„Leichtes, konstantes Überangebot an Akademikern“
Bis zum Jahr 2030 werde es zahlenmäßig keinen Mangel an Akademikern geben, sagen Arbeitsmarktexperten. Dennoch könnten regional oder bei bestimmten Qualifikationen Lücken auftreten. Mit einem Mangel rechnen die Fachleute bei Fachkräften mit mittleren Bildungsabschlüssen.
In den MINT-Berufen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) gibt es in den nächsten 20 Jahren Jahren rein rechnerisch keinen Mangel an Arbeitskräften. Zu diesem Ergebnis kommen das in Bonn ansässige Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) und das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg in ihrer Modellrechnung „Engpässe auf dem Arbeitsmarkt“.
Weil immer mehr junge Menschen studieren und die Erwerbstätigkeit von Frauen und Älteren steige, werde es künftig ein „leichtes konstantes Überangebot an akademisch Ausgebildeten geben“, schreiben die Wissenschaftler.
Akademiker-Überangebot: Recht, Management und Wirtschaftswissenschaften
Das gelte besonders für Berufe auf den Gebieten Recht, Management und Wirtschaftswissenschaft, und, in geringerem Umfang, auch für Naturwissenschaften und Technik. Dieses Überangebot an Akademikern erwarten die Forscher für ein Spektrum an Tätigkeiten auf der Ebene der sogenannten Berufshauptfelder. Darunter ist jeweils eine große Zahl von Berufen zusammengefasst, bei den technisch-naturwissenschaftlichen insgesamt 247. In einzelnen Regionen oder hochspezialisierten Berufen, z. B. im Ingenieurwesen oder in der Medizin, könne es dennoch zu Engpässen kommen, schreiben die Forscher.
Solche Stellen werden auch nicht von Bewerbern mit ähnlichen Qualifikationen besetzt werden können. Rechnerisch gebe es auch künftig genügend Ingenieure, aber nicht unbedingt in den besonders gefragten Fachrichtungen, resümiert der BIBB-Forscher Robert Helmrich. Im Jahr 2005 gab es nach den Berechnungen der BIBB/IAB-Experten rund 1,09 Mio. Ingenieure, die selbstständig oder abhängig beschäftigt waren. Knapp 55 % haben in ihrem erlernten Beruf gearbeitet, rund 45 % waren fachfremd tätig. Von diesen verdingten sich 9,6 % als Geschäftsführer, Wirtschaftsprüfer oder Unternehmensberater, 4,4 % in IT-Kernberufen, 4,2 % als Techniker und 2,8 % als Lehrer.
Zudem sind in den vergangenen Jahrzehnten viele Ingenieure, wie die Untersuchung zeigt, in kaufmännischen, gewerblichen und Verwaltungsberufen untergekommen, oft auf einem Niveau, das nicht ihrer Qualifikation entspricht. Robert Helmrich sieht die Ursache dafür in der angespannten Arbeitsmarktlage der frühen 90er-Jahre.
Modellrechnung zu Akademikern setzt in der Debatte um Fachkräftemangel neue Akzente
Mit ihrer neuen Modellrechnung haben die Forscher vom IAB und vom BIBB der Debatte um den Fachkräftemangel in Deutschland einen anderen Akzent gegeben.
In einer älteren Untersuchung kamen die Forscher vom BIBB und IAB noch zu dem Ergebnis, dass das gesamtwirtschaftliche Arbeitskräfteangebot „rein quantitativ“ den projizierten Bedarf der Wirtschaft nur bis 2025 decken könne. In ihrer neuen Untersuchung gehen die Forscher davon aus, dass das Verhältnis von Angebot und Nachfrage bis zum Jahr 2030 zahlenmäßig ausgeglichen sein werde. Die Debatte über den Fachkräftemangel bekommt durch die Ergebnisse der BIBB/IAB-Forscher noch einen weiteren neuen Akzent.
Größere Lücken werde es in den kommenden Jahren nicht bei akademisch ausgebildeten Kräften geben, sondern bei Fachkräften mit einem mittleren Bildungsabschluss, bei Facharbeitern, Meistern, Technikern. Hier sei, so Helmrich, mit „zunehmenden Engpässen“ zu rechnen. Ob dann Bachelor (BA)-Absolventen von den Hochschulen diese Lücken füllen werden, sei noch nicht absehbar, meint Helmrich. Es gebe derzeit noch zu wenige Informationen über den Arbeitsmarkt von BA-Absolventen.
Größere Lücken bei Nicht-Akademikern
Bis zum Jahr 2025 soll nach Angaben des BIBB die Zahl der Schulabgänger ohne Hochschulreife um 100 000 niedriger sein als heute. In diesem Jahr beträgt der Rückgang allerdings erst 8900. Mit der sinkenden Bewerberzahl steigt die Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge. So wurden im laufenden Ausbildungsjahr gut 570 000 Verträge geschlossen, das sind 1,8 % mehr als im Vorjahr.
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