Private Krankenversicherung: Tarifwechsel unerwünscht!
Für viele privat Krankenversicherte sind die Prämien in den letzten Jahren deutlich teurer geworden. Ein Ausweg: Der Wechsel in einen preiswerteren Tarif des selben Anbieters. Dabei können die Alterungsrückstellungen mitgenommen werden, eine neue Gesundheitsprüfung entfällt. Doch der vom Gesetzgeber erlaubte Weg wird oft versperrt.
Nur jeder fünfte Krankenversicherungstarif in Deutschland ist vergleichsweise beitragsstabil. Durchschnittlich hat sich der Versicherungsschutz für Männer in den letzten zehn Jahren um jährlich 5,62 % verteuert für Frauen waren es 4,20 %, so eine Untersuchung der Ratingagentur Morgen & Morgen. Damit haben die Krankversicherer die Tarife stärker erhöht als in früheren Jahren.
Die Tarife entwickeln sich zudem extrem unterschiedlich (siehe auch Tabelle). Einige verteuerten sich im vergangenen Jahrzehnt im Durchschnitt um jährlich fast 12 %.
Einem solchen Prämienanstieg braucht kein Kunde tatenlos zuzusehen. Der Gesetzgeber hat allen privat Versicherten ein Wechselrecht innerhalb des selben Unternehmens eingeräumt (§ 204 Versicherungsvertragsgesetz). Voraussetzung: Sie wechseln in einen Tarif mit „gleichartigem“ Schutz. Wenn sie in einem höherwertigen Tarif wechseln können sie auf die besseren Leistungen verzichten oder einen Zuschlag akzeptieren.
Mit Ausnahme einer Handvoll Gesellschaften bieten die meisten Krankenversicherer gleich mehrere Tarife parallel an. In der Tendenz gilt: Ältere Tarife sind zumeist teurer als jüngere. Dies ergibt sich zum Teil aus geringeren Leistungen, der jüngeren und damit oft auch gesünderen Versichertengemeinschaft oder dem Verzicht auf besonders Kosten treibende Angebote.
Doch der Wechsel ist nach den Erfahrungen von Stefan Albers, Präsident des Bundesverbands der Versicherungsberater (BVVB), keineswegs so einfach, wie vom Gesetzgeber angedacht. „Das gesetzlich verbriefte Recht auf Tarifwechsel in der privaten Krankenversicherung und Beratungen zu diesem Thema gestalten sich schwierig. Die Versicherer unterminieren nämlich die für eine Beratung notwendige Mitarbeit“, behauptet der unabhängige Versicherungs- und Rentenberater.
Versicherungsvermittler, die meist nur für eine Gesellschaft tätig sind, winken oft schnell ab, wenn Kunden wegen hoher Beitragsanpassungen innerhalb des selben Unternehmens wechseln wollen. Ihre Argumente: Der Wechsel sei wegen Mehrleistung oder Wartezeiten beim neuen Tarif nicht möglich.
Versicherungsberater Albers weiß aus Erfahrung, dass die meisten seiner Mandanten von den Vermittlern nicht richtig aufgeklärt werden. Z. B. darüber, dass sie durch Verzicht auf Mehrleistungen (etwa Ein-Bett-Zimmer-Unterbringung im neuen Tarif statt Zwei-Bett-Zimmer im Alttarif) in den Vorteil des neuen Tarifes gelangen könnten.
Der Vergleich von Versicherungsleistungen ist in der Praxis schwierig. Viele Versicherer legen nicht nur immer wieder neue Tarife auf, sondern ändern auch die Bedingungen der alten.
Für den Vergleich ist es dann wichtig zu wissen, welche Bedingungen zum Eintrittsdatum galten. Zudem, so Berater Albers, seien für den Kunden Leistungskürzungen oft erst auf den zweiten Blick erkennbar. Etwa wenn aus der Kostenerstattung für Kuren von „alle drei Jahre vier Wochen“ plötzlich „alle vier Jahre drei Wochen“ werde.
Besonders fragwürdig verhielt sich bis vor kurzem die Allianz Private Krankenversicherung gegenüber ihrer Tarifgeneration „AktiMed“. Die ab März 2007 angebotenen Tarife waren anders kalkuliert als der bisherige Bestand: Sie sahen eine niedrigere Grundprämie für sogenannte „beste Risiken“, aber deutlich mehr individuelle Risikozuschläge vor.
Für den Übergang von der einen zur anderen Kalkulationsmethode bat die Allianz mit einem Tarifstrukturzuschlag von 20 % zur Kasse. Damit hatte der Tarifwechsel für die Versicherten aus den Alttarifen in die neuen Tarife regelmäßig keine Beitragsersparnis zur Folge, kritisierte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht.
Den Bestandskunden werde der Anreiz zum Wechsel genommen, und in den neuen Tarifen profitierten Neukunden von günstigen Grundprämien. Sogar Versicherte, die bei Vertragsbeginn eindeutig „ein bestes Risiko“ darstellten, wären nach einem Tarifwechsel nicht in den Genuss einer vergleichbar günstigen Prämie wie für Neukunden gekommen.
Diese Geschäftspraxis hat das Bundesverwaltungs-Gericht inzwischen verboten(Az.: 8 C 42.09). Seit 1. Juli verkauft die Allianz die Tarifreihe „AktiMed“ nicht mehr und hat versprochen, den rund 2500 betroffenen Versicherten, die den Zuschlag aufgrund eines Wechsels bisher bezahlten, dieses Geld zurückzuerstatten.
Empfiehlt der Vermittler statt des internen Wechsels einen anderen Anbieter, ist Obacht geboten. Wer seinen Vertrag vor 2009 geschlossen hat, verliert die bis dahin angesparte Alterungsrückstellung. Grundsätzlich wird dann auch eine erneute Gesundheitsprüfung notwendig.
Bei der Arbeitsgemeinschaft Versicherungsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) häufen sich inzwischen die Fälle, „in denen der Versicherte praktisch über den Tisch gezogen wird“. Der Beobachtung der Rechtsanwälte zufolge böten die Vermittler hier oft Tarife an, die nur deshalb günstiger seien, weil sie geringere Leistungen beinhalteten. Auch komme es immer wieder zu Problemen, weil der Versicherungsvermittler nicht alle Vorerkrankungen korrekt aufnähme.
Anders als beim Wechsel innerhalb des selben Unternehmens profitieren die Vermittler bei diesen Abschlüssen von vollen Provisionssätzen. Branchenkenner berichten, dass im Durchschnitt 14 bis 15 Monatsbeiträge für Neugeschäft gezahlt werden.
Tippp: Bei Problemen mit dem Tarifwechsel helfen neutrale Versicherungsberater. Adressen im Netz unter: www.bvvb.de. Im Streitfall kann man sich außerdem an den Ombudsmann der Krankenversicherer wenden: www.pkv-ombudsmann.de.
MONIKA LIER
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