Spanische Ingenieure stolpern über die Sprache
In Spanien suchen Ingenieure erfolglos Arbeit, in Deutschland suchen Arbeitgeber nach Ingenieuren. Doch obwohl die Politik den grenzüberschreitenden Transfer nach Kräften unterstützt, bleiben erfolgreiche Vermittlungen Einzelfälle. Die Einstellung spanischer Ingenieure scheitert vor allem an fehlenden Deutschkenntnissen.
Auf der Festplatte von Wolfgang Büttners Rechner in Frankfurt am Main lagern mehrere hundert Lebensläufe von spanischen Ingenieuren, die mit der europäischen Idee Ernst machen wollen. Fast alle Dokumente hat der Personalvermittler x-mal verschickt, zusammen mit dem Angebot, den möglichen Mitarbeiter aus Madrid oder Málaga blitzschnell und kostenlos zum Vorstellungsgespräch nach Deutschland zu holen.
Doch die Resonanz ist ernüchternd: Kein einziges Unternehmen zeigte bisher mehr als höfliches Interesse. Zwischen Lebenslaufversand und Absage liegen oft nur Stunden. Das Fass zum Überlaufen brachte sein Akquisitionsversuch bei einem bundesweit tätigen Konstruktionsbüro mit Hauptsitz in Nürnberg. „Das Gespräch war sehr angenehm, man habe großen Bedarf an Ingenieuren, und selbstverständlich seien auch Spanier willkommen.“
Unternehmen scheuen Investitionen in die neuen Mitarbeiter
Umgehend mailte Büttner Dutzende von Bewerberprofilen nach Nürnberg. „Innerhalb von fünf Minuten kamen die zurück“, sagt er bitter, „niemand passe.“ Nach seinem Gefühl suchen die Personaler geradezu nach Defiziten. „Sicher wird in Spanien anders ausgebildet als hier“, gibt Büttner zu, „aber wenn man hier nicht versteht, dass wir ausländische Ingenieure auf unser Niveau Hochbilden müssen, dann gehen wir den Bach runter.“ Doch in eine umfassende Einarbeitung wolle kein Arbeitgeber investieren. Es lohne sich nicht, in Spanien Anzeigen zu schalten und die Hochschulen abzuklappern. Für Büttner ist dieses Geschäftsmodell eine einzige Pleite.
Auch Susana Calvo Redondo, Gründerin der Vermittlungsagentur Gateway 2 Germany, hat sich dieser Tage per Rundmail von der spanisch-deutschen Notallianz verabschiedet. „Ich habe wirklich alles versucht“, begründet die Spanierin die Geschäftsaufgabe zum Monatsende, „aber wir haben weder anstellungswillige Unternehmen gefunden noch institutionelle Unterstützung von- seiten der EU bekommen.“
Firmen warten lieber auf den perfekten Kandidaten
Die Anforderungen deutscher Firmen seien hoch und sehr speziell, klagt Calvo Redondo. „Sie wollen ausgewiesene Fachleute mit sehr guten Deutschkenntnissen und sind nicht bereit, Kompromisse zu machen.“ Außerdem dauerten die Recruitingprozesse mit sechs bis neun Monaten viel zu lang, um die Bewerber bei der Stange zu halten. „Die Unternehmen warten lieber so lange“, schimpft die Vermittlerin, „bis sie den perfekten Kandidaten gefunden haben.“
Während Konzerne in den Südeuropäern willkommene Mitarbeiter sähen und die auch am liebsten bei bekannten Größen wie Audi, Bosch oder Telekom anheuerten, könnten die ausreisewilligen Ingenieure bei kleinen und mittleren Firmen gar nicht landen.
Hauptgrund: Man spricht kein Deutsch. Das ließe kleinere Betriebe scheuen, vermutet Calvo Redondo: „Oft blockiert schon die Personalabteilung, weil dort niemand Englisch spricht.“ Nun spielt sie mit dem Gedanken, ihr Geschäft nach England zu verlegen. Auf Deutschland wettet sie keinen Pfifferling mehr: „Die alten Mitarbeiter gehen bald in Rente, und die Jungen wollen zu den Konzernen.“ Ihre düstere Vorhersage: „In zehn Jahren bekommt der Mittelstand echte Probleme.“
Voss: Nur wenige Spanier wollen wirklich nach Deutschland
Von dem hört man etwas anderes. Siegfried Baumeister, ehemaliger Personalleiter der Voss-Gruppe, hat es mit spanischen Ingenieuren versucht. „Aber in sehr überschaubaren Grenzen“, sagt er, denn in Wirklichkeit wollten nur wenige nach Deutschland.
Wie wichtig Deutschkenntnisse sind, bestätigt Frank Bröcker, Niederlassungsleiter im Büro Ratingen des Ingenieurdienstleisters Salt and Pepper. Sein Versuch, einen italienischen Turbinentechniker an den Mann zu bringen, scheiterte grandios. „Der Mann konnte perfekt Italienisch, Spanisch, Englisch, aber kein Wort Deutsch. Beim Kunden hielt er einen fachlich perfekten Vortrag auf Englisch und beteuerte, binnen drei Monate Deutsch zu lernen. Nein, hieß es, wir können die drei Monate nicht abwarten. Wir suchen weiter.“
Auch Bröcker braucht mehr Ingenieure. Vor einem Jahr konnte er drei Ingenieure aus Griechenland und Italien anheuern. „Wir mussten die aber ein halbes Jahr lang qualifizieren“, sagt Bröcker, „denn wenn sie hier wochenlang nur Deutsch lernen, dann geht das nicht ohne ein fachliches Update. Die langweilen sich sonst. Man muss also auch das Fachliche wie Softwarekenntnisse und Tools aktuell halten.“ Außerdem müsse die deutsche Arbeitsweise eingeübt werden: „Die Prozessorientierung wird hier viel höher gewichtet als im Ausland.“
Euro Engineering: Sprachprobleme sind nur vorgeschoben
Für Frank Soballa, Account Manager bei Euro Engineering in Braunschweig, sind das vorgeschobene Argumente. Er rekrutiert gerade in Spanien Ingenieure für Deutschland. Er vermutet, dass die Frustration mancher deutscher Vermittler auf unzulängliche Geschäftsmodelle zurückzuführen sei. „Ich werde regelmäßig angemailt von Headhuntern: Wollt Ihr nicht diese und jene Ingenieure?“
Engineering setze gegenseitige Kenntnis und Vertrauen voraus. Soballa spürt, dass man sich aufgrund des Leidensdrucks zunehmend stärker für ausländische Ingenieure interessiert. An fehlenden Deutschkenntnissen scheitere ein Personaleinsatz selten. „Das ist eine Generationenfrage“, glaubt Soballa. „Spanische Ingenieure unterscheiden sich fachlich nicht von deutschen Kollegen. Natürlich gibt es einen Mentalitätsunterschied. Das wird vielleicht in einen Topf geworfen. Aber da muss man differenzieren.“
Möglicherweise fehlt es im Mittelstand dafür nur an Geduld. „Die Konzerne stehen der Beschäftigung spanischer Ingenieure aufgeschlossen gegenüber und rekrutieren sogar aktiv in Spanien“, bestätigt Lars Funk, Bereichsleiter Beruf und Gesellschaft beim VDI. „Die größte Hürde ist die deutsche Sprache“, räumt Funk ein. „Wer in Deutschland arbeiten will, muss gut Deutsch sprechen.“
Während man in kleineren Ländern wie Holland oder Finnland gut mit Englisch zurechtkomme, weil die Akzeptanz über Jahre gewachsen sei, machten die deutschen Arbeitgeber, Konzerne wie Mittelständler, eine gute Kenntnis der Landessprache zur Bedingung. Funk: „Unsere Arbeitssprache ist nun einmal Deutsch, und wir können nicht einfach das Land umkrempeln und alle nur noch Englisch sprechen. Das funktioniert nicht.“
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