Menschen mit Autismus spielen ihre Stärken im IT-Bereich aus
Autisten werden zunehmend für den Arbeitsmarkt entdeckt. Was ihnen an sozialer Kompetenz fehlt, machen sie mit Konzentrationsfähigkeit und originellen Lösungsansätzen wett. Der Softwarekonzern SAP will jetzt Hunderte Autisten einstellen.
Seit Dustin Hoffman für seine Darstellung des Raymond in „Rain Man“ 1988 einen Oscar bekam, hat er die Vorstellung der Öffentlichkeit über Autismus geprägt. In dem Film spielt Hoffman einen Autisten mit dem so genannten Savant-Syndrom, einer überaus seltenen Insel-Begabung, mit der die Betroffenen erstaunliche Leistungen vollbringen können.
Das Asperger-Syndrom ist eine andere, leichtere Form des Autismus. Etwa 0,3 Prozent der Bevölkerung sind davon betroffen. Asperger-Autisten verfügen meist über eine normale Sprachentwicklung und hohe bis sehr hohe kognitive Fähigkeiten. Zu ihren typischen Stärken gehören eine gute Beobachtungsgabe, Genauigkeit, Konzentrationsfähigkeit, Erkennen von Details und logisches Denken.
Asperger-Autisten benötigen passendes Umfeld am Arbeitsplatz
Ihre Schwächen liegen bei der sozialen Interaktion und Kommunikation. Das macht es überaus schwierig für sie, im normalen Arbeitsmarkt unterzukommen – trotz hoher Intelligenz. Denn Teamfähigkeit und Selbstständigkeit sind heutzutage fast immer im Stellenprofil gefordert. Nur 10 bis 20 Prozent der Asperger-Autisten finden einen Job auf dem ersten Arbeitsmarkt.
Um die Stärken von Autisten nutzen zu können, müssen die Unternehmen ein bestimmtes Umfeld am Arbeitsplatz bieten. Dazu gehören eine genaue Tagesstruktur, klare Abläufe und klare sprachliche Vorgaben. Ironie, Sarkasmus oder andere Formen von impliziter Kommunikation verstehen Autisten nicht. Sie nehmen das Gesagte wörtlich. In gemischten Teams müssen deshalb auch die Angestellten im Umgang mit ihren autistischen Kollegen geschult werden.
Seit einigen Jahren haben nun vor allem IT-Unternehmen entdeckt, dass sie Menschen mit Asperger-Syndrom ausgezeichnet für bestimmte Aufgaben einsetzen können. Das gilt etwa für die Fehlersuche bei Quellcodes oder beim Test der Software auf deren Funktionsfähigkeit. Lange Zahlenkombinationen zu überprüfen ist für viele Autisten kein Problem. Ihr Sinn fürs Detail, ein hervorragendes Gedächtnis und das Erkennen von originellen Lösungsansätzen macht sie zu wertvollen Mitarbeitern.
SAP ist der erste namhafte Konzern, der Autisten beschäftigt
Das hat auch der Softwarekonzern SAP erkannt. In den kommenden Jahren will das Unternehmen Hunderte Autisten zu Softwaretestern und Programmierern ausbilden. Bis 2020 sollen ein Prozent der weltweit rund 65.000 Mitarbeiter von SAP Autisten sein. Gemeinsam mit dem dänischen Unternehmen Specialisterne, deren Ziel es ist, eine Million Autisten ins Arbeitsleben zu bringen, will SAP das Projekt auch in Deutschland, den USA und Kanada starten. Bereits seit 2011 beschäftigt der Konzern Autisten in seinem Entwicklungslabor in Indien. Nach einem Pilotprojekt in Irland und einer positiven Zwischenbilanz sollen nun acht weitere Länder folgen.
In Deutschland ist SAP zwar der erste große Konzern, der den Arbeitsmarkt für Autisten öffnet. Vorbilder gibt es aber auch hier bereits, etwa die Berliner IT-Firma Auticon. Der Sohn von Auticon-Gründer Dirk Müller-Remus ist Autist mit einer besonderen musischen Begabung. Müller-Remus gründete daraufhin sein Unternehmen gezielt mit dem Vorsatz, dort Asperger-Autisten als Software-Tester zu beschäftigen. Bis zum Ende des Jahres sollen von den 28 Mitarbeitern 20 Autisten sein.
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