Schlechte Zahlen: Deutsche Bahn gibt beklagenswertes Bild ab
Deutsche Bahn weiter tief in der Krise: Schlechte Pünktlichkeitswerte, hohe Verluste und ungewisse Zukunft des Vorstandschefs.

Die Deutsche Bahn macht schwere Zeiten durch. Wie hier am Berliner Hauptbahnhof mangelt es an Pünktlichkeit, zudem gab es 2024 hohe Verluste.
Foto: PantherMedia / Ralf Levc
Die Deutsche Bahn steckt weiter tief in der Krise. Vorstandschef Richard Lutz muss erneut rote Zahlen vorlegen. Die Bilanz für das Jahr 2024 fällt ernüchternd aus. Zwar spricht Lutz weiter von einer möglichen Trendwende, doch konkrete Erfolge lassen auf sich warten. Besonders problematisch: die Pünktlichkeitsquote, die Ausgaben für Entschädigungen und die finanzielle Lage des Konzerns. Die Zukunft des Bahnchefs ist dabei ungewiss. Denn im politischen Berlin wird über seine Ablösung diskutiert.
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Pünktlichkeit auf historischem Tiefstand
Nur 62,5 % der Fernzüge erreichten im Jahr 2024 pünktlich ihr Ziel. Das bedeutet: Mehr als jeder dritte ICE oder IC war verspätet unterwegs. Zählt man ausfallende Züge hinzu, sieht die Lage noch schlimmer aus. Verspätet gilt ein Zug erst ab einer Verzögerung von sechs Minuten. Die Bahn selbst spricht in einem internen Strategiepapier von einer „historisch schlechten“ Pünktlichkeit.
Die Folge: Die Deutsche Bahn zahlte fast 200 Millionen Euro an Entschädigungen aus. Das sind rund 70 Millionen Euro mehr als im Vorjahr. Ursache für die Verspätungen seien neben zahlreichen Baustellen auch die Arbeitskämpfe der Lokführerinnen und Lokführer gewesen.
Baustellen überfordern das Netz
Die Bahn verweist auf ihre marode Infrastruktur als Hauptgrund für die ständigen Verspätungen. Immer wieder kommt es zu kurzfristigen Baustellen, die den Fahrplan durcheinanderbringen. Zusätzlich ist das Streckennetz an vielen Stellen völlig überlastet. Im Papier „S3“, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, heißt es: „Bereits im Regelbetrieb, spätestens im Störfall, arbeitet das Netz an oder deutlich oberhalb der Belastungsgrenze.“
Mit „S3“ plant der Konzern eine umfassende Sanierung. Ziel ist nicht mehr das Wachstum, sondern die Stabilisierung des Systems. Drei Punkte stehen im Fokus: Der Betrieb soll verlässlicher werden, das Netz modernisiert und die Finanzen konsolidiert.
Konkret sollen mehr als 40 zentrale Streckenabschnitte bis Anfang der 2030er Jahre grundlegend erneuert werden. Den Auftakt machte 2024 die Riedbahn zwischen Mannheim und Frankfurt. Im August beginnt die Sanierung der Strecke Hamburg–Berlin. Bis 2027 hofft die Bahn, so eine Pünktlichkeitsquote von 75 bis 80 % zu erreichen.
Wirtschaftliche Ziele verfehlt
Auch finanziell bleibt die Bahn im roten Bereich. Schon länger ist bekannt, dass sie ihre Ziele 2024 nicht erreichen konnte. Besonders Fern- und Güterverkehr belasten die Bilanz. Im Fernverkehr sorgten die Streiks der Lokführenden im Frühjahr für hohe Einnahmeausfälle. Fährt ein Zug mit mehr als einer Stunde Verspätung, schrumpft die Buchungsbereitschaft deutlich.
Im Güterbereich war ein Verlust zwar eingeplant, fiel mit rund 330 Millionen Euro im operativen Geschäft aber deutlich höher aus als erwartet. Die EU-Kommission verlangt, dass diese Sparte bis 2026 wieder schwarze Zahlen schreibt.
Kosten steigen weiter
Sanierungen, Streckenausbau und Digitalisierung verursachen immense Kosten. Die Erneuerung der Riedbahn schlug mit 1,5 Milliarden Euro zu Buche – 15 % mehr als ursprünglich geplant. Für die Strecke Hamburg–Berlin rechnet man mit 2,2 Milliarden Euro. Hinzu kommen zahlreiche kleinere Baumaßnahmen.
In der Debatte um einen geplanten Infrastrukturfonds in Höhe von 500 Milliarden Euro hat die Bahn bereits ihre Bedarfe angemeldet. Bis zu 150 Milliarden Euro will sie daraus erhalten. Aus Unterlagen für den Aufsichtsrat geht zudem hervor: Bis 2034 sollen weitere 142 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt fließen. Das setzt voraus, dass der Bund auch nach 2028 auf ähnlichem Niveau weiter investiert.
Politischer Druck wächst
Wie es politisch weitergeht, war lange unklar. CDU und CSU hatten im Wahlkampf dafür geworben, Netz und Betrieb zu trennen. Das Schienennetz sollte in eine bundeseigene Gesellschaft übergehen, analog zur Autobahn GmbH.
Doch ein radikaler Umbau scheint unter der neuen schwarz-roten Regierung unwahrscheinlich. Zwar soll die Infrastruktursparte InfraGo stärker vom Gesamtkonzern getrennt werden, doch eine Zerschlagung wird von der SPD abgelehnt.
Trotzdem steht ein personeller Neuanfang im Raum. Laut einem Papier der zuständigen Arbeitsgruppe für Verkehr und Infrastruktur wird eine „Neuaufstellung von Aufsichtsrat und Vorstand“ angestrebt. Das betrifft auch Richard Lutz, der seit 2017 an der Spitze des Konzerns steht.
Zweifel an der Reformstrategie „S3“
Der Konzern versucht, die Wende einzuleiten. Doch ob das gelingt, bleibt offen. Das Papier „S3“ ist zwar ambitioniert, doch die Umsetzung bleibt vage. Kritik kommt auch aus den eigenen Reihen. Martin Burkert, Vorsitzender der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) und selbst Mitglied im Aufsichtsrat, sagt:
„Mit ‚S3‘ bleibt die Bahn Ideen und Transparenz schuldig. Die Aufgaben für Bahnvorstand und neue Bundesregierung sind groß. Ansonsten droht aus dem großen Sanierungsprogramm ein Abwicklungsprogramm zu werden.“ (mit dpa)
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