen kann. Raus müssen alle und in der Beratung bekommt man sehr viel von der Welt mit.“ Und man sollte nicht vergessen, dass die Beratung häufig ein Sprungbrett für die Karriere ist: Viele der Berater wechseln in Führungspositionen beim Kunden. Heute der Mitarbeiter, morgen der Kunde: Diese Denke ist Teil des Geschäftsmodells.

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Zwischen Januar und Oktober 2010 hatte jedes 14. Stellenangebot seinen Ursprung in einem Beratungsunternehmen oder Finanzdienstleister. Zu diesem Ergebnis kommt der Personaldienstleister Adecco in seinem Stellenindex. Von den rund 45 000 Offerten richteten sich etwa 6300 an Ingenieure und Informatiker. Damit sind diese beiden Berufsgruppen die am meisten gefragten in der Beratung und bei Finanzdienstleistern. Dass sich der hohe Einsatz finanziell lohnt, hat der Vergütungsspezialist Personalmarkt herausgefunden. Nach Informationen des Unternehmens verdienen Ingenieure bei Beratungsfirmen mit 56 000 € im Schnitt rund 5000 € mehr als ihre Kollegen in der Industrie.

Capgemini will im nächsten Jahr alleine im Consulting-Bereich in Deutschland etwa 180 neue Mitarbeiter einstellen, darunter 30 bis 40 Ingenieure. Dem Unternehmen geht es dabei weniger um bestimmte Studienrichtungen als vielmehr um passende Profile. „Bei uns sind Ingenieure häufig das Bindeglied zwischen den Prozessfachleuten auf der Kundenseite und dem Berater-Team. Ingenieure reden gern in ihrer Sprache miteinander, was die Zusammenarbeit vereinfacht. Sie sind der Wandler zwischen den Welten“, beschreibt Dr. Michael Schulte die Rolle von Ingenieuren bei Capgemini Consulting. Schulte, selbst Maschinenbau-Ingenieur, ist Chef der Beratungssparte hierzulande. Er ist nach seiner Promotion im Bereich Produktionstechnik ins Consulting eingestiegen. „Es erschien mir damals ein logischer Schritt, um die analytische und technische Problemlösungskompetenz auf die gesamte Betrachtung von Prozessen auszuweiten.“

Diese Verbindung reizt ihn heute noch, auch wenn sich sein Tätigkeitsfeld stark verändert hat. „Heute beschäftige ich mich mit der immer stärkeren Vernetzung von moderner Technologie und Geschäftsmodellen, also der digitalen Transformation von Unternehmen.“

Mit dem 20 %-igen Ingenieuranteil liegt Capgemini Consulting auf dem Level, das in der Beratung insgesamt der Durchschnitt sein wird, mutmaßt Lutz Mackebrandt, Vize-Präsident im Bundesverband Deutscher Unternehmensberater. „Die Nachfrage nach Beratern mit Ingenieurabschlüssen oder anderem technischem Studienhintergrund ist in den vergangenen Jahren gestiegen. Und dieser Trend wird eher noch zunehmen.“ Als Gründe hierfür nennt Mackebrandt: „Viele Beratungsprojekte beinhalten technische Lösungen oder erfordern das Verständnis für deren Zusammenhänge.“

Insbesondere Wirtschaftsingenieure seien in der Beratung stark vertreten, aber auch Ingenieure des Maschinenbaus, der Elektrotechnik und Wirtschaftsinformatik seien gesucht. „Mit der anziehenden Konjunktur fragen die Auftraggeber wieder vermehrt Beratungsprojekte mit Wachstumsthemenstellung nach. Andererseits suchen die Firmen weiterhin Unterstützung bei den eher klassischen Themen wie Strategie- und Investitionsentscheidungen, zu hoher Kostenstruktur und mangelnder Liquidität.“

Rund 40 große, international tätige Beratungsgesellschaften machen etwa 45 % des Branchenumsatzes aus. „Daneben gibt es viele mittelgroße und kleinere Beratungsunternehmen, die ebenfalls sehr attraktive Arbeitgeber für Ingenieure sind, da sie oft einen technischen Beratungsschwerpunkt oder Branchenfokus haben, bei dem Ingenieurwissen seitens der Klienten gefordert wird“, so Mackebrandt.

Management Engineers ist ein international tätiges und mittelständisches Beratungsunternehmen, das in der verarbeitenden Industrie zu Hause ist. Drei Viertel seines Umsatzes – 2009 waren das rund 80 Mio. € – erwirtschafteten die rund 175 Mitarbeiter im vergangenen Jahr. 2009 wurde das Beratungshaus vom Manager Magazin als „Aufsteiger der Beraterzunft“ tituliert und unter den Top Ten der deutschen Strategieberater platziert. Sechs von zehn Beratern sind Ingenieure und Naturwissenschaftler, jeder Vierte hat mehr als zehn Jahre Industrieerfahrung.

Friedrich Schilcher, 42 Jahre und von Beruf Wirtschaftsingenieur, hat 15 Jahre in der Industrie gearbeitet, bevor er vor zweieinhalb Jahren zu Management Engineers ging. „Ich habe Veränderung gesucht, wollte andere Branchen und möglichst viele Unternehmen kennenlernen. Das kann nur die Beratung leisten.“ Weil die Kunden immer dann Berater beauftragen, wenn Probleme rasch beseitigt werden müssen oder weil die das eigene Know-how nicht haben, ist Beratung nach seiner Erfahrung nie Tagesgeschäft. „Abwechslung ist in dem Job garantiert.“

Aktuell bearbeitet er ein Organisationsthema. Das Problem: Bei dem Kunden laufen Prozesse und Zusammenarbeit zwischen Entwicklung und Vertrieb nicht rund. Im Fall davor ging es um das künftige Geschäftsmodell eines Automobilzulieferers. Bei ihm stellte sich die Frage: Soll ich meine Innovation als Teilsystem oder komplettes System anbieten? „Wir haben ihm geraten, sich auf seine Stärke zu besinnen und sich auf das Kernelement zu konzentrieren.“ Der Kunde ist nun dabei, alles notwendige dafür in die Wege zu leiten.

Dass auch Schilcher immer wieder attraktive Positionen bei zufriedenen Kunden angeboten werden, überrascht nicht. Doch der Unterschied zu Capgemini Consulting ist der: Berater bei Management Engineers wollen keinen anderen Job, sie haben ihre zweite Karriere bereits begonnen. PETER ILG

Ein Beitrag von:

  • Peter Ilg

    Peter Ilg ist freier Journalist und verfasst Texte über Arbeitsmarkt und Berufe, Mobilität und Fahrberichte, Wirtschaft und Märkte.

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