Luftschadstoffe überschreiten Grenzwerte
Verkehr, Industrie und Landwirtschaft in Deutschland emittieren zu viele Schadstoffe in die Luft. Das zeigen aktuelle Daten des Umweltbundesamtes (UBA). Und die Behörde erwartet bei der derzeitigen Konjunkturlage auch keine schnelle Entwarnung.
Der Einbau von Entschwefelungsanlagen in Kohlekraftwerke ist eine Erfolgsgeschichte: Deutschland emittiert heute über 90 % weniger Schwefeldioxid (SO2) als 1990. Seit 2002 hält das Land zudem den SO2-Grenzwert der Richtlinie über nationale Emissionshöchstmengen von Luftschadstoffen ein, der eigentlich erst seit 2010 gilt.
Doch drei Erfolgsgeschichten fehlen. Denn die EU hatte 2001 in dieser NEC-Richtlinie (national emission ceilings) auch Grenzwerte für Ammoniak (NH3), Stickstoffoxide (NOx) sowie für flüchtige organische Substanzen (volatile organic compounds, VOC) festgelegt. Und nach Angaben des Umweltbundesamtes verfehlte Deutschland 2010 für zwei Grenzwerte die Vorgaben: für NOx und VOC. Der Grenzwert für NH3 wurde jedoch erstmals knapp eingehalten.
Luftschadstoffe: Grenzwerte für Stickstoffoxide (NOx) und flüchtige organische Substanzen (VOC) überschritten
Ob die EU-Kommission Deutschland aber wegen des Überschreitens zweier Grenzwerte vor dem Europäischen Gerichtshof verklagen wird, ist offen. Auch die meisten anderen EU-Staaten verfehlen Vorgaben der NEC-Richtlinie, zudem fehlen schnell umsetzbare Wege, die NOx- und VOC-Emissionen zu senken.
Stickstoffoxide: Deutschland hat 2010 1,216 Mio. t Stickstoffoxide emittiert – erlaubt waren 1,051 Mio. t. „Wir verfehlen damit die Vorgabe um 15 %“, räumte Marion Wichmann-Fiebig gegenüber den VDI nachrichten ein. Eine schnelle deutliche Verringerung der NOx-Belastung erwartet die UBA-Expertin für Luftqualität nicht.
„Deutschland wird die EU-Vorgabe wohl frühestens 2015 einhalten können, wenn neue Emissionsstandards für Pkw und Lkw greifen“, so Wichmann-Fiebig. Ab 2014 dürfen neue Lkw und Busse max. 400 mg NOx/kWh emittieren – und damit 80 % weniger als heute neu zugelassene Lkw und Busse. Neue Diesel-Pkw dürfen von 2015 an nicht mehr als 80 mg NOx/km in die Luft pusten – also fast 56 % weniger als heute zugelassene Diesel-Pkw. Das UBA setzt zudem auf Umweltzonen. Fahren mehr Pkw und Lkw mit grüner Plakette, wird dort auch die Belastung mit NOx zurückgehen.Auch bei Industrie- und Energiefirmen sieht das UBA Handlungsbedarf, obwohl diese nur einen geringen Anteil an der NOx-Belastung leisten. Zwei Beispiele: Zementwerke könnten ihre Emissionen halbieren zudem entsticken Braunkohle- und Biomassekraftwerke zurzeit nicht ihre Abgase. Das Verbrennen von Biomasse in kleineren Feuerungsanlagen und Biomassekraftwerken erhöht aber örtlich die NOx-Emissionen. Mittelfristig erwartet das UBA, dass die Betreiber der unter Klimagesichtspunkten sinnvollen Biomassekraftwerke auch emissionsfreundliche Technologien nutzen. Allerdings sieht das Amt hier noch Forschungsbedarf.
NEC-Richtlinie der EU für Luftschadstoffe: VOC-Grenzwert um 5 % überschritten
Flüchtige organische Verbindungen: Im Jahr 2010 entwichen in Deutschland knapp 1,050 Mio. t dieser organischen Verbindungen. Das sind rund 5 % mehr als die von der NEC-Richtlinie erlaubten 0,995 Mio. t (das Klimagas Methan zählt in der NEC-Richtlinie nicht als VOC). Fast 70 % dieser Emissionen sind Lösemittel wie Alkohole, Ether, Glykole, Alkane wie Hexan oder Aromaten wie Toluol.
Für Lösemittel gebe es viele Anwendungen und daher auch viele Emissionsquellen – UBA-Fachmann Folke Dettling nennt Beispiele: Beim industriellen und gewerblichen Beschichten mit Farben und Lacken emittierten rund 260 000 t Lösemittel, beim Bedrucken rund 95 000 t, beim Verarbeiten chemischer Produkte etwa 55 000 t und beim Entfetten von Metallteilen rund 40 000 t. Ungefähr 90 000 t Lösemittel wurden zusätzlich frei, weil private Haushalte lösemittelhaltige Pflege- und Reinigungsmittel, Lacke und Haarsprays nutzten.
„Die Höhe der VOC-Emissionen ist auch konjunkturabhängig“, so Dettling. 2009 habe die Industrie als Folge der Wirtschaftskrise deutlich weniger Lösemittel eingesetzt. Damals emittierten rund 225 000 t VOC beim Aufbringen von Farben und Lacken sowie ca. 48 000 t beim Verarbeiten chemischer Produkte. Bleibt die Auftragslage weiterhin gut, so befürchtet das UBA, dass Deutschland auch in den nächsten Jahren zu viel VOC emittiert. Eine einfache Lösung hat das Amt nicht. „Letztlich müssten alle Verursachergruppen was tun“, forderte Dettling.
Das UBA prüft zurzeit, welche Branche was tun könnte. Ein Ansatz wird sein, mehr auf lösemittelarme Rezepturen zu setzen. Das gelte auch für private Haushalte: Deo-Roller oder Pumpzerstäuber emittieren weniger Lösemittel als Sprays.
Luftschadstoff Ammoniak: Deutschland überschreitet den Grenzwert nur knapp
Ammoniak: Hier gibt es Erfreuliches zu berichten. In Deutschland wurden 2010 rund 548 000 t Ammoniak (NH3) in die Luft emittiert. Der Zielwert von maximal 550 000 t wurde damit knapp unterschritten. In den Jahren zuvor hat Deutschland diesen Wert allerdings regelmäßig überschritten.
Mit einem Anteil von 95 % ist die Landwirtschaft die wichtigste Quelle der NH3-Emissionen. „Die Höhe dieser Emissionen hängt auch davon ab, welcher stickstoffhaltige Mineraldünger eingesetzt wird“, erklärte Bernhard Osterburg vom Johann-Heinrich-von-Thünen-Institut in Braunschweig, das die landwirtschaftlichen NH3-Emissionen berechnet hat.
Nutzen Landwirte etwa Kalkammonsalpeter (KAS), wird weniger NH3 frei als beim Einsatz von Harnstoff oder Ammoniumnitrat-Harnstoff-Lösung (AHL). Weil 2010 der Harnstoffpreis relativ hoch gewesen ist, haben Landwirte eher KAS eingekauft, weiß Osterburg. Das kann sich ändern. Wird Harnstoff preiswerter, werden Bauern verstärkt auf Harnstoff oder AHL zurückgreifen.
Damit Deutschland auch künftig die Emissionsobergrenze einhalten kann, muss die wichtigste NH3-Quelle begrenzt werden: die Tierhaltung. So gelten seit Sommer 2011 neue Bestimmungen zur „unverzüglichen Einarbeitung“ von Wirtschaftsdünger – also Gülle, Jauche und Geflügelkot – sowie von flüssigen Gärresten auf unbestellten Ackerflächen. Die Einarbeitung soll spätestens nach 4 h abgeschlossen sein. „Halten sich die Landwirte an diese Vorgaben, emittiert in den nächsten Jahren deutlich weniger Ammoniak aus der Ausbringung von Wirtschaftsdünger“, ist sich Osterburg sicher.
Das UBA hat die Daten für 2010 im Dezember 2011 an die EU übermittelt. Sie sind nachzulesen unter:
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