Karriere 07.10.2005, 18:40 Uhr

Von Geheimcodes und beredtem Schweigen

Wer sein Arbeitszeugnis selbst schreibt, kann schnell Fehler machen. Wer wissen will, wie gut sein Zeugnis wirklich ist, sollte auch darauf achten, was nicht drinsteht. Denn die Tücke lauert häufig im Detail.

Seine Kündigung hatte Hermann W. schon vor drei Wochen eingereicht. Doch das Arbeitszeugnis ließ auf sich warten. Als der Ingenieur bei seinem Chef nachfragte, antwortet der: „Schreiben Sie doch schon mal einen Entwurf. Dann geht es schneller.“
Wer seinen Job wechselt, wird immer öfter aufgefordert, sein Arbeitszeugnis selbst zu formulieren. Der Grund: Personalabteilungen sind überlastet oder Chefs wollen mit der lästigen Sache keine Arbeit haben. Dabei hat jeder Arbeitnehmer sogar das Recht, seinen eigenen Entwurf einzureichen. Doch das ist leichter gesagt als getan.
Denn die Zeugnissprache ist eine Sache für sich und nicht immer erkennt man auf den ersten Blick, was damit wirklich gemeint ist. Ursache dafür ist die gesetzliche Vorgabe: Ein Zeugnis muss mit „verständigem Wohlwollen“ geschrieben sein und der Wahrheit entsprechen. Das soll sicherstellen, dass ein Chef seinem Mitarbeiter nicht mit einem schlechten Zeugnis die Zukunft verbauen kann. Die Formulierungen sind daher stets konstruktiv, positiv und immer höflich, schlechte Leistungen werden positiv verschlüsselt. So ist etwa ein „Er hat sich bemüht“ nichts anderes als eine nette Formulierung für mangelnden Erfolg. „Viele kommen zu uns und finden ihr Zeugnis völlig übertrieben“, sagt Thomas Redekop, Geschäftsführer des Berliner Beratungsunternehmens Personalmanagement Service (PMS) GbR, das sich auf das Verfassen, Überarbeiten und Analysieren von Arbeitszeugnissen spezialisiert hat.
So bedeutet etwa „Er war den Anforderungen und Belastungen seiner Position gut gewachsen“ lediglich „befriedigend“. „Sehr gut“ würde bei einem leitenden Angestellten dagegen lauten: „Die Anforderungen dieser anspruchsvollen Position bewältigte Herr W. auch bei stärkstem Arbeitsanfall dank seiner optimistischen und positiven Grundhaltung stets ausgezeichnet. Auch die starke Belastung (z. B. durch häufige Geschäftsreisen) bewältigte er immer sehr gut.“
Hilfe bei der Zeugniserstellung versprechen zahlreiche Bücher und Websites. Doch auch das kann schnell schief gehen. „Voraussetzung ist, dass man das Anforderungsprofil seines Jobs kennt“, sagt Experte Redekop. So kann sich zwar jeder problemlos entsprechende Textbausteine zu verschiedenen Kriterien wie „Engagement“ oder „Teamfähigkeit“ aussuchen, doch die müssen nicht unbedingt wichtig für den Job sein. So ist z. B. eine hohe „Kreativität“ bei einem Controller nicht unbedingt vorteilhaft.
Während „positive Verschlüsselungen“ in Zeugnissen gang und gäbe sind, ist der berüchtigte Geheimcode verboten. Denn ein Zeugnis darf keine Formulierung enthalten, deren Bedeutung vom Wortlaut her nicht erkennbar ist. Bekanntes Beispiel: „Mit seiner Geselligkeit trug er zur Verbesserung des Betriebsklimas bei“ bedeutet: Er ist dem Alkohol zugetan. Tatsächlich tauchen solche Aussagen nur äußerst selten auf und könnten zu teuren Schadensersatzklagen führen.
Dabei sind viele fixiert so darauf, mögliche Geheimcodes zu finden, dass sie oft vergessen, sich den Rest genauer anzuschauen. Dabei liegen die Tücken oftmals in den Lücken. Fehlen zum Beispiel Aussagen über wichtige Fachkenntnisse, heißt das, der Chef kann dazu nichts Positives sagen. Also lässt er es eben weg. Profis erkennen so ein „beredtes Schweigen“ natürlich sofort.
Das gilt auch, wenn der Dank oder das Bedauern über den Weggang fehlen. „Der grußlose Abschied sagt, dass etwas nicht stimmt“, erklärt Zeugnis-Berater Redekop. Andererseits sind Aussagen zu Krankheiten tabu. Steht daher im Zeugnis der Schlusssatz: „Wir wünschen ihm für die Zukunft alles Gute, vor allem Gesundheit“, ist das ein versteckter Hinweis auf häufige Krankheit.
Auch scheinbar unwichtige Formalien haben eine Bedeutung. „Unterschreibt der Chef unter seinem gedruckten Namen, kann das als Zeichen mangelnder Wertschätzung gesehen werden“, erklärt Redekop. Unvorteilhaft sei es auch, wenn die postalische Anschrift auf dem Zeugnis steht. Denn die gehöre da nicht hin und sei ein Hinweis auf die verspätete Zusendung und damit auf mögliche Streitigkeiten. Kein Wunder, dass der Experte jedem rät, sein Zeugnis überprüfen zu lassen.
Doch trotz aller Fallen sollte man sich die Chance nicht entgehen lassen, selbst aktiv zu werden. Wer seinem Chef – auch unaufgefordert – Stichworte zu seinen Tätigkeiten und Entwicklungsschritten vorlegt, der erhöht zumindest die Chance, dass der nichts Wichtiges vergisst.
BÄRBEL SCHWERTFEGER

Literaturtipps
Arnulf Weuster; Brigitte Scheer: Arbeitszeugnisse in Textbausteinen. Richard Boorberg Verlag, Stuttgart 2004, 19,90 €.
Günter Huber: Das Arbeitszeugnis in Recht und Praxis. Haufe Verlag, Freiburg 2004, 24,90 €.
Hein Schleßmann: Arbeitszeugnis. Verlag Recht und Wirtschaft, Heidelberg 2004, 22 €. BS

 

Ein Beitrag von:

  • Bärbel Schwertfeger

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