Strukturwandel: Altechs Batterietechnologie lockt Fachkräfte in die Lausitz
Inmitten des Strukturwandels in der Lausitz spielt Altech Advanced Materials AG eine entscheidende Rolle. Das Unternehmen fokussiert sich auf die Entwicklung nachhaltiger Batterietechnologie, um den Bedarf an Energiespeicherlösungen zu decken und gleichzeitig den Fachkräftemangel in der Region anzugehen. Mit Blick auf den Übergang von fossilen zu erneuerbaren Energien müssen u.a. neue Berufsfelder geschaffen werden.
Energiespeicher im Stromnetz sind von entscheidender Bedeutung, um Spitzenlasten abzufedern, die zu Zeiten auftreten, in denen der Strombedarf besonders hoch ist. Sie spielen eine äußerst wichtige Rolle im Rahmen der Energiewende. Da erneuerbare Energiequellen nur dann Strom erzeugen, wenn der Wind weht oder die Sonne scheint, nicht jedoch zwangsläufig zu Spitzenverbrauchszeiten, entstehen Perioden, in denen fossile Kraftwerke als Ausgleich einspringen müssen. Gleichzeitig werden Wind- und Solaranlagen abgeschaltet, wenn sie mehr Strom erzeugen, als gerade benötigt wird. Speicherlösungen können zur Bewältigung dieser Herausforderung beitragen. Doch hinter jeder Lösung und jeder Herausforderung, die bewältigt werden muss, stehen Menschen. Und in Zeiten des akuten Fachkräftemangels ist es auch eine Herausforderung für sich. Altech Advanced Materials AG will beide bewältigen.
Großbatterien für industrielle Anwendungen
In der Nähe der Grenze zwischen Brandenburg und Sachsen plant das Unternehmen den Aufbau von zwei Fabriken in Schwarze Pumpe. Eine davon wird Materialien für Elektroauto-Akkus keramisch veredeln, während die andere Großbatterien für industrielle Anwendungen produzieren wird. Ziel ist es, Energie aus Solar- und Windanlagen effizienter zu speichern sowie die Infrastruktur gegen Stromausfälle abzusichern. Die gefertigte Festkörperbatterie basiert auf Kochsalz (ingenieur.de hat bereits darüber berichtet), was als umweltfreundlicher betrachtet wird. Die herkömmlichen Lithium-Ionen-Batterien erfordern Kobalt aus dem Kongo, Graphit aus China, Lithium aus weltweiten Quellen und einen erheblichen Kupferbedarf, der über das bisherige Minenaufkommen hinausgeht. Zusätzlich dazu sind sie äußerst entzündlich und erfordern externe Kühlung oder Heizung. Im Gegensatz dazu weist die Altech Festkörper-Batterie wesentliche Vorteile auf: Sie ist nicht entzündlich, besteht hauptsächlich aus Kochsalz und Nickel, und sie ist in einem breiten Temperaturbereich von minus 20 bis plus 60 Grad voll funktionsfähig – und das ganz ohne komplexe Kühl-, Heiz oder Brandschutzsysteme.
Altech arbeitet in Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme an der Entwicklung von „cerenergy“.
Für das Produkt Silumina Anodes soll bereits im Oktober eine Pilotanlage in Betrieb genommen werden.
Industriepark Schwarze Pumpe
Ursprünglich entstand der Industriepark aus einem Betrieb der DDR-Energiewirtschaft und war bis heute stark von der Kohlewirtschaft geprägt. Die Lausitz hat sich jahrzehntelang auf die Kohleindustrie gestützt. Nun steht die Transformation zum Zentrum für nachhaltige Technologien im Fokus.
Der Bedarf an Fachkräften für den Strukturwandel in der Region ist erheblich. Allein hier, im Industriepark Schwarze Pumpe an der brandenburgisch-sächsischen Grenze werden in den kommenden Jahren viele Fachkräfte benötigt. Und nicht nur für Altech. Aber Altech setzt sich jetzt schon für die Entwicklung dieser Region ein. Denn alle Beteiligten wissen genau: Auch die Entwicklung der Batterietechnologie braucht einen Energieschub, bzw. ‚Manpower‘. Und das ist der springende Punkt.
Über Stadtgrenzen hinaus zusammenarbeiten
Die Gemeinden in Brandenburg und Sachsen streben an, ihre Bemühungen zur Gewinnung von Fachkräften für die Lausitz zu intensivieren. Zu diesem Zweck schließen sich die Bürgermeister der Städte Spremberg, Hoyerswerda und Weißwasser zu einer Kooperation zusammen. Das Ziel: eine transparente Informationsweitergabe über Erfahrungen, Projekte, Maßnahmen und Erfolge bei der Gewinnung von Fachkräften zu ermöglichen. Dabei sollen lokale Prioritäten zugunsten von regionalen Chancen zurücktreten. Die Städte sehen eine abgestimmte Vorgehensweise in den Bereichen Sport, Kultur, Erholung, Soziales und Tourismus als Möglichkeit, auch mit Ballungszentren in Wettbewerb zu treten.
„Es ist wichtig, die Stadtentwicklungskonzepte aufeinander abzustimmen. Nicht jede Stadt baut ein Theater, die nächste fokussiert sich vielleicht auf den Ausbau von Buslinien, und wiederum eine andere auf den Ausbau von Freibädern. Wenn ich in dieser Region wohne – in Berlin fahre ich auch eine Stunde von A nach B. Hier könnte das genauso funktionieren – drei Stadtteile, die sich ergänzen“, erklärt Carsten Baumeister, Leiter des operativen Geschäfts bei Altech, wie es aus seiner Sicht funktionieren könnte. Er setzt sich stark für die Region ein und treibt diverse Projekte an, um Fachkräfte für die Region zu gewinnen.
In diesem Zusammenhang führt Baumeister regelmäßige Gespräche mit Bürgermeistern aus der Lausitz sowie Vertretern anderer Unternehmen.
„Es gibt bewährte Prozesse aus der Vergangenheit, die jedoch im gegenwärtigen Strukturwandel nicht angepasst wurden. Jede Stadt schreibt ihre eigenen Entwicklungspläne, alles ist kleinteilig und dezentral, so dass es nicht über die Stadt hinausreicht. Aber wir brauchen eine Region, die das Interesse von Menschen aus aller Welt weckt“, betont er. „Der Industriepark Schwarze Pumpe könnte eine herausragende Rolle im Strukturwandel spielen und ein treibender Motor für die Entwicklung sein – mit Forschung, Entwicklung und Produktion an einem zentralen Standort“.
Anforderungskatalog an die Politik erstellt
Der nächste Schritt besteht darin, einen gemeinsamen Anforderungskatalog zu erstellen und diesen den Vertretern der Politik zu übergeben. Es wurden bereits Termine in der Sächsischen Staatskanzlei vereinbart und eine Arbeitsgruppe gegründet, die sich mit diesem Thema befasst. Warum es so wichtig ist, kann Carsten Baumeister anhand nur eines sehr anschaulichen Beispiels erklären: „Wenn jemand in einer Kommune ein Bauprojekt plant, ist der erste Blick auf die Einwohnerzahl gerichtet. Es wird analysiert, wie viele Einwohner es gibt, wie viele geboren wurden und wie viele verstorben sind. Wenn beispielsweise der Bau einer neuen Schule erwogen wird, fragt man: ‚Warum benötigen Sie eine neue Schule? Die Einwohnerzahl wird doch abnehmen.‘ Es wird jedoch übersehen, dass in zwei Jahren eine blühende Wirtschaft entstehen könnte, und diese potenziellen Entwicklungen tauchen nicht in der aktuellen Statistik auf“.
Deshalb sei es eine Herausforderung, einer Behörde zu erklären, dass eine neue Schule benötigt wird, weil in drei Jahren der Bedarf da sein wird. „Als Unternehmen sind wir hier, unsere Mitarbeiter sind hier, und ihre Kinder müssen zur Schule gehen. Dieses Beispiel zieht sich durch die gesamte politische Gesetzgebung“.
Werkwohnungen anbieten
Ein weiterer wichtiger Aspekt sind die Werkswohnungen, die teilweise noch immer existieren und die neu gebaut werden können. „Wenn ich an junge Familien denke, ist es häufig so, dass einer von beiden Elternteilen nur für die Wohnung arbeiten geht. Aber wenn ich sage: ‚Wir haben hier ein attraktives Wohnkonzept…‘, sieht es anderes aus“, sagt Baumeister.
Deshalb stimmt sich Altech mit Bauunternehmen ab, um bis 2024 Werkswohnungen zu bauen und sie den zukünftigen Angestellten zur Verfügung zu stellen. „Es ist wichtig, auch die Angehörigen zu unterstützen. Ich kann mich nicht nur um Facharbeiter kümmern, die zu mir kommen, sie kommen ja mit ihrer Familie. Wenn zum Beispiel eine Frau mit Fachverkäuferin für Mode kommt, muss ich mich genauso um sie kümmern“, erklärt Altech COO, warum es so wichtig ist. Im Moment ist Altech in all diesen Punkten der Initiator, der diese Themen vorantreibt.
Neue-alte Berufsfelder erschließen
Aber Fachkräfte sind nicht gleich Fachkräfte. Für so ein großes Vorhaben braucht man teilweise Berufe, die momentan sehr selten sind. Deshalb hat sich Altech für die Sanierung einer alten Ingenieurschule eingesetzt. „Wir möchten sie für Schulungen in benötigten Berufsfeldern nutzen. Angesichts des Wandels von fossilen zu erneuerbaren Energien, den Altech vorantreibt, werden zukünftig völlig neue Berufsfelder benötigt. Zum Beispiel benötigen wir den Beruf des Industriekeramikers. Dieser wurde in den neuen Bundesländern zum letzten Mal kurz vor dem Mauerfall ausgebildet. Wir arbeiten daran, diesen Beruf wieder zu beleben, und es wird ganz neue Ausbildungsmethoden geben“, erklärt Baumeister, worauf es ankommt.
Und die Statistik spricht für sich. So muss die betroffene Region bis 2030 mit einem Verlust von 40.000 Arbeitsplätzen in der Lausitz rechnen. In der gleichen Zeit kommen nur 12.000 Schüler nach. Mit anderen Worten: Es fehlen 28.000 Fachkräfte. „Ich werde es nicht schaffen, 28.000 Auswanderer zurückzuholen. Daher müssen wir das Thema Zuzug sorgfältig planen“.
Nest aufbauen und sich wohl fühlen
„Wir sind bereits in einem intensiven Wettbewerb um Arbeitskräfte“, resümiert Baumeister. Und er weiß genau, es wird nicht reichen, einfach „nur“ gute Arbeitsbedingungen und attraktive Berufe mit guter Bezahlung anzubieten, weil es mittlerweile zum Standard gehört bzw. es ist die Grundvoraussetzung. „Was wir benötigen, um die Menschen zu gewinnen, ist ein ‚Nestbau‘. Ich muss den Menschen helfen, ihr Nest hier zu bauen und sich wohlzufühlen. Ein lebendiges, pulsierendes Leben – dafür brauchen wir keine große Stadt“.
„Es wird alles berücksichtigt, aber das Wichtigste ist: Möchten Sie für mich arbeiten? Möchten Sie für uns arbeiten? Die Antwort sollte ein klares Ja sein“, sagt auch Uwe Ahrens, Vorstand Altech Advanced Materials, indem er die innovative Batterie präsentiert. Eine Batterie, die erstmal „von Menschen aufgeladen werden soll“, um dann richtig durchzustarten.
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