Ingenieurinnen in Teilzeit: Im Mittelstand geliebt, von Konzernen verschmäht
30 Ingenieurinnen haben 2012 am Projekt Wing teilgenommen, das Frauen mit technischem Studium nach längerer Pause helfen soll, wieder in ihrem Beruf einzusteigen. Die Hälfte hat inzwischen eine Festanstellung in Teilzeit, die allermeisten davon in kleinen und mittelständischen Unternehmen. Konzerne scheinen genügend Vollzeitingenieure zu finden, sodass sie Teilzeitingenieurinnen ablehnen können.
Das Gejammer der Unternehmen über zu wenig Ingenieure ist groß. Doch deren Bereitschaft, Ingenieurinnen in Teilzeit einzustellen, klein. „Ich habe Nachhilfe gegeben, war Lehrerinnenvertreterin am Gymnasium, Klasse 8 Mathematik und Krankheitsvertretung im Kindergarten“, sagt Cordula Dreher (49). Mit ihrer Ausbildung hatten diese Aushilfsjobs nichts zu tun. Die Ingenieurin hat an der Universität Stuttgart Luft- und Raumfahrt studiert. „Es ist außerordentlich schwierig, als Ingenieurin in dieser Männerdomäne einen Teilzeitjob zu finden“, hat Dreher festgestellt. Jahrelang hat sie gesucht. Vergeblich. Dann in der Zeitung über das Projekt Wing gelesen. Wing ist die Abkürzung für Wiedereinstieg für Ingenieurinnen und ein Teil der Baden-Württembergischen Landesinitiative Frauen in MINT-Berufen.
Baden-Württembergische Landesinitiative Frauen in MINT-Berufen
„Mit der Initiative wollen wir mehr Mädchen und junge Frauen für einen Beruf in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik gewinnen“, sagt Baden-Württembergs Wirtschafts- und Finanzminister Nils Schmid. Das Engagement der Landesregierung fruchtet bei Berufseinsteigern: Die Anzahl der Studentinnen in MINT-Fächern an baden-württembergischen Hochschulen ist zwischen 2001 und 2011 um 71 % gestiegen. Doch viele arbeiten nicht in ihrem erlernten Beruf oder scheiden aus, denn im genannten Jahresvergleich hat der Anteil der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Frauen in MINT-Berufen lediglich um 17 % zugenommen. Der gewünschte Effekt verpufft zwischen Studienende und Mutterwerden.
„Dann kamen die Kinder und ich war raus“
Cordula Dreher arbeitete nach dem Studium acht Jahre im Projektmanagement bei Daimler in Sindelfingen. „Dann kamen die Kinder und ich war raus.“ Drei Jahre nach dem Mutterschutz hätte sie zurückkommen können. Doch das ging aus persönlichen Gründen nicht. Heute sind die beiden Töchter 13 und 15 Jahre alt. Schon seit zwei, drei Jahren suchte sie einen Teilzeitjob als Ingenieurin. Der Zeitungsartikel über Wing kam wie gerufen. Es richtet sich an Frauen mit einem technischen oder naturwissenschaftlichen Studium, die nach längerer Pause wieder in ihren erlernten Beruf einsteigen wollen, gefördert vom Bundesland Baden-Württemberg und durchgeführt von der Germany Aerospace Academy (ASA) in Böblingen.
Die ASA ist ein Steinbeiss-Institut, das berufsbegleitende Weiterbildung anbietet. Beate Wittkopp leitet Wing, das 2012 erstmals als Pilotprojekt durchgeführt wurde. „Die mehrstufige Schulung an unserem Institut umfasst rund zehn Präsenztage und ist mit einer sechsmonatigen Praxisphase in einem Unternehmen verbunden“, sagt Wittkopp. Diese Kombination sei der Clou am Projekt, Branchenverbände, Industrie- und Handelskammern, Kontaktstellen Frau und Beruf, Wirtschaftsförderungsgesellschaften, Arbeitsagentur Kooperationspartner wichtige Partner.
30 Frauen sind zu Jahresbeginn 2012 bei Wing eingestiegen, 27 haben einen Praktikumsplatz gesucht, 24 einen gefunden und 15 sind inzwischen fest angestellt.
Suche nach Teilzeitkräften ist viel einfacher
Darunter Cordula Dreher. Sie kam bei der FS Software und Konstruktionen GmbH in Böblingen unter. Das Unternehmen hat 20 Mitarbeiter, es entwickelt Sonderfahrzeuge für Daimler und es bietet die gesamte Prozesskette im Faserverbund-Leichtbau an.
Ingenieurinnen in Teilzeit zu finden, sei viel einfacher als Vollzeitkräfte, sagt Peter Faßbaender, Inhaber von FS Software und Konstruktionen. Die leichtere Suche kompensiere den etwas höheren Planungs- und Organisationsaufwand für Teilzeitkräfte bei Weitem. Vier Teilzeitfrauen beschäftigt Faßbaender, drei davon sind Ingenieurinnen. „Die Fluktuation dieser Gruppe ist ganz gering und das Engagement der Frauen höher als von so manchem Berufseinsteiger.“
Wiedereinsteigerinnen und Berufsanfänger vergleicht er deshalb, weil beide erst einmal lernen müssen, um produktiv sein zu können. Sei es der Umgang mit dem umfangreichen Konstruktionsprogramm oder der neuen Faserverbundtechnik. „Den Frauen ist bewusst, dass sie lernen müssen, der Absolvent ist von sich überzeugt.“ In etwa drei Monaten wird sie in den Geschäftsbereich Faserverbundtechnik wechseln und ist dann noch näher an ihre Ausbildung herangerückt.
Cordula Dreher hat Spaß an ihrem Job, nette Kollegen, die Kinder ziehen mit und der Mann unterstützt im Haushalt. Wie viele Absolventen hat sie sich bei der Praktikumstelle zunächst bei großen und bekannten Firmen beworben. Doch die waren nur an ihr interessiert, wenn sie in Vollzeit arbeiten würde. Konzerne gaben ihr und den allermeisten Projektteilnehmerinnen keine Chance.
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