Japan setzt im Arbeitsmarkt auf die Senioren
Der neu gewählte japanische Präsident Shinzo Abe steht vor großen Herausforderungen. Bis zum Jahr 2060 wird sich in Japan die Zahl der Erwerbstätigen halbieren, die Zahl der Senioren aber gegenüber heute verdoppeln. Ansätze zur Steigerung der Geburtenrate haben bislang nicht den gewünschten Erfolg gebracht.
Die japanische Gesellschaft altert und schrumpft in rasantem Tempo. Nach einer Prognose des Forschungsinstituts für Bevölkerung und soziale Sicherheit in Tokio wird die Zahl der Japaner in den nächsten 50 Jahren um ein Drittel zurückgehen. Konkret wird die Bevölkerung von derzeit 128 Mio. auf 87 Mio. Menschen im Jahre 2060 schrumpfen. Gleichzeitig wird sich der Bevölkerungsanteil der Senioren über 65 Jahren von derzeit 23,3 % auf 40 % nahezu verdoppeln. Die erwerbstätige Bevölkerung zwischen 18 und 64 Jahren wird dagegen um die Hälfte auf 44 Mio. zurückgehen.
Die Ursachen für diese Entwicklung sind die niedrige Geburtenrate bei gleichzeitig steigender Lebenserwartung und die geringe Zahl junger Einwanderer. Die Folgen für das Sozialsystem des Landes sind gravierend, denn immer weniger Erwerbstätige müssen immer mehr Rentner finanzieren. Nach Regierungsberechnungen müssen im Jahre 2025 rund 2,4 Arbeitnehmer einen Rentner ernähren. Die japanische Regierung bemüht sich seit Jahren, Strategien gegen die Überalterung des Landes zu entwickeln – dieses bisher aber nur mit geringem Erfolg.
Japan: Sinkende Geburtenrate aufgrund zu geringer Einkommen
Ansätze zur Steigerung der Geburtenrate haben bislang nicht den gewünschten Erfolg gebracht. Die Zahl der Kinder je Frau wird bis 2060 von 1,39 (2010) auf 1,35 zurückgehen.
Die bisherige Regierung agierte unter der Prämisse, dass viele Japaner sich einfach keine Kinder leisten können. Doch das Problem liegt tiefer. Eine lebenslange Anstellung gibt es in Japan schon seit Längerem nicht mehr. Viele Japaner arbeiten heute in sogenannten „prekären“ Berufen. Statistiken zeigen, dass mehr als die Hälfte der erwerbstätigen Japaner im Alter zwischen 15 und 34 Jahren nicht genug Geld verdienen, um den Alltag zu finanzieren. So leben junge Erwachsene vielfach bei ihren Eltern und immer mehr wollen nicht mehr heiraten und verzichten auf Kinder.
Zur Lösung der Arbeitsmarktkrise gibt es drei Ansätze – die längere Beschäftigung von älteren Mitarbeitern, die Einbeziehung von mehr Frauen in das Erwerbsleben und die Öffnung des Landes für mehr Einwanderer. Am schnellsten kommt Japan derzeit bei der Beschäftigung älterer Menschen voran.
2005 verabschiedete Japan das Gesetz „zur Stabilisierung der Beschäftigung älterer Menschen“. 2013 soll die amtliche Obergrenze für das Renteneintrittsalter in allen Unternehmen über die 65 Jahre hinaus erhöht werden.
Rente und private Vorsorge reichen für Lebensunterhalt im Alter in Japan nicht aus
Im Gegensatz zu Europa geht die Politik in Japan davon aus, dass die Menschen ihren Lebensunterhalt im Alter nicht allein durch ihre Rente und private Vorsorge bestreiten, sondern auch durch Arbeit.
Ken Yamaguchi ist ein rüstiger Senior, der im Alter von 74 Jahren immer noch Tennis spielt, in seiner freien Zeit auch noch Querflöten-Unterricht nimmt und eine neue Sprache lernt. Damit verbringt er einen Teil seiner Zeit. Den anderen Teil der Zeit macht seine Arbeit aus.
Yamaguchi arbeitet nach wie vor in seinem alten Betrieb, kümmert sich dort um die Büroarbeit und berät die jüngeren Kollegen. „Am besten erst gar nicht an Rente denken, sondern einfach weiterarbeiten. Das hält mich fit – vor allem auch geistig“, erläutert Yamaguchi. Yamaguchi ist kein Einzelfall.
Arbeiten im Alter wird in Japan als Normalität angesehen
In Japan gehört es zum normalen Alltag, dass Menschen im Alter von 67 oder 68 noch arbeiten. Im Vergleich zu Europa bietet sich allerdings in Bezug auf das offizielle Rentenalter auch ein anderes Bild. Dabei ist zu berücksichtigen, dass viele Menschen in Japan der Arbeit im Alter traditionell einen höheren Stellenwert geben.
Wie eine Studie des Japanischen Instituts für Arbeitsmarktpolitik zeigt, sind 52 % der Männer zwischen 65 und 69 in Japan auch als Rentner voll erwerbstätig. Bei Frauen liegt der Anteil bei 34,7 %. Viele Japaner gehen sogar so weit und sagen, dass die Altersgrenze für die Rente gänzlich abgeschafft werden soll. Hinzu kommt ein bis heute in den Menschen stark verankertes konfuzianisches Denken, das den Menschen vorgibt, so lange zu arbeiten, wie sie es gesundheitlich können.
Japans Babyboomer, die in den nächsten Jahren in den Ruhestand gehen, sind die reichste Generation in der Geschichte des Landes und werden als „Roujin kizoku“ oder „alter Adel“ bezeichnet.
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