Porträt 13.04.2012, 11:58 Uhr

Papieringenieur: Rotierende Rollen an riesigen Maschinen

Papiermaschinen gehören zu den größten und teuersten Maschinen überhaupt. Dass sie möglichst immer rotieren, ist das Tagesgeschäft von Papieringenieuren. Rohstoff- und Energieeinsparung sind deren aktuelle Herausforderungen, denn die Papierherstellung ist energieintensiv und geschieht im Idealfall aus Altpapier.

Die Geschichte beginnt im Wald und endet als Tüte für Frühstücksbrötchen, Zeitung, Papiertaschentuch, Toilettenpapier, Verpackungsmaterial oder Geldschein: 250 kg Papier verbraucht jeder Deutsche durchschnittlich pro Jahr. Holzfasern sind ein Bestandteil von Papier, Chemikalien zum Bleichen ein anderer. Das Hauptprodukt aber ist Wasser. Werden die drei Bestandteile zusammengerührt, entsteht ein Brei, der zu 99 % aus Wasser besteht. „Dieser hohe Wasseranteil ist notwendig, damit die Fasermasse gleichmäßig auf ein Sieb verteilt werden kann“, weiß Papieringenieur Florian Ludl.

Dieser Faserbrei verschwindet dann in einer Papiermaschine. Haushoch, 100 m lang, bestehend aus Röhren, Treppen, Fließbändern, Walzen, Motoren. Es ist laut und heiß und am Ende kommt Papier heraus, in 24 Stunden bis zu 200 t. Hygienepapier, aus dem beispielsweise Zewa-Küchentücher werden.

Die deutsche Papierindustrie ist Marktführer in Europa. Im weltweiten Vergleich liegt sie an vierter Stelle. 2011  lag der Umsatz bei 15,3 Mrd. € und damit 7 % über dem Vorjahr. Es wurden rund 23,2 Mio. t unterschiedlicher Papiere hergestellt. Etwa die Hälfte der hergestellten Papiere waren solche, auf denen geschrieben wird oder die bedruckt sind, 40 % entfielen auf Verpackungspapiere und jeweils 5 % auf Hygienepapier und Spezialpapiere wie Banknoten. „Papier hat Zukunft und damit auch die Papieringenieure. Die Papierindustrie bietet ihnen technisch anspruchsvolle Arbeitsplätze an modernen Großanlagen“, sagt Eberhard Potempa, Vorsitzender der Vereinigung der Arbeitgeberverbände der Deutschen Papierindustrie. Nach Verbandsangaben hat die Branche rund 49 000 Mitarbeiter. Davon seien schätzungsweise 600 Papieringenieure. Tendenz: gleichbleibend.

Papieringenieur Ludl: Gelassenheit gehört zu den wichtigsten Fähigkeiten

Florian Ludl, 25, hat bis 2009 an der Dualen Hochschule in Karlsruhe Papiertechnik studiert. Sein Ausbildungsbetrieb für den praktischen Teil seines Studiums war SCA Hygiene Products in Mannheim. SCA ist ein schwedischer Konzern mit mehreren Standorten in Deutschland. In Mannheim werden Hygieneprodukte herstellt, beispielsweise Zewa-Küchentücher. Zum Studienende hin bot ihm SCA eine Übernahme an und der junge Mann sagte zu. Voller Stolz erzählt er, an der Papiermaschine Nummer 6 zu arbeiten. „Das ist unser Prunkstück in Mannheim.“ Through Air Drying heißt die Technologie, mittels derer sehr nassfeste Papiere mit hohem Saugvolumen hergestellt werden.

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Dafür zu sorgen, dass die Maschine möglichst rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr läuft, das gehört zum Tagesgeschäft von Ludl und 35 anderen Personen. Das Team setzt sich aus einem Produktionsleiter, dem Prozessingenieur Ludl und Handwerkern wie Schlossern, Elektrikern, Papiertechnologen, wie Papiermacher modern heißen, zusammen. Produziert wird in drei Schichten, die beiden Ingenieure sind davon ausgenommen. „Ich plane die Besetzung der Schichten, achte auf Bestände und Arbeitsplatzsicherheit und optimiere Prozesse.“ Darüber hinaus gibt es Projekte, beispielsweise, um die Energieeffizienz zu erhöhen. So wird nun die Abwärme der Anlage genutzt, um das Papier zu trocken. Dieses Projekt erfordert ein hohes Maß an technischem Verständnis im Maschinenbau und der Thermodynamik. In anderen Fällen kommen Wissen um Mechanik und chemische Verfahrenstechnik hinzu. „Abgeklärtheit und Ruhe bewahren, falls sich die Rollen mal nicht drehen sollten“, zählt Ludl zu den wichtigsten persönlichen Fähigkeiten, die er in seinem Job braucht.

„Papiermaschinen gehören zu den teuersten und größten Maschinen der Welt mit Anschaffungskosten von bis zu 500 Mio. €“, weiß Stephan Kleemann, Professor und Berater für das Studienfach Papierzeugung an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in München. Dort wird der Bachelor-Studiengang „Verfahrenstechnik Papier und Verpackung, Fachrichtung Papiertechnik“ als Regelstudiengang sowie als duales Studium angeboten. Im Studium werden ingenieurwissenschaftliche Grundlagen in den Naturwissenschaften gelegt, darauf aufbauend die Verfahren zu Papier- und Kartonherstellung sowie der allgemeinen Verpackungstechnik gelehrt. Hinzu kommen Kenntnisse in Ökologie und Ökonomie. Papierherstellung ist ein sehr energieintensiver Prozess und beim Papierrecycling nimmt Deutschland mit 70 % eine international führende Rolle ein. Das kommt nicht von ungefähr.

Nachfrage nach Papieringenieuren ist hoch

Zwischen 20 und 30 Absolventen schließen jährlich ihr Studium der Papiertechnik in München ab. „Die Anzahl offener Stellen übersteigt die Absolventenzahl deutlich.“ In den vergangenen 25 Jahren habe jeder einen Job gefunden. Weil die Nachfrage aus der Industrie nach Absolventen so hoch sei, würden nur etwa ein Drittel den Masterstudiengang „Paper Technology“ anhängen. Dieser wird ebenfalls in München angeboten und findet ausschließlich auf Englisch statt. Noch umfassendere Nutzung der Ressource Altpapier und Energieeinsparung bezeichnet Kleemann als die Trends in der Branche.

SCA Hygiene Products wurde von der Deutschen Energie-Agentur, dena, mit dem international Energy Efficiency Award 2011 ausgezeichnet. Die Jury wählte das Unternehmen für beispielhafte Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz auf den 1. Platz. Ludls Projekt hat mit zum Gewinn beigetragen und der Stolz, an Maschine 6 zu sein, ist weiter gestiegen. 

Ein Beitrag von:

  • Peter Ilg

    Peter Ilg ist freier Journalist und verfasst Texte über Arbeitsmarkt und Berufe, Mobilität und Fahrberichte, Wirtschaft und Märkte.

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