Sportinformatiker verleihen Topathleten Flügel
Im Hochleistungssport zählen allein Erfolge. Nur wer unter optimalen Bedingungen trainieren kann, der schafft den Sprung aufs Treppchen. Sportinformatiker verleihen Spitzensportlern mittels moderner Informationstechnologie Flügel.
Sieg oder Niederlage spielen sich im Hammerwurf innerhalb von nur wenigen Sekunden und manchmal auf wenigen Zentimetern ab. Um die bei Frauen exakt 4 kg schwere Metallkugel an einem Stahldraht so weit wie möglich zu schleudern, drehen sich die Sportler um die eigene Achse. Je stärker die Kugel beschleunigt wird, umso weiter fliegt sie.
Dahinter steckt reine Physik. Die Drehbewegung, abwechselnd auf einem und auf beiden Beinen, erfordert Kraft und Koordination zugleich. Die Sportinformatikerin Regine Isele arbeitet im Olympiastützpunkt Hessen in Frankfurt am Main mit Hightech, um den Bewegungsablauf der Hammerwerferinnen und -werfer in der deutschen Nationalmannschaft ideal zu gestalten.
Informatik hilft dabei, Fehler im Bewegungsablauf zu beheben sowie den Antrieb aus den Beinen zu verbessern. „Zusammen mit vielen anderen Trainingsbausteinen führt das zu einer Stabilisation der Wurftechnik und damit auch zu Weitenverbesserungen“, weiß Isele.
Um die Druckverteilung während des Schwungholens und in den Drehbewegungen zu messen, werden den Sportlern hauchdünne Einlagen mit rund 100 Sensoren in die Wurfschuhe gelegt. Die Sensoren sind durch ein Kabel mit dem Aufnahmegerät auf dem Rücken der Athleten verbunden. Von dort gelangen die Daten via Bluetooth-Funktechnologie in den Rechner von Regine Isele.
Zusätzlich werden die Hammerwerfer bei ihren Versuchen gefilmt, anschließend Video und Sensorenergebnisse analysiert und verknüpft. „Damit konnten wir den Sportlern zeigen, an welchen Stellen es hakt, und mit diesem Wissen ihren Bewegungsablauf weiter optimieren.“ Eine ohnehin schon ausgefeilte Technik zu verbessern, das schaffen ihrer Meinung nach nur Spitzensportler.
Die 41-jährige Isele war selbst aktive Sportlerin und 1999 Landesmeisterin in Hessen im Stabhochsprung mit übersprungenen 2,90 m. Im Olympiastützpunkt Frankfurt sind sechs Trainingswissenschaftler für unterschiedliche Sportarten sowie verschiedene Disziplinen der Leichtathletik zuständig. Sie betreuen Athleten aus den Bundeskadern.
Jeder Trainer hat ein eigenes Spezialgebiet in der Leichtathletik, das von Isele ist der Hammerwurf. Der hat viel mit ihrer Disziplin, dem Stabhochsprung zu tun. „In beiden Fällen sind Sekunden entscheidend und sowohl beim Hammerwurf als auch im Stabhochsprung müssen in diesen wenigen Augenblicken Kraft und Koordination in einem komplexen Bewegungsablauf aus Armen und Beinen ideal kombiniert werden.“
Moderne Informationstechnologie wird im Spitzensport dafür genutzt, höher zu springen, schneller zu laufen und den Hammer weiter zu schleudern. Wie Computer und Co. Sportler auf das Siegertreppchen bringen, hat Regine Isele im Studium der Sportinformatik an der Technischen Universität Darmstadt gelernt. Die Informatik nimmt in etwa die Hälfte der Studieninhalte ein.
Josef Wiemeyer ist in Darmstadt Leiter des Bereichs Bewegungs- und Trainingswissenschaften, zudem Sprecher der Sektion Sportinformatik in der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft. „Wir bieten unseren Studenten der Sportwissenschaften den Schwerpunkt Sportinformatik an. Das ist einzigartig in Deutschland.“
Pro Jahr beenden zwischen zehn und 15 Absolventen ihre Ausbildung. Weil das Berufsbild vielfältig ist, sind deren Berufschancen gut, urteilt der Professor. Gefragt sind die Absolventen als Wissenschaftler an den Hochschulen, in Olympiastützpunkten, Großvereinen und Verbänden mit einem Einstiegsgehalt, das bei etwa 2500 € monatlich liegt.
Hightech steckt im Turnschuh wie im Hochleistungs-Speer oder dem Startblock von Sprintern. Im Strömungskanal wird die Kinematik des Hüftpunkts beim Schwimmen durch eine Videoanalyse optimiert. Kinematik ist die Lehre von der Bewegung von Punkten und Körpern im Raum.
Isele hat 2003 ihr Studium abgeschlossen und ihre Traumkombination im Beruf gefunden: Sport und Informatik. Sportinformatiker, die Spitzensportler betreuen, müssen sich in beiden Disziplinen auskennen. PETER ILG
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