Piëch sorgt für Führungskrise: „Ich bin auf Distanz zu Winterkorn.“
Im Volkswagen-Konzern überschlugen sich am Wochenende die Schlagzeilen: Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch hat sich öffentlich von seinem langjährigen Ziehsohn, VW-Konzernchef Martin Winterkorn, distanziert. Damit könnte sich der Patriarch im VW-Konzern kurz vor seinem 78. Geburtstag ziemlich isoliert haben.
„Ich bin auf Distanz zu Winterkorn.“ Diese sechs Worte gegenüber dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel von VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch elektrisierte am Wochenende halb Deutschland. Völlig überraschend hat der Patriarch damit den Daumen über seinen 67-jährigen Ziehsohn und VW-Vorstandschef Martin Winterkorn gesenkt. „Ich strebe an, dass an die Spitze des Aufsichtsrats und des Vorstands die Richtigen kommen“, sagte Piëch dem Spiegel.
Beide Spitzenpositionen sollten von einem Techniker besetzt werden. „Und das sind keine Familienmitglieder, das ist auch nicht meine Frau.“
Familien Piëch und Porsche besitzen 53,1 % der Stammaktien von VW
Offenbar ist sich die Eigentümer-Familie Porsche- Piëch nicht einig über den Kurs bei VW. „Die Aussage von Herrn Dr. Piëch stellt seine Privatmeinung dar, welche mit der Familie inhaltlich und sachlich nicht abgestimmt ist“, keilte Wolfgang Porsche, Vertreter der Porsche-Familie, über die Deutsche Presse-Agentur zurück.
Es läuft also auf eine Auseinandersetzung zwischen den Familien Piëch und Porsche hinaus, die im Besitz von 53,1 Prozent der Stammaktien des VW-Konzerns sind. Fünf Mitglieder der Familien sitzen im Aufsichtsrat: Das ist Ferdinand Piëch als Aufsichtsratschef, das ist sein jüngerer Bruder, der Rechtsanwalt Hans Michael Piëch sowie seine Ehefrau Ursula Piëch. Aus dem Porsche-Clan kommt neben Wolfgang Porsche als Aufsichtsratsvorsitzender noch Ferdinand Oliver Porsche, ein Neffe Wolfgang Porsches.
„Unangenehm überrascht über die Aussagen von Herrn Professor Piëch“
Freunde hat sich Ferdinand Piëch mit seiner Überraschung kurz vor seinem 78. Geburtstag am 17. April im VW-Umfeld nicht gemacht. So reagierte das Land Niedersachsen, der zweitwichtigste Anteilseigner am Konzern, verärgert. Niedersachsens Regierungschef Stefan Weil von der SPD sagte: „Ich bin unangenehm überrascht über die zitierten Aussagen von Herrn Professor Piëch.“
Laut Aktiengesetz ist eine Abberufung Winterkorns durch den Aufsichtsrat nur dann möglich, wenn dieser sich eine „grobe Pflichtverletzung“ zuschulden kommen lässt oder „unfähig zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung“ ist.
Auch Bernd Osterloh als Chef des Betriebsrats hat Winterkorn demonstrativ den Rücken gestärkt und mitgeteilt, dass die Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat keine Personaldebatten mitmachen werde. Im Gegenteil: Nach dem Willen der Arbeitnehmerseite soll der Vertrag Winterkorns über das Jahr 2016 verlängert werden, denn mit ihm habe der Konzern „den erfolgreichsten Automobilmanager an Bord“.
VW-Konzern ist der größte private Arbeitgeber Deutschlands
Unter Winterkorn sind die Verkaufszahlen von 6,2 Millionen auf über 10 Millionen Fahrzeuge gestiegen. Der Umsatz hat sich seit 2007 in der Ära Winterkorn auf 202 Milliarden Euro fast verdoppelt. Und die Anzahl der VW-Arbeiter ist unter Winterkorn von 329.000 auf fast 600.000 angestiegen. In Deutschland ist der VW-Konzern heute der größte private Arbeitgeber.
Allerdings hat Piëch in seiner Zeit als Vorstandsvorsitzender bis 2002 den Konzern zum Multimarken-Konzern geformt. Unter dem Volkswagen-Dach sind heute Marken wie VW, Audi, Seat, Bugatti, Lamborghini und Porsche vereint, dazu kommen noch die Nutzfahrzeugmarken MAN und Scania.
„Die größte Marke hat keinen Boden unter den Füßen“
Der Automobilexperte und Professor an der Universität Duisburg-Essen, Ferdinand Dudenhöffer, unterstützt Piëch bei seiner Winterkorn-Kritik : „Das Geld im Konzern wird mit Porsche, Audi, China und Skoda verdient. Aber die größte Marke hat keinen Boden unter den Füßen.“ Fest steht: Es wird sehr schwer werden für Martin Winterkorn, den Aufsichtsratsvorsitz von Ferdinand Piëch zu übernehmen.
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