Kommt jetzt die Pflichtversicherung gegen Hochwasser?
Schwere Hochwasserereignisse, die früher als ‚Jahrhunderthochwasser‘ galten, ereignen sich mittlerweile alle paar Jahre. Viele Hausbesitzer sind nicht gegen diese Überschwemmungen versichert. Bisher übernahm der Staat die Milliardenkosten – die Länder streben nun eine Pflichtversicherung an.
Versicherungen gegen Hochwasser bieten finanziellen Schutz vor den verheerenden Auswirkungen von Überschwemmungen und Wasserstandsanstiegen. Diese speziellen Policen decken Schäden an Wohn- und Geschäftsgebäuden sowie deren Inhalte ab, die durch Hochwasser verursacht werden. Angesichts der zunehmenden Häufigkeit extremer Wetterereignisse und des Klimawandels gewinnen Hochwasserversicherungen an Bedeutung.
Mit jedem neuen Hochwasser in Deutschland wird der Ruf nach einer verpflichtenden Elementarschadenversicherung lauter. Die Bundesländer drängen auf eine entsprechende Regelung durch den Bund.
Milliardenschäden nach dem Hochwasser
Wie der MDR berichtet, schätzt die Versicherungswirtschaft die Schäden der jüngsten Unwetter in Süddeutschland auf etwa zwei Milliarden Euro. Das Hochwasser im Juli 2021 führte laut Angaben des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) zu fast neun Milliarden Euro versicherter Schäden.
Zusammen mit den nicht versicherten Schäden von Bürgern, Unternehmen und der öffentlichen Infrastruktur summierten sich die Gesamtschäden nach Schätzungen des Rückversicherers Munich Re auf die astronomische Summe von 33 Milliarden Euro, fast das Vierfache der versicherten Summe. Historisch übernahmen Bund und Länder nach Flutkatastrophen regelmäßig eine Art inoffizielle Versicherungsrolle und leisteten Milliardenhilfen. Aufgrund der enormen Kosten für den Staat drängen die Länder nun auf die Einführung einer Pflichtversicherung.
Nur etwa die Hälfte der rund 8,5 Millionen Wohngebäude in Deutschland ist neben den Standardversicherungen gegen Blitz, Sturm, Feuer und Hagel zusätzlich gegen Elementarschäden wie Starkregen, Fluten, Erdrutsche oder Schneedruck abgesichert. Aus diesem Grund setzen die Bundesländer nun auf eine Pflichtversicherung für solche Elementarschäden.
Diskussion Pflichtversicherung
Nach dem verheerenden Hochwasser in Süddeutschland diskutieren die Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) über eine Pflichtversicherung gegen Überschwemmungen. Seit einem Jahr drängen die Bundesländer auf die Einführung einer solchen Versicherungspflicht für Hausbesitzer. Doch sowohl die deutschen Versicherer als auch Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) lehnen diesen Vorschlag ab.
Nun schlägt der Bund eine umgekehrte Versicherungspflicht vor: Nicht die Hausbesitzer, sondern die Versicherungsunternehmen sollen verpflichtet werden. Laut diesem Vorschlag müssten Versicherer jedem Hauseigentümer, der eine Elementarschadenversicherung abschließen möchte, einen entsprechenden Vertrag anbieten. Bislang haben Hausbesitzer in hochwassergefährdeten Gebieten oft Schwierigkeiten, eine Versicherung zu finden, die das hohe Risiko übernimmt.
Was spricht für und gegen die Pflichtversicherung?
Es gibt zwei Perspektiven zu diesem Thema: Auf der einen Seite würde vielen bisher nicht versicherten privaten Hauseigentümern im Falle einer schweren Überschwemmung der Ruin drohen, ohne finanzielle Unterstützung. Es wird argumentiert, dass es unsolidarisch wäre, im Ernstfall nicht zu helfen. Das Gegenargument besagt hingegen, dass es nicht gerecht wäre, wenn eine große Anzahl nicht versicherter Hauseigentümer ihr persönliches Hochwasserrisiko auf die Gesellschaft abwälzt.
Zusätzlich haben viele Kommunen bewusst Baugebiete in hochwassergefährdeten Regionen ausgewiesen, wodurch Überschwemmungen dort früher oder später nahezu unvermeidbar sind. Nicht zuletzt befürchtet die Versicherungsbranche, dass nach Einführung einer Pflichtversicherung die Investitionen in den Hochwasserschutz seitens Staat und Bürger möglicherweise zurückgefahren würden, da die Kosten stets von den Versicherungen übernommen werden müssten.
Was passiert im Falle einer allgemeinen Versicherungspflicht?
Der GDV kritisiert eine eingeschränkte Debatte über eine Versicherungspflicht, die bisher ohne konkreten Gesetzesvorschlag und schlüssiges Gesamtkonzept geführt wird. Nach Angaben des Verbands befinden sich bundesweit nur etwa 1,5 Prozent aller Adressen in Zonen mit einem Hochwasserrisiko von einmal alle zehn Jahre oder häufiger – das betrifft etwa 330.000 Gebäude. Im Falle einer allgemeinen Versicherungspflicht müssten auch Wohnungseigentümer oder Mieter im achten Stock eines Hochhauses zahlen, wodurch Eigentümer von Wassergrundstücken möglicherweise subventioniert würden.
Mit anderen Worten: Eine verpflichtende Versicherung für alle privaten Hausbesitzer würde bedeuten, dass auch jene zur Kasse gebeten würden, deren Immobilien weit entfernt von jeglichem Gewässer liegen und daher kaum Hochwassergefahr ausgesetzt sind. Vermieter von Mehrfamilienhäusern könnten diese Kosten vermutlich auf ihre Mieter umlegen wollen, einschließlich jener in den sicher gelegenen hohen Stockwerken.
Freiwillige Entscheidung: Gebäude gegen Hochwasserschäden absichern
Bundesjustizminister Marco Buschmann bleibt weiterhin gegen eine obligatorische Elementarschadenversicherung und befürwortet lediglich eine Verpflichtung der Versicherungsunternehmen, entsprechende Angebote zu unterbreiten. Der FDP-Politiker äußerte sich am Mittwoch, 19. Juni in Berlin und betonte, es sei wichtig, dass Menschen die Entscheidung treffen könnten, ihre Gebäude gegen Hochwasserschäden und andere Elementarrisiken abzusichern. Er forderte, dass jeder die Möglichkeit haben sollte, ein entsprechendes Versicherungsangebot zu erhalten.
Die Hauptgegner einer Versicherungspflicht sind vor allem die Versicherungsunternehmen, Hauseigentümerverbände und Justizminister Buschmann. Laut einer repräsentativen Umfrage von Verivox unter privaten Hausbesitzern denken jedoch die meisten anders als die Spitze des Eigentümerverbands Haus + Grund: 71 Prozent der rund tausend befragten Hausbesitzer finden eine Pflichtversicherung gegen Elementarrisiken angebracht. Eine noch größere Mehrheit von 81 Prozent sprach sich bei der Umfrage im Mai dafür aus, dass Versicherer verpflichtet werden sollten, allen Hausbesitzern Elementarpolicen anzubieten – ein Vorschlag, der dem von Justizminister Buschmann entspricht. Die Versicherer selbst fordern hauptsächlich eine verbesserte Prävention gegen Hochwasser.
Buschmann betonte, dass er nichts von einer Verpflichtung der Eigentümer halte, eine solche Versicherung abzuschließen. Er warnte auch davor, dass dies im Einzelfall dazu führen könnte, dass Menschen gezwungen sind, aufgrund hoher Versicherungsprämien ihr Elternhaus aufzugeben. Zudem könnten einige Mieter mit einer erheblichen Erhöhung der Nebenkosten konfrontiert werden, wenn eine Pflichtversicherung für Elementarschäden eingeführt würde.
Der Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), Jörg Asmussen, sagte: „Die von Bundesjustizminister Marco Buschmann vorgeschlagene einmalige Angebotspflicht ist aus unserer Sicht besser als eine alleinige Pflichtversicherung oder das teilstaatliche französische Naturgefahren-System.“
Welche Schäden deckt Elementarschadenpolice ab?
Die Gebäudeversicherung deckt Schäden durch Sturm und Hagel ab, jedoch nicht bei Hochwasser. Elementarpolicen sind zusätzliche Versicherungen, die neben den genannten Naturgefahren auch Überschwemmungen abdecken. Dennoch sollten Verbraucher wissen, dass selbst mit einer Elementarpolice nicht alle möglichen Wasserschäden abgesichert sind. Zum Beispiel gilt es oft als Baumangel, wenn Grundwasser durch den Abfluss im Waschkeller nach oben ins Wohnhaus gelangt, ähnlich einem undichten Dach, und in solchen Fällen leistet die Versicherung in der Regel keinen Schadensersatz.
Hochwasser-Check: persönliches Risiko für Starkregen und Hochwasser prüfen
Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) bietet zudem seine neue Online-Plattform, den Hochwasser-Check, an. Mit diesem Tool können Mieter und Immobilienbesitzer nun unkompliziert und schnell ihr persönliches Risiko für Starkregen und Hochwasser bestimmen. Verbraucherinnen und Verbraucher müssen lediglich ihren Wohnort eingeben – die Nutzung ist kostenlos und erfordert keine Anmeldung.
„Obwohl sich extreme Wetterereignisse häufen, sind immer noch 8,3 Millionen Gebäude nicht gegen Starkregen und Hochwasser versichert“, erklärt Anja Käfer-Rohrbach, stellvertretende GDV-Hauptgeschäftsführerin. „Umso wichtiger ist es, dass Hausbesitzerinnen und -besitzer ihr persönliches Risiko verstehen und entsprechend handeln.“
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