US-Geheimdienst zapft weltweit Überwachungskameras an
Überwachungskameras des amerikanischen Herstellers NetBotz telefonieren mehr oder weniger unbemerkt nach Hause. So können sich NSA & Co. ganz in Ruhe in Sicherheitsbereichen in aller Welt umsehen. Pikant an der Sache: Der deutsche Geheimdienst wusste davon, hielt aber jahrelang die Füße still.
Was klingt wie der Plot eines mittelmäßigen Spionagefilms, ist Realität: Der ursprünglich amerikanische Sicherheitstechnik-Hersteller NetBotz rüstet seine in aller Welt verkauften Kameras seit Jahren mit einer Hintertür aus, die US-Geheimdiensten Zugang zu den jeweiligen Überwachungssystemen verschafft. Das belegen Recherchen des vom MDR produzierten ARD-Magazins „Fakt“. Demnach ist es für NSA & Co. ein Leichtes, sich in sämtlichen mit NetBotz-Kameras gefilmten Bereichen ebenfalls umzusehen.
Angebote, die man nicht ablehnen kann
Dafür, dass es da Interessantes zu sehen gibt, hat der Hersteller aktiv gesorgt: Vor allem Regierungsstellen wie das Auswärtige Amt, Kunden im Bereich der Rüstungsindustrie und Hightech-Unternehmen bekamen von der Firma Angebote, die man nicht ablehnen konnte – preislich jedenfalls. Die angebotenen Überwachungslösungen, die auch Mikrofone und andere Sensoren umfassen, lagen laut „Fakt“-Recherchen regelmäßig unter Wert. Dieses Vorgehen war offenbar erfolgreich: Im Bereich der deutschen Hightech-Industrie seien Überwachungssysteme verkauft worden, und auch der Frankfurter Flughafen schlug für seinen Sicherheitsbereich zu. Hier überwachen NetBotz-Sensoren Raumtemperatur und Luftfeuchtigkeit.
In anderen Ländern schaffte es der Hersteller ebenfalls, seine Systeme an den Mann zu bringen: Die koreanische Raumfahrtuniversität nutzt die Kameras ebenso wie ein Datenzentrum der thailändischen Regierung. Jeder Kunde war NetBotz dann aber auch nicht recht: Den Großauftrag einer deutschen Einzelhandelskette schlug das Unternehmen kurzerhand aus. Die Einkaufskörbe mit dem Wocheneinkauf interessierte die NSA dann offenbar doch nicht – obwohl die US-Behörde für ihre grenzenlose Neugier berüchtigt ist.
Elektronischen Spion inflagranti erwischt
Dieses Vorgehen war dermaßen platt, dass der Bundesnachrichtendienst (BND) darauf aufmerksam wurde – nicht erst gestern, sondern bereits 2005. Allerdings beschränkte sich der deutsche Geheimdienst erstmal aufs Zusehen – obwohl es weitere Hinweise auf Überwachung von außen gab. Bereits im Jahr zuvor hatte eine technische Überprüfung einer Kamera am Frankfurter Flughafen durch den BND gezeigt, dass das System gerade heimlich eine Verbindung mit einem US-Militärserver herzustellen versuchte: Man hatte den elektronischen Spion also buchstäblich inflagranti erwischt.
Der Vorgang landete zwar in einem geheimen Bericht, passiert ist aber gar nichts – wohl aus Angst vor „politischen Implikationen“, wie es heißt. Noch nicht einmal die zuständige Spionageabwehr im Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) wurde informiert, wie das Magazin „Fakt“ erklärt. Erst satte zehn Jahre später hörten die Beamten davon im Rahmen von Ermittlungen durch die Bundesstaatsanwaltschaft.
NetBotz verschleierte amerikanische Herkunft
Damit hätten sich die USA die weiteren Kapitel dieser Schmierenkomödie auch sparen können, zumindest was Deutschland betrifft: Eigentlich hatte sich NetBotz von einer deutschen Firma übernehmen lassen wollen, um seine amerikanische Herkunft zu verschleiern. Das klappte nicht, dafür gehört der Kamerahersteller seit 2007 zum französischen Elektrotechnik-Konzern Schneider Electric. Das börsennotierte Unternehmen ist vor allem in den Gebieten der elektrischen Energieverteilung und industriellen Automation tätig und wusste nach eigenen Angaben nichts von den Machenschaften seiner Tochter.
Die französische Behörde ANSSI, zuständig für Informationssicherheit, hat die Produkte von NetBotz bisher nicht untersucht, so „Fakt“. Ob und wann ANSSI von Deutschland zu dem Fall informiert wurde, ist bisher unbekannt.
Bekannt ist aber, das die NSA seit Jahrzehnten deutsche Ministerien ausspäht.
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