„Masterplan“ für die Energiewende
Oft tauchen Forderungen nach einem „Masterplan“ für die politisch beschlossene Energiewende auf, um Struktur in die Umsetzung dieses Generationenprojektes zu bringen. Ein interdisziplinäres Team von Wissenschaftlern hat jetzt die einzelnen Handlungsstränge zu einem Ganzen verbunden – ganz ähnlich einem Plan für ein U-Bahn-Streckennetz.
Als politische Agenda mit ökonomischem Markenkern ist das eine klug gewählte Bezeichnung. Vermittelt sie doch, dass es so nicht weiter geht mit dem überkommenen Energiesystem. Das Umdenken in Richtung erneuerbarer Energien gewinnt damit einen neuen, unumkehrbaren Schub.
Allerdings: Einfach ist es nicht, das gewagte Wendemanöver zu Lasten der etablierten Energien. Sondern ein komplexer Prozess aus vielen parallelen, strategisch zeitversetzten Innovationen und Regulationen mit der Zielmarke 2050. Auf dem Verordnungsweg geht das nicht. Mitdenken und Mitmachen sind gefragt.
„Alle sind für die Energiewende, aber wenn es in die Details geht, kommen die Grabenkämpfe.“
„Die Technik allein wird es nicht richten“, sagt Martin Pehnt, Fachbereichsleiter Energie des Instituts für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (Ifeu). „Alle sind für die Energiewende, aber wenn es in die Details geht, kommen die Grabenkämpfe.“
Um diese Interessenkonflikte zu rationalisieren, hat Pehnt gemeinsam mit Michael Sterner, Lehrbeauftragter für Energiespeicher an der Hochschule Regensburg und Christina Sager, Architektin und Leiterin der Arbeitsgruppe Niedrigexergiesysteme vom Fraunhofer Institut für Bauphysik (IBP), sowie anderen Autoren einen wissenschaftlich fundierten, zugleich gut verständlichen „Diskussionsimpuls“ veröffentlicht. Titel: „Fahrplan Energiewende“.
Warum dieses Format? „Ein 400-seitiges Gutachten“, sagt Michael Sterner, „wird kaum wahrgenommen und landet trotz guter Ergebnisse schnell in der Schublade.“ Die Frage war: „Wie kann man ein komplexes Thema so darstellen, dass es auch technikferne Leser erreicht?“
Deswegen die Form des U-Bahn-Fahrplans, mit bunten Linien und vielen Stationen. Damit kann man allerdings, wenn auch mit Umstiegsoptionen, immer nur in eine Richtung fahren: in die Zukunft der smarten Energien.
Fünf zentrale Handlungsfelder für die Energiewende
Fünf Handlungsfelder haben die Autoren identifiziert, die es logistisch vernetzt voranzutreiben gilt: Erstens natürlich die Stromerzeugung. Aber nicht, wie üblich, reduziert auf die Bereitstellung. Sondern, zweitens, mit Einbeziehung der Nachfrage und ihres Optimierungspotenzials. Drittens: die Integration des Wärmemarktes, mit Speicherung und energetisch sanierten Gebäuden. Viertens: die Elektromobilität – Verkehrsinnovation und Netzmanagement zugleich.
Schließlich als fünfte, nicht technische Kategorie, die gesellschaftliche Akzeptanz. Also die Partizipation der Bürger durch ihre Einbeziehung und Beteiligung am Mehrwert der Wende: Sterner: „Eine Windkraftanlage, in der eigenes Geld investiert ist, findet größere Akzeptanz.“
In etlichen der Handlungsfelder verweisen die Autoren auf marktinduzierte Stagnation. „Elektromobilität und Windkraftstoffe“, so Sterner, „scheinen nicht voranzukommen. Dabei frage ich mich, ob wir in zehn Jahren unsere heutigen Fahrzeuge noch betanken können.“
Ein weithin ungenutztes Potenzial steckt in der energetischen Sanierung des Gebäudebestandes. „Statt der angestrebten Sanierungsrate von 2 % pro Jahr“, sagt Sterner, „sind wir immer noch bei 1 %. Da muss etwas geschehen.“ Auch Pehnt plädiert für mehr Tempo und Anreize zur Gebäudesanierung: „Steuerliche Absetzbarkeit könnte eine wichtige Hilfe zur Erhöhung der Sanierungsrate sein. Wir brauchen effiziente Gebäudehüllen und erneuerbare Energien für den Restbedarf. Das ist kein ‚Dämmwahn‘, sondern eine intelligente Lösung für den Bestand.“
Finanzielle und steuerliche Förderung als tragende Säule der Energiewende
Auch in der Förderung durch die KfW, alternativ zur steuerlichen Absetzbarkeit, sieht Pehnt eine tragende Säule der Energiewende: „Die sollte man erhöhen und verstetigen.“ Flankiert durch eine verlässliche Beratung vor Ort und Koordinierung der meist in einzelnen Gewerken schaffenden Handwerksbetriebe. „Wir brauchen komplette Sanierungsnetzwerke mit anreizmotivierter Einbindung der Hausverwalter. Bei uns entstehen derzeit Konzepte wie ‚Handwerker-Contracting‘ für Sanierungsprojekte einschließlich Finanzierung.“
Noch komplexer ist das Thema Speicherung. Batteriespeicher, so Sterner, seien zunächst sinnvoll im Bereich der Primärregelleistung, also im Stromhandelsmarkt, zum Ausgleich starrer Kraftwerkskapazitäten. Dort würden sie sich auch ohne Förderung rechnen, wenn es die Bundesnetzagentur zuließe. „In Haushalten machen sie noch keinen rechten Sinn.“ Die von ihm erforschte Methanisierung überschüssiger Strommengen („Power-to-Gas“) und ihre Einspeisung in die Gasnetze, sagt Sterner, wird relevant, wenn der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung hinreichend stark gewachsen ist.
Ein Beitrag von: