Robert Habeck beim Ingenieurtag: „Müssen CO2-Steuer an Bürger zurückgeben“
Grünen-Co-Chef Robert Habeck rückte als Gast beim Deutschen Ingenieurtag 2021 die soziale Frage bei der Energiewende prominent in den Fokus.
Zur Eröffnung des digitalen Deutschen Ingenieurtages 2021 (DIT) unter dem Motto „1,5 Grad – Gemeinsam für das Klimaziel“ konnte man als Zuschauer einige Momente lang beinahe denken, man sei farbenblind: Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) war in ihrem Grußwort erstaunlich grün, während Grünen-Co-Chef Robert Habeck in seiner Rede bisweilen sehr sozialdemokratenrot wirkte.
Rund 7.000 Menschen hatten sich eingeloggt, als der erste rein digitale Online-DIT startete. Und Svenja Schulze sagte zu Beginn in Richtung Gastgeber VDI: „Sie haben mit ihrem Motto das richtige Thema zur richtigen Zeit auf die Tagesordnung gesetzt.“ Angesichts der Corona-Pandemie habe es Befürchtungen gegeben, der Klimawandel und die Energiewende würden in der Politik und in der Debatte zu kurz kommen. „Aber das Gegenteil ist passiert. Viele Konjunkturprogramme weltweit wollen auch die Klimakrise bekämpfen“, so Schulze. Das Karlsruher Urteil, das zuletzt das Klimaschutzgesetz in Teilen für verfassungswidrig erklärt hatte, gebe „uns zusätzlichen Rückenwind“.
Robert Habeck: „Jetzt hab ich ne paradoxe Situation“
Die Regierung wolle das Klimaschutzgesetz noch vor Ende der Legislaturperiode stärker machen. „Sie arbeiten für die Energiewende. Das alles sind spannende Themen, die jungen Frauen und Männern vielversprechende berufliche Perspektiven bieten. Ingenieurinnen und Ingenieure sind ins Gelingen verliebt. Bundesumweltministerinnen sind es auch“, schloss Schulze ihr Grußwort.
Robert Habeck, der direkt im Anschluss sprach, brachte durchaus deutlich die soziale Frage aufs Tapet: „Jetzt hab ich ne paradoxe Situation. Eigentlich bin ich immer der, der die Notwendigkeit des Klimaschutzes betonen muss. Das hat jetzt schon Svenja Schulze getan.“ Er wolle aber auf die Herausforderungen hinweisen. Bis zum Jahr 2030 will Deutschland 65 % der CO2-Emissionen einsparen, bis 2040 dann 90 % . Es gehe dabei um den Schutz eines menschenwürdigen Lebens auf der Erde. Aber: „Das sind natürlich nur Zahlen. Wie sie erreicht werden, ist völlig offen. Das Projekt ist absolut ehrgeizig. Die Leistung muss auf dem Platz erreicht werden“, so Habeck.
Klimaschutzgesetz: Die soziale Frage bei der Energiewende
Es werde Unternehmen geben, die nicht mithalten. „Da kommt es zu Entlassungen. Und höhere Preise zugunsten der Klimaziele haben eine soziale Dimension. Wer das nicht beachtet, wird den gesellschaftlichen Konsens eher früher als später belasten.“ Für einkommensschwache Haushalte ist die Belastung größer, diese soziale Unwucht müsse man verhindern.
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In einer kurzen Fragerunde hakte VDI-Präsident Volker Kefer nach: „Man muss sehr stark über den sozialen Ausgleich nachdenken. Das ist eines der ganz schwierigen Themen. Haben Sie dazu Ideen entwickelt?“ Habecks Antwort: „Ich räume ein, dass man im Konkreten nicht sofort Lösungen haben kann. Grundsätzlich ist eine Idee, Einnahmen aus der CO2-Steuer zu nehmen, um Haushalte und Unternehmen zu entlasten. Das heißt, der Staat muss diese Steuereinnahmen an die Bürgerinnen und Bürger zurückgeben. Der Aufbau der Infrastruktur für die Energiewende soll hingegen über Kredite laufen.“ Ferner brauche es aber einen stabilen und intakten Sozialstaat. „Wer jetzt gegen tarifgebundene Löhne redet oder Erhöhungen von Hartz-IV-Sätzen kritisiert, der kann das Ziel nicht erreichen.“
Habeck zur Energiewende: „Die Zahlen nützen nichts, wenn wir trödeln“
Bis wann Deutschland denn seiner Ansicht nach tatsächlich klimaneutral werden könne, wollte Kefer wissen. „Ich halte die Beschlüsse der Bundesregierung für gut, wenn auch nicht für ganz sehr gut. Ich glaube, wenn wir alles perfekt machen, schaffen wir es bis 2042. Aber die ganzen Zahlen nützen nichts, wenn wir jetzt rumtrödeln, da liegt der Hase im Pfeffer.“
Drei Ziele seien für die Zukunft wichtig. Erstens müsse es in neues Verständnis von Infrastruktur geben. „Es reicht nicht, Ladesäulen aufzustellen. Wir können nicht den gleichen Straßenverkehr wie heute haben, das kann nicht das Ziel sein.“ Europa und Deutschland hätten in den letzten Jahren und Jahrzehnten viel verpasst, was den technologischen Fortschritt angehe. „Wir haben viele Fehler gemacht, wir brauchen Huawai für ein 5-G-Netz. Das Herz von Solar- und Windenergie schlägt in Asien. Bei der Zukunftstechnik hat Europa einen schlechten Job gemacht.“ Jetzt gelte es, das Ruder herumzureißen: „Da, wo wir gut sind, beim Maschinenbau, in der Umwelttechnik, in der Chemie, da müssen wir in Zukunft klar die Spitze werden.“
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Zweitens müsse es ein anderes finanzpolitisches Verständnis geben, so Habeck. Die schwarze Null dürfe nicht über allem stehen, das Konzept Schuldenbremse müsse neu definiert werden.
Mehr Anpack-Mentalität: „Wir hätten gern einen Halbleiter und ne Teflonpfanne“
Und schließlich plädierte Habeck für eine Art Anpack-Mentalität. Vorbild: Das Man-on-the-moon-Projekt der USA. „Wir brauchen ein anderes politisches Verständnis von Vorgaben. Um im Bild zu bleiben: Wenn wir zum Mond fliegen wollen, reicht es nicht zu sagen: Wir hätten gern einen Halbleiter und ne Teflonpfanne. Das Ziel muss heißen: Wir fliegen zum Mond. Beim Thema Energiewende ist die Politik im Moment einfach ambitionslos. Das ist kein Man-on-the-moon-Projekt. Im Mikromanagement müssen wir liberaler und marktgläubiger sein“, so Habeck, der damit fast ein wenig nach FDP klang.
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VDI-Präsident Volker Kefer betonte zum Schluss: „Wenn Sie Unterstützung von einem Verein brauchen – und wir sind nicht interessegeleitet – würden wir Sie gerne unterstützen und gemeinsam mit Ihnen dafür sorgen, dass wir unser Klimaziel erreichen.“ Darauf freue er sich, so Robert Habeck. „Natürlich wollen wir in die nächste Bundesregierung, daraus mache ich keinen Hehl.“
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