Rohstoffe in der Ukraine: gar nicht mal so wertvoll
Trumps Getöse um einen Rohstoffdeal mit der Ukraine hat einen Haken: Die Rohstoffe lassen sich in absehbarer Zeit nicht wirtschaftlich abbauen.

Die Ukraine verfügt über unterschiedliche Bodenschätze, darunter Graphit aus den Minen in Zavallia, die im Bild zu sehen sind.
Foto: picture alliance /Reuters/Thomas Peter
Inhaltsverzeichnis
- Seltene Erden sind nicht selten
- Rohstoffe in der Ukraine: „Kein vernünftiger Investor würde das Risiko einer Investition eingehen“
- „Die allermeisten Projekte noch in sehr frühen Stadien“
- Rohstoffe: Ukraine verfügt über große Manganressourcen
- Warum will Donald Trump dann einen Rohstoffdeal mit der Ukraine?
„Sie haben großartige Seltene Erden“, sagt Donald Trump. Mit „sie“ meint er die Ukraine. Das Land, das seit nunmehr drei Jahren für seine Unabhängigkeit, für seine Demokratie und für die Zugehörigkeit zur westlichen Wertegemeinschaft kämpft und nun einen Kuhhandel mit seinem wichtigsten Alliierten, den USA, eingehen soll, um nicht mitten im Krieg fallen gelassen zu werden. Nun gut, Donald Trump irrt häufig. So auch diesmal. Laut Auskunft der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) gibt es in der Ukraine nämlich gar keine „bestätigten nutzbaren Vorkommen dieser Art“. Während viele andere Medien das Trumpsche Narrativ von den Bodenschätzen in der Ukraine übernehmen, titelte die FAZ kürzlich richtig stellend: „Seltene Erden in der Ukraine? Fehlanzeige!“
Von den 500 Mrd. $ in Seltenen Erden, die der US-Präsident in einem Interview von der Ukraine forderte, kann also keine Rede sein. Schon deshalb nicht, weil die gesamte Jahresproduktion an Seltenen Erden weltweit gerade einmal einen Wert von 15 Mrd. $ hat, wie der Finanzdienst Bloomberg ermittelt hat.
Seltene Erden sind nicht selten
Aber gut, Seltene Erden sind auch ein irreführender Begriff. Selten sind die 16 Elemente, die dieser Gruppe zugeordnet werden, nämlich ohnehin nicht. Beispiel Neodym. Das Seltenerdmetall kommt in etwa so oft in der Erdkruste vor wie Kupfer – und hat weit weniger industrielle Anwendungen. Aber geschenkt. Es gibt ja noch andere Rohstoffe, die tatsächlich in der Ukraine zu finden sind. Steinkohle und Erdöl zum Beispiel. Beide werden traditionell im Osten des Landes gefördert. Das „United States Geological Survey“, eine Rohstoffbehörde, die im US-Außenministerium angesiedelt ist, kommt allerdings in seinem aktuellsten Bericht aus dem Jahr 2021 zu dem Schluss, dass sowohl Kohlebergwerke als auch Erdölraffinieren in der Ukraine „veraltet sind und erhebliche Investitionen erfordern“. Zuletzt förderte das Land gerade noch 3000 Barrel Öl pro Tag, zu wenig, um auch nur den eigenen Bedarf zu decken. Zum Vergleich: Russland fördert etwa 10,7 Mio. Barrel Erdöl täglich. Dieselbe US-Behörde bescheinigt überdies auch dem ukrainischen Uranbergbau, er sei „unzureichend, um die inländische Nachfrage zu decken“.
Will heißen: Die Vorkommen an Kohle, Öl oder Uran haben bereits in Friedenszeiten keine Investoren in die Ukraine gelockt. Förderstätten stammen zu großen Teilen aus Sowjetzeiten, sind zunehmend technisch veraltet und unprofitabel, die Fördermenge geht seit Jahren kontinuierlich zurück. Beispiel Kohle. Förderte die Ukraine 1991 noch 193 Mio. t Kohle jährlich, drittelte sich die Menge bis 2013 bereits auf nurmehr 64 Mio. t. Noch vor der Krim-Besetzung durch Russland war sie auf 30 Mio. t zusammengeschmolzen und liegt heute nochmals deutlich darunter.
Rohstoffe in der Ukraine: „Kein vernünftiger Investor würde das Risiko einer Investition eingehen“
Der Krieg hat die Situation freilich noch verschärft. Die Bundeszentrale für politische Bildung kommt zu dem Fazit: „Ein großer Teil dieser Bodenschätze, allen voran Kohle und Gas, sowie große Anteile von metallischen Rohstoffen, befindet sich in derzeit russisch annektierten oder besetzten oder in ukrainisch kontrollierten, aber durch Kriegseinwirkung gefährdeten Gebieten.“ Und weiter: „Sollte diese zu einer Waffenstillstandslinie werden, würde kein vernünftiger Investor das Risiko einer Investition in diesen Risikogebieten eingehen.“
Das gilt übrigens auch für zwei der vier vermuteten Lithiumvorkommen in der Ukraine. Sie liegen beide im russisch besetzten Südosten des Landes. Auch Axel Müller, Professor für Mineralogie und Rohstoffgeologie am Naturkundemuseum der Universität Oslo, ließ sich kürzlich in der Tageszeitung Welt zitieren: „Die Abbauwürdigkeit dieser Vorkommen (für Lithium, Anm. d. Red.) ist momentan fraglich.“ Müller nennt die „unsichere Größe der Lagerstätten“ als Grund für seine Einschätzung sowie die „komplexe und kostspielige Aufbereitung“. Weltweit gebe es andere Lagerstätten, die aussichtsreicher wären. Etwa eines in Serbien. Müller wörtlich: „Rentabilität und niedrige Rohstoffpreise erschweren eine zukunftsnahe Erschließung der ukrainischen Vorkommen.“ Das gelte auch für die Seltenerdmetalle, wo sie „in niedrigem Erzgehalt“ überhaupt vorhanden seien.
„Die allermeisten Projekte noch in sehr frühen Stadien“
Grundsätzlich kommt hinzu, dass die Angaben zu ukrainischen Rohstoffen allein auf Daten des dortigen geologischen Dienstes beruhen. Das deutschen Pendant, die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, erklärt dazu auf Nachfrage von VDI nachrichten: „Es ist wichtig einzuordnen, dass es sich hierbei um eine Art ‚Prospekt‘ zur Anwerbung von Investments in den ukrainischen Rohstoffsektor handelt.“ Die Daten seien weder zu verifizieren noch zu falsifizieren. „Nach unserer Kenntnis befinden sich die allermeisten Projekte noch in sehr frühen Stadien und bedürfen allein zur Überführung in technisch und wirtschaftlich gewinnbare Reserven noch intensiver Untersuchungen“, so die BGR weiter.
Wer die immer sehr vorsichtigen Formulierungen der Bundesbehörde kennt, hört hier deutliche Zweifel daran heraus, dass die angenommenen Rohstoffpotenziale tatsächlich existieren, sowohl im Hinblick auf ihr geologisches Vorkommen als auch auf die Möglichkeiten, die Rohstoffe zu marktfähigen Preisen zu fördern. Von der politisch heiklen Lage des Standorts ganz abgesehen. Auch Rohstoffgeologe Müller teilt diese Einschätzung: Für die von der Ukraine ausgewiesenen Vorkommen an Nickel, Kobalt, Chrom, Kupfer, Lithium und anderen Metallen „fehlt ein Nachweis“.
Rohstoffe: Ukraine verfügt über große Manganressourcen
Was bleibt? Zutreffend ist, dass die Ukraine über die größten Manganressourcen Europas verfügt. Auch diese Vorkommen befinden sich aber in russisch besetztem Gebiet, ähnlich wie weite Teile der bedeutenden Uran- und Erzlagerstätten. Überwiegend in der Zentralukraine wird dagegen der eigentliche Hoffnungsträger im Rohstoffsektor des Landes gefördert: Titan. Das leichte, aber äußerst harte Metall kommt in der Luft- und Raumfahrt zum Einsatz und ist damit auch für die Verteidigungsindustrie von Bedeutung. Hier verfügt die Ukraine auch über Verarbeitungskapazitäten. Immerhin 6 % der Weltproduktion an Titan kommen nach Angaben der Kyiv School of Economics aus der Ukraine. Experten halten diesen Zweig daher prinzipiell für aussichtsreich.
Ob das Land, das derzeit von vielen wichtigen Ausfuhrhäfen abgeschnitten ist und mutmaßlich bleiben wird, zu einem bedeutenden Titanexporteur werden kann, steht allerdings in den Sternen. Die Entwicklung von Bergbauvorhaben dauert in aller Regel viele Jahre bis Jahrzehnte. Wie sich die Preise für Titan, in Zeiten der Aufrüstung sehr gefragt, bis dahin entwickeln werden, ist ungewiss. Die Finanzierung solcher Vorhaben in einem Krisengebiet ist ohne staatliche Garantien überdies kaum vorstellbar.
Warum will Donald Trump dann einen Rohstoffdeal mit der Ukraine?
Bleibt die Frage, warum US-Präsident Donald Trump so verbissen auf einen Rohstoffdeal mit der Ukraine pocht. Zwei Spekulationen. Die erste: Donald Trump weiß sehr wohl, dass die Rohstoffe in der Ukraine niemals Erträge abwerfen werden, um die von den USA geleisteten Waffenhilfen auch nur annähernd zu kompensieren. Der medial aufgeblasene Rohstoffdeal ist außenpolitisch eine Demonstration der Stärke und innenpolitisch ein Signal an die Anhänger der America-First-Politik. Botschaft: Trump, der eigentlich versprochen hatte, den teuren Krieg binnen 24 Stunden nach seiner Wahl zu beenden, widmet ihn um zu einem „Deal“, zu einem gewinnbringenden Geschäft für die USA. Dass der sich in dieser Hinsicht sehr wahrscheinlich als Flop herausstellen wird, spielt dabei keine Rolle. Zweite Spekulation: Der US-Administration ist gar nicht an einem Rohstoffabkommen gelegen. Stattdessen hatte man im Weißen Haus womöglich darauf spekuliert, dass die Ukraine die Erpressung zurückweisen würde. Das wiederum hätte den USA einen Vorwand geliefert, ihre Unterstützung für das Land einzustellen. Für letztere Interpretation sprechen die fortgesetzten Demütigungen des ukrainischen Präsidenten, mithin gar vor laufender Kamera, um einen Bruch zwischen den beiden Ländern herbeizuführen. Die eigentlich wertvollen Rohstoffe liegen nämlich ganz woanders. In Russland.
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