Kostentreiber in der Produktion finden
Aus ganz legal extern beschafften Daten können Einkäufer auf die internen Produktions- und Stückteilkosten ihrer Lieferanten schließen. Einkäufer gehen mit diesen Kenntnissen gestärkt in Preisverhandlungen. Fertigungsleiter können mit diesen Benchmarks Kostentreiber aufspüren.
Der Lieferant senkte die Preise um 3 % statt, wie ursprünglich geplant, um 3 % zu erhöhen. Damit hatte sich bereits nach dem ersten Kundengespräch für Dirk Reimann, Mitglied der erweiterten Geschäftsführung von Trox, die Investition in den Datenbankzugriff gelohnt. Dirk Reimann ist für den weltweiten Einkauf bei Trox zuständig.
Trox ist – nach eigenen Angaben – in Europa Markt- und Technologieführer bei Komponenten für raumlufttechnische Anlagen wie Klimaanlagen, Brand- und Rauchschutz, Volumenstromregelung, Schallschutz sowie Filtration. Die Einkäufer des Unternehmens mit Stammsitz im niederrheinischen Neukirchen-Vluyn werden bei Lieferanten keineswegs als Kostendrücker misstrauisch betrachtet. Reimann: „Kosten zu senken ist ein schöner Erfolg. Aber es geht vor allem darum, frühzeitig Kostentreiber zu identifizieren und Risikoabschätzungen über die Lieferkette zu machen.“
Die Einkäufer konnten beispielsweise zeigen, wie sich die Veränderung von einem Eurocent je kWh auf den Endpreis des Produktes auswirkt oder wie sich durch die Fertigung geänderter Losgrößen – Zweimonats- statt Einmonatsbedarf – die Maschinenrüstzeiten verringern und damit Kosten senken ließen.
Trox versucht Kostentreiber in der Produktion frühzeitig zu ermitteln
Die Trox vertreibt und produziert auf allen fünf Kontinenten. Dort kauft das Unternehmen auch ein: von Stahl bis Elektronikkomponenten. Das Einkaufsvolumen beträgt in 2011 ca. 40 % des Umsatzes von 400 Mio. € , erwirtschaftet mit 3300 Mitarbeitern. Ehrgeiziges Ziel: 500 Mio. € Umsatz in 2015.
„Bei dem Ersteinsatz der Software waren wir doch überrascht, wie präzise die Benchmarks für Maschinenbetrieb und Teilekosten, für Overhead und Sozialkosten waren“, erinnert sich Dirk Reimann. „Immerhin waren z. B. für Rumänien sogar 16 Tarifbezirke verzeichnet.“
Nur ein Fünftel der deutschen Unternehmen nutzen die Produktkostenanalyse für eine deutlich erhöhte Kostentransparenz ihrer eingekauften Produkte und selbst gefertigter Waren. Und das, obwohl rund 80 % der Unternehmen die Kosten senken wollen. Das hat eine gemeinsame Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach, der Uni St. Gallen und des auf Produktkostenanalyse spezialisierten Beratungsunternehmens Costdata Cost Engineering ergeben.
Automobilzulieferer nehmen eine Vorreiterrolle ein: Insgesamt 44 % der Zulieferunternehmen in der Automobilindustrie verfügen über ein sogenanntes „Cost Breakdown Tool“, bei den Unternehmen mit einem Umsatz über 50 Mio. € sind es sogar 61 %.
Nur jeder fünfte Maschinenbauer nutzt die Produktkostenanalyse in der Produktion
Anders sieht dies bei deutschen Maschinenbauern aus: Nur jeder Fünfte nutzt die Produktkostenanalyse, bei Unternehmen mit weniger als 100 Mio. € Umsatz ist es gerade einmal jeder Zehnte. Diese Zahlen weiß Frank Weinert, Gründer und Geschäftsführer der Düsseldorfer Costdata Cost Engineering, zu berichten.
„Können Sie bitte mal berechnen, was mich dieses Teil kosten darf?“ Mit solchen Fragen beginnen für Frank Weinert meist Recherche- und Beratungsaufträge. Rund 15 Millionen Datensätze sollen in den Datenbanken stehen, die er und 35 Mitarbeiter pflegen.
1997, nach zehn Jahren Tätigkeit bei Ford, gründete Produktionsingenieur Weinert seine Firma Costdata GmbH und entwickelte eine Software und Datenbank mit Tausenden von Artikelpreiskomponenten. Drei Jahre später gründete Weinert gemeinsam mit der Düsseldorfer Unternehmensberatung Kerkhoff Consulting das Unternehmen Costdata Cost Engineering, um Kunden im Bereich der Kostenanalyse zu beraten. Dafür greift das neue Unternehmen auf die Software der Costdata GmbH zurück.
Costdata Cost Engineering: Kosten in der Produktion durch gezielte Analysen senken
Sechs Rechercheure überwachen bei Costdata ständig, wo es auf der Welt neue Daten zu finden gibt. „Spätestens alle drei Monate sind die Datensätze aktualisiert“, sagt Geschäftsführer Frank Weinert. Dann wird eine Auswahl an Großkunden, etwa in der Automobilindustrie, verkauft. Die gleichen ihr Know-how mit den zugekauften Informationen ab. Andere kaufen Lizenzen für den Datenbankzugriff.
„Für Firmen ab einem Einkaufsvolumen von 500 000 € pro Jahr lohnen sich unsere Dienstleistungen allemal“, wirbt Weinert, der Einkäufer ebenso berät wie Lieferanten. „Unsere Referenzmodelle zeigen, dass sich die Kosten meist zwischen 15 % und 20 % senken lassen.“
Die Datenbanken der Costdata geben – nach Angaben des Betreibers – Auskunft über Produktions- und Stückkosten von 65 Fertigungstechnologien in rund 1100 Regionen, von Baden-Württemberg bis China, von Branchen wie Maschinenbau, Halbleiter oder Brauereien. Löhne/Gehälter, Lohnnebenkosten, Maschinen- und Materialkosten, Energiepreise und Infrastrukturaufwendungen, Overheadkosten und vieles mehr sollen kein Geheimnis mehr bleiben.
Weinert: „Wir schlagen als Lohnnebenkosten auch nicht einfach einen Prozentsatz auf die Löhne drauf, etwa 14,75 %, sondern wir berechnen die Daten nach Regionen. Wenn es Lohnerhöhungen in einer Region gibt, aktualisieren wir unsere Daten.“
Für die Suche nach dem besten Produktionsstandort und den optimalen Produktkosten geben die Berater die zu vergleichende oder gewünschte Region in die Datenbank eines Laptops ein, nennen Industriezweig oder das meist verwendete Material, das Produkt und den erwarteten Umsatz. Die angezeigten Ergebnisse werden analysiert, verglichen und daraus die Teilekosten berechnet. Nur Lieferanten nennen weder Berater noch die Datenbanken. Weinert: „Wir haben keine Lieferantendatenbank.“
Die Datenbanken wissen nichts von den Soft Skills des Anbieter, nichts davon, ob Lieferant und Käufer mental zusammenpassen, wie produktions- und qualitätsaffin der Lieferant ist und wie schnell und gern er auf Kundenänderungen reagiert. Unternehmerische Entscheidungen müssen Sache von Einkäufern und Geschäftsführung bleiben.
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