Maschinenbauer auch im Straßenbau gesucht
Maschinenbauer für Aufgaben im Straßen- und Brückenbau umschulen? Michael Hanita vom Planungs- und Beratungsunternehmen Arcadis hält das für möglich. Wir haben mit ihm gesprochen: über die Komplexität bei Infrastrukturprojekten, den Mangel an Spezialisten und warum sich die Probleme nicht so einfach lösen lassen.
ingenieur.de: Vor einem Jahr haben wir darüber berichtet, dass der Ingenieurmangel die Sanierung von Straßen und Brücken bremst. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Warum gibt es diesen eklatanten Mangel?
Michael Hanita: In Deutschland haben die wenigsten Verwaltungen noch eigene Kapazitäten, um selbstständig Planungen durchführen zu können. In den vergangenen Jahren wurde am Straßen- und am Brückenbau gespart. Das rächt sich jetzt. Der Topf des Bundes für Infrastrukturprojekte ist voll. Aber in den Ländern fehlt die Expertise, um die Gelder abzurufen.
Das Ganze hat aber noch eine andere Komponente. Der Job war lange Zeit unattraktiv. Das liegt auch am fehlenden Renommee. Wann lesen Sie denn schon vom Straßenbau in der Zeitung? Nur wenn etwas schiefläuft. In den Niederlanden ist das anders. Dort ist der Beruf des Straßenbauingenieurs hoch angesehen. Auch weil die Verbände Lobbyarbeit machen.
Müssten die Länder nicht reagieren?
Wenn Behörden heute ein Projekt einreichen, bedeutet das, dass sie für jedes Vorhaben ein Dossier erstellen müssen. Es beinhaltet eine Nutzen-Kosten-Analyse, eine umwelt- und naturschutzfachliche Beurteilung sowie eine raumordnerische und städtebauliche Beurteilung. Um diese Dossiers zu erstellen, benötigen sie Mitarbeiter aus den unterschiedlichen Fachrichtungen mit ausreichender Erfahrung. Sonst hält das Projekt der Prüfung durch den Finanzmittelgeber nicht stand.
Diese Leistungen können die Verwaltungen selbst nicht erbringen – sie übernehmen häufig nur die Projektkoordination, d.h. das Management der Schnittstellen der einzelnen Fachdisziplinen. Aber dazu benötigen sie ebenfalls Expertise, die sie oft nicht mehr besitzen. In den vergangenen Jahren sind die Infrastrukturprojekte eben immer aufwendiger geworden.
Dieser Fachkräftemangel betrifft auch Ihr Unternehmen. Wie lösen Sie das Problem?
Mit interdisziplinären Teams und Nachwuchsförderung. Bei uns arbeiten unter anderem Geologen. Geologen können beispielsweise in der Bauüberwachung von Erdbau, Gründungen und Spezialtiefbau ihr Wissen sehr gut einbringen und unsere vorhandenen Teams stärken.
Für unsere Projekte benötigen wir aber natürlich auch Ingenieure aus dem Straßen- oder Brückenbau. Hier sind vor allem die erfahrenen Leute knapp. Wenn wir einen Universitätsabgänger einstellen, gehen wir davon aus, dass es zwischen drei und fünf Jahren dauert, bis er wirklich fit ist. Die Absolventen werden zunächst einmal in ein interdisziplinäres Team integriert, wo sie gemeinsam an Projekten arbeiten. So findet ein Wissensaustausch statt. Wir würden auch gerne Maschinenbauer einstellen. Leider hat sich noch keiner beworben.
Warum denn Maschinenbauer?
Maschinenbauer könnte man gut umschulen. Sie könnten z.B. konstruktive Aufbauten berechnen. Im Maschinenbau werden Normen und Berechnungsmethoden verwendet, die Sie auch im Straßenbau finden.
Bei einem Engpass rufen die Politiker und Verbände doch sonst immer nach Fachkräften aus dem Ausland. Warum ist das bei Ingenieuren aus dem Straßen- oder Brückenbau nicht der Fall?
Der Straßenbau ist ein Sonderfall. Zum einen ist Deutschland das einzige Land, in dem es Autobahnabschnitte ohne Tempolimit gibt. Das heißt, bei der Planung müssen ganz besondere fahrdynamische und sicherheitsrelevante Aspekte bedacht werden. Aspekte, die Sie natürlich nicht bei einem Studium im Ausland lernen.
Zum anderen müssen die Ingenieure unbedingt die deutsche Sprache beherrschen, weil natürlich auch die Behörden hier deutsch sprechen. Zudem ist die Software, die im Straßenbau eingesetzt wird, sehr speziell und nur auf Deutsch erhältlich.
Und warum arbeiten Sie, bzw. die Behörden, nicht mit Freiberuflern oder Ingenieurbüros zusammen? Das Problem liegt doch darin, dass den Behörden die Expertise fehlt, um Projekte zu beantragen. Diese Expertise kann man doch einkaufen.
Das Beantragen der Mittel beim Bund folgt einem strengen Regularium. Das muss man als Externer erst einmal kennen. Dann herrscht beim Vergaberecht eine strikte Gewaltentrennung. Wenn ein Ingenieurbüro den Antrag für die Behörde stellt, darf es sich nicht mehr am Projekt beteiligen. Das macht das Ganze unattraktiv.
Wir arbeiten ungern mit Freiberuflern zusammen, weil da immer die Frage der Scheinselbstständigkeit im Raum schwebt. Wie sollen wir denn auch nachvollziehen, ob ein Freiberufler noch weitere Kunden hat? Wenn wir der einzige Auftraggeber sind, verstoßen wir gegen das Gesetz, und das wollen wir nicht. Freiberufler sind eher ein Thema im internationalen Markt. Wir arbeiten aber natürlich gerne mit kleineren Büros zusammen, in einem Verbund oder in Arbeitsgemeinschaften.
Wie könnte eine zukunftsfähige Lösung aussehen?
Ich hoffe, dass sich das Problem mit der neuen Bundesfernstraßengesellschaft entschärft, weil die Projekte dann effizienter umgesetzt werden könnten. In der neuen Gesellschaft sollen ja alle Vorhaben rund um das Thema Autobahn – von der Neuplanung, über die Sanierung bis hin zum Betrieb – organisiert und gesteuert werden.
Was würden Sie sich vom Staat wünschen?
Ich weiß nicht, ob ich mir vom Staat etwas wünschen soll. Ich würde mir aber von den diversen Verbänden und Vereinigungen wünschen, dass sie mehr positive Medienarbeit für den Beruf des Straßenbauingenieurs leisten. In den Niederlanden erfahren Sie in den Medien nicht nur, was schief gelaufen ist. Dort wird auch gezeigt, was diese Menschen alles leisten. Wir alle benutzen Straßen und stehen hin und wieder im Stau. Das ist natürlich ärgerlich. Wenn aber alles reibungslos funktioniert, kommt keiner auf die Idee zu sagen, gut gemacht Jungs. Das sollte sich ändern.
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