Abkömmling des Kampfstoffes Phosgen 09.04.2014, 13:45 Uhr

Kältemittel in Pkw-Klimaanlagen wird im Brandfall zu tödlichem Giftgas

Bei einem Fahrzeugbrand kann das Kältemittel R1234yf einen tödlichen Abkömmling des Kampfstoffes Phosgen freisetzen. Das haben jetzt Münchener Chemiker herausgefunden. Sie fordern deshalb eine Überprüfung der EU-Vorschrift, die das Kältemittel für Klimaanlagen neuer Autos vorschreibt. 

Brandtest bei der Deutschen Umwelthilfe im Januar 2014. Gerät das Kältemittel R1234yf in Brand, setzt es Flusssäure frei, fanden die Wissenschaftler heraus. Die Substanz führt zu Verätzungen und schlimmstenfalls zum Tod. 

Brandtest bei der Deutschen Umwelthilfe im Januar 2014. Gerät das Kältemittel R1234yf in Brand, setzt es Flusssäure frei, fanden die Wissenschaftler heraus. Die Substanz führt zu Verätzungen und schlimmstenfalls zum Tod. 

Foto: Deutsche Umwelthilfe

Wenn Autos in Brand geraten, deren Klimaanlagen mit dem neuen Kältemittel R1234yf befüllt sind, bestehen 20 Prozent der Brandgase aus der hochgiftigen Substanz Carbonylfluorid. Das ist das erschreckende Ergebnis eines Tests, den Chemiker der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München durchgeführt haben. Die Wissenschaftler bestätigen damit eine Gefahr, über die schon seit etwa zwei Jahren diskutiert wird.

Wird Carbonylfluorid eingeatmet, kann es die Lungenbläschen verletzen, in den Blutkreislauf eindringen und schlimmstenfalls zum Tod führen. Die Substanz ist eng verwandt mit Phosgen, das im Ersten Weltkrieg als chemischer Kampfstoff eingesetzt wurde. 

Im Brandfall setzt R1234yf auch Flusssäure frei 

Bisherige Versuche hatten bereits bestätigt, dass bei einem Feuer Flusssäure freigesetzt werden kann. Die Substanz kann Verätzungen auslösen und unter Umständen zum Tod führen. Denn es bindet das Kalzium im Körper und kann zu Herzversagen führen. „Carbonylfluorid ist noch toxischer, da es leichter in den Körper eindringen kann. Es reizt die Augen, Haut und Atemwege“, sagt Andreas Kornath, Professor für anorganische Chemie an der LMU.

Versuche des Kraftfahrtbundesamtes hatten nur bei Bränden nach Unfällen mit sehr hoher Aufprallgeschwindigkeit festgestellt, dass sich das Kühlmittel entzündet und Flusssäure entstehen kann. Ein Brandtest der Deutschen Umwelthilfe im Januar hatte indes ergeben, dass die Gefahr auch bei kleineren Unfällen bestehen könne. Die entsprechende Warnung tat Hersteller Honeywell als reine PR-Aktion ab, die die flächendeckende Einführung des Mittels behindern solle.

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Mercedes lehnt Verwendung des Kältemittels bereits ab 

Bislang haben die kritischen Testergebnisse noch nicht zu einem Umdenken der EU geführt. Die hatte R1234yf vorgeschrieben, weil das Vorgängermittel R123 die Ozonschicht schädigt. 

„Bisherige Risikoanalysen der Hersteller des neuen Kältemittels haben Carbonylfluorid ignoriert. Angesichts unserer Ergebnisse regen wir an, die Risiken des Kältemittels R1234yf neu zu bewerten“, sagt Kornath. Eine zaghafte Formulierung angesichts der Testergebnisse. 

Der Widerstand in der Autoindustrie ist stark. Mercedes weigert sich sogar, R1234yf in seinen Fahrzeugen einzusetzen, und verwendet weiter die Variante R134a. Die Bundesregierung duldet bislang diese Maßnahme und hat sich deswegen schon Ärger mit der EU eingehandelt, die ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten könnte.

Mercedes will in Zukunft die Klimaanlagen mit Kohlendioxid betreiben – ein wesentlich schonenderes Verfahren, das aber auch teurer ist. Auch VW hat angekündigt, seine Modelle auf CO2 umzurüsten. 

Ein Beitrag von:

  • Werner Grosch

    Werner Grosch ist Journalist und schreibt vor allem über Technik. Seine Fachgebiete sind unter anderem Elektromobilität, Energie, Robotik und Raumfahrt.

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