Innovationsmanagement: „Ich sehe viele radikale Ideen“
Max Theilacker vom Technologieberatungsunternehmen Motius in München setzt auf die intensive Zusammenarbeit mit Kunden. Das einstige Start-up lebt trotz Wachstum immer noch die eigene Kultur.
VDI nachrichten: Herr Theilacker, warum haben Sie sich 2006 für den Studiengang Technology and Management an der TU München entschieden?
Max Theilacker: Das Studium liegt zwischen einem Ingenieurstudium und klassischer BWL. Damals wurde der Studiengang gerade aufgebaut und diese Kombination hat mich interessiert. Im Rückblick hat sich gezeigt, dass es für mich die richtige Entscheidung war, denn ich verstehe die Sprache der Ingenieure ebenso wie den betriebswissenschaftlichen Hintergrund. In vielen Unternehmen braucht es die Schnittstelle zwischen Technik und Management, nicht immer ist dabei auch High-End-Engineering gefragt.
Wie sah das im Studium konkret aus?
Zu 75 % wurde BWL unterrichtet, zu 25 % eine technische Richtung – bei mir Maschinenbau. Zusammen mit den Ingenieuren haben wir in unserem Studiengang auch die gleichen Prüfungen in Luft- und Raumfahrt, Automobilbau oder technischer Mechanik abgelegt.
Ihre Abschlussarbeit haben Sie bei Gore-Tex in München geschrieben. Dann sind Sie nach Australien gegangen und haben eine eher akademische Laufbahn eingeschlagen. Was hat Sie wieder nach München zum damaligen Start-up Motius geführt?
Das Thema kundennahe Innovation zieht sich durch meine gesamte Laufbahn, auch in Melbourne habe ich im Rahmen meines PhD erarbeitet, wie in verschiedenen Branchen und Firmen Kunden im B2B-Geschäft in die Produktentwicklung eingebunden werden können, abhängig von deren Marktstrategie. Danach habe ich am Royal Melbourne Institute of Technology einen internen Accelerator betreut, der Start-up-Gründungen von PhD-Studierenden unterstützt hat. Als es mich zurück nach Deutschland und speziell nach München zog, wurde ich auf Motius aufmerksam.
Was haben Ihre Forschungen damals ergeben?
Ganz grob gefasst lässt sich sagen, dass Unternehmen, die Technologieführer in einem Segment werden möchten oder diese Position beibehalten, umso tiefer mit ihren Partnern – also auch Kunden – zusammenarbeiten sollten.
Wie passt Motius dazu?
Motius wurde 2013 gegründet mit dem Ansatz, gemeinsam mit Kunden innovative Lösungen auf der Basis neuer Technologien zu entwickeln und sie dabei zu unterstützen, mit dem rasanten technologischen Wandel Schritt zu halten. Zehn Jahre später funktioniert dieser Ansatz noch immer, wobei das Unternehmen quasi gemeinsam mit den Gründern gewachsen ist. Jetzt leben wir zwar noch eine Start-up-Kultur, sind aber inzwischen eine stabile Tech-Company mit über 100 Beschäftigten.
Hinzugekommen ist noch ein hauseigener Venture Capital Fund Spacewalk, der sowohl in externe Start-ups investiert als auch interne Produkte fördert. Wir bieten ganzheitlichen End-to-End-Support von der Innovationsberatung bis zum technischen Support der resultierenden Produktivlösung. Dazu entwickeln wir auch zunehmend eigene Produkte, die als White Label von Kunden schnell und unkompliziert an ihre Anwendungsfälle angepasst werden können.
Wie sieht Ihr Job bei Motius aus?
Wir sind intern in Technologieclustern organisiert, hier leite ich als Senior Innovation Consultant das Cluster Innovation Design. In unserem Team machen wir mit den Kunden die ersten Schritte im Innovationsprozess, da entsteht noch kein Code, und da wird auch noch kein Stück Metall gebogen. Bei uns geht es viel um Recherche, um Trends und darum, sinnvolle Konzepte zu erarbeiten – und meist um den Sprung ins kalte Wasser.
Wie fügt sich das Unternehmen in die Münchner Tech-Szene ein?
Wir arbeiten flexibel und in einer fluiden Rollenstruktur mit einem Pool von rund 900 Talenten zusammen. So können wir je nach Bedarf Expertenteams zusammenstellen und Unternehmen unterstützen, vom Start-up über Mittelständler bis zum Konzern. Viele namhafte Münchner Unternehmen gehören zu unseren Kunden.
Derzeit wird häufig beklagt, dass Europa und speziell Deutschland im Wettlauf um Innovationen zurückfallen.
Ich beobachte viele radikale Ideen, die viel Potenzial haben. Aber häufig bleiben Innovationen regelrecht stecken, etwa aufgrund von Datenschutz oder politischen Einschränkungen. Großkonzerne haben sehr viel Marktmacht, kleine Unternehmen bekommen ihre Ideen oft nicht auf die Straße. Aus meiner Sicht wird zu wenig Geld in die Frühphasen neuer Ideen investiert – und ausgerechnet häufig das Innovationsbudget gestrichen, wenn die Konjunktur abflaut. Rein technisch gesehen könnten wir in Deutschland oder Europa schon klimaneutral sein, wenn die Rahmenbedingungen stimmen würden.
Wie bleibt Motius innovativ?
Wir arbeiten ständig an unserer eigenen Weiterentwicklung. Alle sprechen mit allen, da sind wir immer noch Start-up. Unsere „Techies“ haben mehrere Tage im Jahr zur Verfügung, um Ideen ganz frei und ohne Kundenbezug zu entwickeln. Diese Ideen werden dann intern vorgestellt, damit alle davon lernen können.
Motius ist als attraktiver Arbeitgeber in München bekannt. Wie trifft Sie der Fachkräftemangel?
Den spüren wir natürlich auch, aber unsere Kultur zieht viele Talente an. Wenn Leute uns verlassen, dann meistens, weil sie selbst etwas Eigenes gründen möchten.
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