Patente werden als Vermögenswert für Unternehmen immer wichtiger
Wenn ein Unternehmen strategische Allianzen eingehen will, kauft es Aktien des Partners oder tauscht sie gegen andere Aktien ein. Doch es mehren sich die Anzeichen, dass Patente immer häufiger die Rolle des strategischen Betriebsvermögens übernehmen. Besonders deutlich wurde das bei den jüngsten Deals zwischen Microsoft, AOL und Facebook.
Es begann 2011 als Apple, Microsoft und RIM 6500 Patente für 4,5 Mrd. $ aus der Konkursmasse von Nortel-Networks aufkauften. Dann kam Googles Akquisition von Motorola Mobile. Ohne sonderlich an Handys interessiert zu sein, zahlte der Suchmaschinenriese 12,5 Mrd. $. Hauptsächlich ging es ihm um die 17 000 Patente, die Motorola besaß.
Die anderen großen Hightech-Schmieden betreiben mit Patenten ebenfalls einen schwunghaften Handel. So kaufte Microsoft jüngst über 800 Patente von AOL und zahlte dafür stolze 1056 Mio. $ – rund 1,2 Mio. $ pro Patent. „Dieser Preis und das Volumen bilden einen Präzedenzfall, wir werden einen rasanten Handel mit Patenten und Lizenzen erleben“, prophezeite Jim Bessen von der Harvard University nach dem Deal.
Patente sind für High-Unternehmen Schild und Schwert zugleich
Für alle Hightech-Unternehmen ist ein umfangreiches Patentportfolio überlebenswichtig, denn es schützt vor Klagen und erlaubt es, der Konkurrenz großen wirtschaftlichen Schaden zuzufügen.
Damit haben Patente einen weitaus höheren Stellenwert als alle anderen strategischen Vermögenswerte eines Unternehmens – wenn auch einen sehr spekulativen. So kann der Wert von wenigen Patenten in kürzester Zeit in astronomische Höhen steigen. Am deutlichsten zeigt sich das am gegenwärtigen Patentstreit zwischen Google und Oracle. Inhaltlich geht es um die Nutzung der Programmiersprache Java für Googles Android-Betriebssystem. Oracle will von Google „mehrere Hundert Millionen“ Dollar an Nachforderungen sowie unbestimmte Lizenzgebühren für jedes verkaufte Android-System.
Dabei hat Oracle die betroffenen Patente praktisch geschenkt bekommen, denn Java wurde von Sun als Open Source entwickelt, das heißt, jeder kann es verwenden, sofern er sich an bestimmte Auflagen hält. Oracle akquirierte Sun im Januar 2010 und meint nun, dass Google für die Java-Nutzung eine Lizenz benötigt, die nie erteilt wurde. Am Montag wurde Google zwar schuldig gesprochen, die Geschworenen konnten sich aber nicht darauf einigen, ob die Verwendung von Oracle-Technologie durch Google gesetzlich von der „Fair-Use-Regel“ gedeckt war oder nicht. Ohne eine Festlegung in diesem Punkt, der die Verwendung geschützter Inhalte unter bestimmten Bedingungen erlaubt, dürfte es für Oracle schwer werden, größere Entschädigungssummen von Google zu bekommen.
Die Preisbildung bei Patenten folgt eigenen Gesetzen
Der spekulative Wert von Patenten resultiert auch daraus, dass es beim Handel mit Schutzrechten keine normative Kraft des Marktes gibt. Während sich der Preis bei einem Aktiendeal zwischen zwei Firmen nach dem Kurswert richtet, gibt es bei Patenten keine solche Richtungsvorgabe. Tatsächlich kann ein einziges Patent extrem viel Wert sein, wenn dadurch etwa der Verkauf von neuen Geräten des Wettbewerbers in vielen Ländern oder Regionen unterbunden werden kann. So wie es Apple und Samsung derzeit weltweit ausfechten.
Dafür gibt es eine andere Analogie mit Aktien. Genauso wie bei Aktien lassen sich mit Patenten auch Dividenden einstreichen – Lizenzerlöse heißen sie hier. Microsoft hat nach eigenen Angaben in den letzten zehn Jahren rund 1100 Lizenzvereinbarungen für seine Patente abgeschlossen. Von Samsung kassiert das Unternehmen 15 $ von jedem verkauften Android-System. Das soll sich auf knapp 500 Mio. $ in diesem Jahr addieren – mehr als der Umsatz mit dem eigenen Handy-System Windows Mobile.
Dass Patente inzwischen die Bedeutung von Aktien bei den Unternehmen abgelöst haben, liegt vorwiegend am verwässerten US-Patentrecht, in dem sich fast alles Erdenkliche als Patent registrieren lässt – je allgemeiner, desto besser, denn dann ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass irgendjemand dagegen verstößt. Es gilt als sicher, dass heute jedes größere Unternehmen eines oder mehrere Patente von anderen Unternehmen verletzt. Das US-Patentamt ist heute praktisch eine Börse, an der die neuen Aktien – sprich Patente – zum Handel zugelassen werden. 2011 war es knapp 250 000 – Tendenz steigend.
Patenttrolle: Die neuen Spekulanten am Finanzmarkt
Wo man in kurzer Zeit viel Geld verdienen kann, sind auch Spekulanten nicht mehr fern. Patenttrolle heißen sie hier. Die großen Hightech-Unternehmen bezeichnen mit Patenttroll alle Firmen, die Patente horten, ohne dass sie diese tatsächlich für Produkte nutzen wollen. Stattdessen kassieren sie nur ab und klagen ihre Lizenzerlöse oder Verkaufspreise gegebenenfalls ein.
Doch die Patenttrolle sehen sich selbst als eine Art Venture-Financier für Patente. „Ich bin auf der Seite der Erfinder, ich finanziere ihre Erfindungen und bezahle viel Geld für deren Patente. Im Gegenzug vermarkte ich die patentierten Technologien an große Hersteller“, sagt Nathan Myhrvold, Chef von Intellectual Ventures, dem größten Patenthändler im Silicon Valley, der 35 000 Patente besitzt.
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