Swift-Ausschluss von Russland: Was die Sanktion für Deutschland bedeutet
Der Ausschluss vom internationalen Zahlungssystem Swift ist ein erhebliches Druckmittel gegen Russland. Doch die internationale Sanktion hat auch Auswirkungen auf Deutschland.
Es war ein langes Ringen: Unter anderem Deutschland hatte sich innerhalb der EU zunächst gegen einen Ausschluss russischer Banken vom Finanzkommunikationssystem Swift ausgesprochen. Dabei galt diese Maßnahme schon als in der vergangenen Woche als schlagkräftigste Sanktion gegen das russische Finanzsystem. Doch die Risiken schienen offenbar zu groß – ein Swift-Ausschluss gilt gewissermaßen als Atombombe unter den Wirtschaftssanktionen.
Jetzt hat Bundeskanzler Olaf Scholz dem internationalen aber Druck nachgegeben. Deutschland trägt den Swift-Ausschluss russischer Banken als mit. Wirtschaftsexpertinnen und -Experten erwarten drastische Auswirkungen auf Russland. Doch der Schritt hat auch schwerwiegende Folgen für die EU und die deutsche Wirtschaft. Der deutsch-russische Handel dürfte nahezu zum Erliegen kommen. Und Außenministerin Annalena Baerbock hatte bereits im Vorfeld davon gesprochen, dass es für die Energieversorgung in Deutschland „Kollateralschäden“ geben dürfte.
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Was ist Swift?
Die Abkürzung Swift steht für “Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication”. Swift ist ein internationales Netzwerk zum Austausch elektronischer Informationen. Dabei geht es nicht um die Verrechnung oder Abwicklung von Zahlungen, sondern um die technische Infrastruktur, mit deren Hilfe Finanzinstitute bei Geldtransfers über Landesgrenzen hinweg sicher miteinander kommunizieren können. Sprich: Ohne Swift wäre ein Geldfluss zum Beispiel zwischen Russland und westlichen Ländern nicht möglich.
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Die Mitglieder der 1973 gegründeten Organisation mit Sitz in La Hulpe südöstlich von Brüssel haben Standards definiert, mit denen eine Bank in einem Land schnell und technisch nachvollziehbar Nachrichten mit einer Bank in einem anderen Land über ein besonders sicheres Kommunikationsnetz austauschen kann – etwa zu Geldtransfers, Wertpapier- oder Edelmetallgeschäften. Swift ist eine Genossenschaft im Besitz der teilnehmenden Banken und ist EU-Recht unterworfen. Mehr als 11.000 Teilnehmer in über 200 Ländern nutzen nach Angaben von Swift den Dienst, neben Banken sind auch Wertpapierfirmen und große Konzerne darunter.
Jedes an das System angeschlossene Institut hat einen individuellen sogenannten Business Identifier Code (BIC). Über diese Swift-Adresse, eine Art internationaler Bankleitzahl, ist jedes Kreditinstitut eindeutig identifizierbar. Das System stellt auf diesem Wege zum Beispiel sicher, dass Auslandsüberweisungen auf dem richtigen Konto eingehen. Kreditinstitute weltweit nutzen das Netzwerk Swift, um sich gegenseitig über Kontobewegungen zu informieren. Jeden Tag werden dort rund 42 Millionen Nachrichten ausgetauscht.
Warum wurde Russland nicht sofort vom internationalen Zahlungssystem ausgeschlossen?
Die meisten EU-Staaten wollten Russland schon vorher vom Swift-System ausschließen. Die Folgen wären für die russische Wirtschaft und das Finanzsystem erheblich: Es wären praktisch keine Geldflüsse mehr zwischen Russland und anderen Staaten mehr möglich. Was hat Deutschland dazu bewegt, sich gegen diesen Schritt auszusprechen? Laut der Bundesregierung bedarf es einer längeren Vorbereitung, um Russland von Swift auszuschließen. Nicht nur Deutschland habe laut Regierungssprecher Steffen Hebestreit Bedenken. Italien und Frankreich hätten ebenfalls Einwände zum Ausschluss aus dem internationalen Zahlungssystem bekundet. Denn die Maßnahmen hätten auch in Europa spürbare Folgen und müssten gut überlegt sein. Bruno Le Maire, Finanzminister in Frankreich, bezeichnet den Swift-Ausschluss als “letztes Mittel”.
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In Russland gibt man sich unterdessen entspannt angesichts der Sanktionen, die bereits verhängt wurden. Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow gab an, dass sich Russland bewusst von ausländischen Importen unabhängig gemacht habe. Die beschlossenen Sanktionen würden zwar dennoch Probleme bereiten, die aber könnten werden. Indes dürften die Sanktionen schon jetzt den russischen Geldadel empfindlich treffen, auch die Wirtschaft dürfte die Strafmaßnahmen von EU, USA, Japan und anderer Staaten zu spüren bekommen. Immerhin hat die russische Regierung bereits eine Vergeltung für die Sanktionen angekündigt. Bereits nach der Annexion der Krim 2014 stand ein Swift-Ausschluss Russlands zur Diskussion. Umgesetzt wurde die Maßnahme damals nicht.
Wie sieht die jetzt vereinbarte Sanktion gegen Russland aus?
Es gilt als die bisher weitreichendste Reaktion auf den russischen Krieg in der Ukraine: Deutschland, die USA und andere westliche Partner haben am Samstag vereinbart, bestimmte russische Finanzinstitute von Swift auszuschließen. Am Sonntag schloss sich auch Japan an. Betroffen sind nach offiziellen Angaben alle russischen Banken, die bereits von der internationalen Gemeinschaft sanktioniert sind. Die Institute sollen von den internationalen Finanzströmen abgeklemmt werden.
Wie wirkt sich das auf Russland aus?
Russische Banken können internationale Finanzgeschäfte kaum noch tätigen. Zwar könnten die Finanzinstitute auch ohne das Kommunikationsmittel Swift Kontakt mit anderen Instituten aufnehmen, etwa schlicht via Telefon. Nur ist das sehr viel langsamer, umständlicher und teurer. Russland könnte sich mit einem eigenen nationalen Netzwerk allerdings zum Beispiel an das Netz von Banken aus Staaten wie China andocken – jedenfalls in der Theorie. Fraglich ist, ob China das möchte, und ob der Aufwand für die Beteiligten nicht zu groß ist.
Rohstoffe und ihr Vorkommen im Überblick
Neben dem reinen Finanzsystem trifft der Swift-Ausschluss aber vor allem auch wichtige Warenströme. Denn russische Unternehmen können Importe aus dem Ausland ohne Swift nicht mehr bezahlen oder Einnahmen für Exporte verbuchen. Die russische Bevölkerung ist entsprechend verunsichert, bereits am Wochenende haben sich viele Menschen mit Bargeld eingedeckt.
Was sind die Folgen für Deutschland?
Die Sanktion betrifft zum Beispiel den deutsch-russischen Handel. Deutsche Unternehmen haben dann Schwierigkeiten, Rechnungen russischer Lieferanten zu zahlen – was wiederum zu Lieferengpässen führen dürfte. Expertinnen und Experten gehen aber davon aus, dass die russische Wirtschaft sehr viel härter getroffen wird als die der sanktionierenden Länder – letztlich ist der Einsatz des Sanktionsmittels also auch eine Abwägungsfrage.
Überdies lassen die westlichen Partner eine Hintertür offen: Zunächst sollen nicht alle russischen Banken ausgeschlossen werden. Deutschland hat auf „gezielte Einschränkung“ bestanden, die den Kreml „härter trifft als uns selbst“, wie Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sagte. Finanzminister Christian Lindner (FDP) betonte, die Finanzsanktionen seien so gewählt, dass sie dem russischen Präsidenten Wladimir Putin keinen Vorwand gäben, notwendige Rohstofflieferungen auszusetzen. Zugleich erreichten sie aber, dass es mit Russland kein „business as usual“ gebe.
(mit dpa)
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