Vorsicht bei selbst konstruierten Zeugnissen
Wenn Ingenieure ihre Arbeitszeugnisse selbst schreiben sollen, birgt das Chancen, vor allem aber Risiken. Denn nur Profis sind mit den Feinheiten von Beurteilungen vertraut. Die Gefahr, aus Unwissenheit ein Eigentor zu schießen, ist groß, denn in die Falle missverständlicher Formulierungen, fehlender Angaben und zu dicken Eigenlobs ist man schnell getappt.
Das Arbeitszeugnis des Maschinenbauingenieurs las sich wie ein Eintrag aus dem Synonym-Wörterbuch für den Begriff „ausgezeichnet“. Er hatte „stets“ vorbildlich, hervorragend, überaus erfolgreich und in bester Weise gearbeitet. Selbstredend „erledigte er seine Aufgaben stets mit äußerster Sorgfalt und größter Genauigkeit“. Ein Satz, der aus einem der zahlreichen Ratgeber stammt, wie man Arbeitszeugnisse schreibt und die Note 1 ausdrücken soll.
Ein Satz, bei dem sich jedoch die Nackenhaare der Hamburger Zeugnisberaterin Verena Janßen sträuben: „Bei dieser Dopplung der Superlative stellt sich mir die Frage, ob es sich um einen pedantischen Mitarbeiter handelt.“ Ein Satz, der noch einen Schluss zulässt: Hier durfte sich der Mitarbeiter selbst das Zeugnis ausstellen. „Ein Schuss, der nach hinten losgehen kann“, weiß Janßen, Chefin der Veja-Zeugnisberatung.
Doch Mitarbeiter, vor allem verdiente, bekommen immer öfter das vermeintlich großzügige Angebot, ihre Leistungen selbst zu Papier zu bringen. „Gerade in mittelständischen Unternehmen, wo der Chef oder der Fachvorgesetzte noch selbst Arbeitszeugnisse verfasst, wird der Aufwand gescheut und die Aufgabe in guter Absicht an den Ausscheidenden delegiert“, berichtet Janßen. Neben der Zeitersparnis wird so auch einem etwaigen Rechtsstreit über nicht wohlwollende Formulierungen vorgebeugt.
Nur: Wenn dann in diesen Angelegenheiten meist nicht sehr erprobte Ingenieure loslegen und darauf hoffen, dass ihr Entwurf noch den nötigen Feinschliff vom Personalchef bekommt, irren sie: „Oft genug wird der Text unverändert auf Firmenpapier gedruckt, auch mit Rechtschreibfehlern“, berichtet die Expertin. Besonders übel daran: „Eine eigene Vorgabe kann man später schlecht reklamieren.“ Also, besser Finger weg? „Das nicht unbedingt, in jedem Fall sollte aber ein Fachmann den Entwurf gegenlesen“, rät Janßen. Denn die Gesetze der Zeugnissprache sind für Laien nicht leicht zu durchdringen.
„Ich warne davor, Zeugnisse komplett selbst zu schreiben, da die Beurteilung grundsätzlich Arbeitgebersache ist“, sagt die Berliner Arbeitszeugnisberaterin Petra Pflanz. „Komplett selbst geschriebene Zeugnisse von Ingenieuren sind fast immer zu erkennen.“ Gleichwohl sollten Ingenieure den Prozess tatkräftig unterstützen, indem sie Inhalte über ihre Aufgaben, erfolgreiche Projekte, Weiterbildungen und die exakte Chronologie ihrer beruflichen Laufbahn liefern. Pflanz: „Insbesondere Ingenieur-Zeugnisse sollten mit einer fachmännischen Aufgabenbeschreibung ausgestattet sein, denn hier kommt es sehr auf Fachbegriffe und technische Inhalte an.“ Nur so könne der Mitarbeiter später leistungsgerecht beurteilt werden und sich für eine neue Aufgabe empfehlen. Es sind mitunter die Details, die entscheiden.
Bei Beurteilungen ihrer Leistungen hingegen sollten sich Mitarbeiter zurückhalten. Aus einem einfachen Grund: „Selbstschreiber schätzen sich grundsätzlich zu gut ein. Das ist das größte Risiko, weil ein selbst geschriebenes ungeprüftes Zeugnis dann nichts wert ist“, sagt Pflanz. Thomas Redekop, Geschäftsführer des Webportals www.arbeitszeugnis.de, stößt in der Praxis gerade bei Technikern und Ingenieuren auch auf den umgekehrten Fall falscher Bescheidenheit, da Laien die Zeugnissprache „zu ausladend und übertrieben“ erscheine. Doch die Gefahr des zu dicken Auftragens sei eher die Regel. „Alles Übertriebene wirkt schnell unglaubwürdig“, sagt Redekop.
Eigenlob stinkt – solange es nicht gut begründet ist. Doch daran scheitern die meisten. „Wertvoller als alle Superlative ist ein individuelles und damit aussagekräftiges Zeugnis“, betont Janßen.
Das heißt auch: Vorsicht vor exzessivem Ratgebergebrauch oder gar entsprechender Software, mit deren Textbausteinen der Einser-Durchschnitt flugs zusammenkopiert wird: „Erfahrene Personaler erkennen sogar, mit welcher Software ein Arbeitszeugnis verfasst wurde“, berichtet Janßen aus leidvoller Erfahrung. Wer so zu Werke geht, produziere einen „geschmacksneutralen Brei“, den am Ende niemand anrührt.
Andererseits kann zu viel Kreativität schaden, wenn an der Formulierung gefeilt wird, dabei aber versehentlich sprachliche Codes verwendet werden, die das Gegenteil vom Gemeinten bedeuten. Gern wird zu doppelten Verneinungen gegriffen, die umgangssprachlich eine Aussage verstärken, im Zeugnisdeutsch aber eine glatte Abwertung sind. Etwa: „Seine Leistungen in der Konstruktion waren nicht unerheblich.“ Besser ist von „erheblichen Leistungen“ zu sprechen. Janßen warnt auch vor einschränkenden Füllwörtern wie „im Allgemeinen“ oder „insgesamt“. Insgesamt ist eben nicht „immer“ und lässt wie jede Leerstelle im Zeugnis Spekulationen über mangelnde Leistungen keimen. Auch ein Verhalten „ohne Tadel“ ist eher schlecht, weil es nicht löblich war.
Fast schon schlüpfrig wird es, wer seine Kooperationsfähigkeit mit der Formulierung des „einfühlsamen Teamworkers“ auf den Punkt bringen möchte. Das klingt erstmal harmlos, ist aber der Code für sexuelle Kontakte, die am Arbeitsplatz gepflegt worden sind. So sollte man sich selbst besser nicht das Bein stellen. Beraterin Petra Pflanz rät daher dringend, einen Profi zur Kontrolle hinzuzuziehen und vor allem zur Ruhe: „Hau-Ruck-Aktionen sind bei Zeugnisangelegenheiten fehl am Platze.“ CHRIS LÖWER
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