Risse in den Wänden der offenen Immobilienfonds
Offene Immobilienfonds waren die letzten Jahre der Verkaufsschlager in den Beratungszimmern der Deutschen Bank, der Commerzbank, den Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Entsprechend hoch sind die Vermögenswerte der hauseigenen Produkte von DWS, DEKA, hausinvest und UniImmo. Wer allerdings in den Bürovierteln La Defense in Paris oder in der Londoner City unterwegs ist, spürt, da kommt etwas in Bewegung.
In einer Marktphase, in der Regierungen und Notenbanken mit Geldgeschenken um sich werfen, steigt zwangsläufig die Geldmenge und diese Gelder auf den Konten von Privatpersonen und Unternehmen suchen sich ihren Weg in die Realwirtschaft. Sei es über steigende Aktienkurse, sinkende Anleiherenditen, Unternehmensinvestitionen, höhere Konsumausgaben oder robuste Immobilienmärkte.
Es spricht viel dafür, dass die globale Rezession nicht so gravierend wird, wie es von einigen Volkswirten zu Beginn der Pandemie projiziert wurde. Zum einen konnten viele Unternehmen doch recht störungsfrei weiterarbeiten mit HomeOffice und digitalen Werkzeugen, viele Lieferketten waren auch nur kurz unterbrochen, zum anderen helfen natürlich die Konjunkturprogramme.
Und doch sollten Sie als Anleger eines offenen Immobilienfonds – bei hausinvest alleine geht man von rund 800.000 Anlegern aus, also ein Prozent der deutschen Bevölkerung – den Blick auf strukturelle Herausforderungen werfen. Banken und Versicherungen als Mieter erster Wahl bei guten Büroimmobilien – und dies ist es, was die meisten offenen Immobilienfonds im Portfolio haben – sind nur noch bedingt bereit, die hohen Mieten zu bezahlen. Die strukturellen Probleme in diesen beiden Branchen nehmen stetig zu.
Ende Juni erreichte der ZIA-IW-Immobilienstimmungsindex, eine Umfrage unter Immobilienprofis ein neues Rekordtief. Vor allem Eigentümer von Bürohäusern sind beunruhigt: Sie erwarten zu knapp 60 Prozent sinkende Mieten, während nur zwei Prozent von steigenden Mieten ausgehen.
Im Gegensatz zu den touristischen Vierteln in Paris wirken die Plätze um das Büroviertel La Defense nach wie vor wie ausgestorben. Die Unternehmen zögern damit, die Großraumbüros für die Mitarbeiter wieder zu öffnen. Peugeot hat sogar angekündigt offensiv an verschiedenen Standorten bei den Büromitarbeitern 70Prozent HomeOffice zu testen. Ein ähnliches Projekt hat auch Oliver Bätge, Vorstandsvorsitzender der Allianz in München angekündigt. Der Vorteil wäre durchaus finanziell interessant: Die Bürokosten könnten ebenfalls um ca. 50 Prozent reduziert werden. Mieten, die heute noch den Anlegern von offenen Immobilienfonds zufließen.
In London, dem größten Immobilienmarkt Europas, kommt noch der Austritt Großbritanniens aus der EU hinzu. So hat Morgan Stanley die gesamte Londoner Präsenz auf den Prüfstand gestellt, die Deutsch Bank streicht 18.000 Stellen, Barclays will die Investmentbank-Zentrale in London aufgeben.
Es gibt sie also, verschiedene Herausforderungen für offenen Immobilienfonds. Und was machen diese? Notieren zu Höchstkursen. Denn mangels täglicher Handelbarkeit der Immobilien werden die Preise nicht von Angebot und Nachfrage bestimmt, sondern durch Wertgutachten von Immobiliensachverständigen. Und diese wiederum werden von den Fonds beauftragt. „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing“, kommt einem unweigerlich hier in den Sinn.
Hoffen wir, dass die Büroimmobilienmärkte auch diese Herausforderungen ohne größere Korrekturen überstehen. Aber Anleger müssen sich bewusst sein, dass es sich bei den offenen Immobilienfonds mit dem derzeitigen Chance-Risiko-Profil keineswegs um einen konservativen Portfoliobaustein handelt, wie ihnen oft durch die vergangene Wertentwicklung suggeriert wird, sondern durchaus ein beträchtliches unternehmerisches Risiko tragen, welches in der aktuellen Marktphase aus unserer Sicht in anderen Marktsegmenten deutlich besser entgolten wird.
Der Trend zur Digitalisierung sollte bei Anlegern dazu führen, Investitionen in Köpfe statt Investitionen in Steine, zu bevorzugen.
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