VW und Porschegate: Kommen nach der Diess-Ära jetzt E-Fuels?
Die Nachricht kam überraschend: Plötzlich scheidet Herbert Diess als VW-Chef aus. Sein Nachfolger wird Porsche-Chef Oliver Blume. Der sorgte jüngst mit Aussagen zu E-Fuels für Schlagzeilen. Was heißt das nun für VW?
Manchmal kommt alles zusammen. Herbert Diess tritt als VW-Chef ab – und zeitgleich sorgt sein designierter Nachfolger Oliver Blume unter dem Stichwort Porschegate für Schlagzeilen.
Porschegate und VW: Wie hängt das zusammen?
Schon zum 1. September wird Herbert Diess als VW-Chef aus dem Unternehmen ausscheiden, das teilte der Konzern jetzt überraschend mit. Dem plötzlichen Abtritt war ein langer Konflikt mit dem mächtigen VW-Betriebsrat vorausgegangen: Darin ging es um geplante Sparprogramme. Bereits davor hatte es heftige Meinungsverschiedenheiten mit Teilen des Aufsichtsrats über die weitere Strategie von VW und über einen möglichen drastischen Arbeitsplatzabbau beim größten Autohersteller Europas gegeben.
Herbert Diess gilt als Treiber der Elektromobilität bei VW. Das Motto: „Way to ZERO“. Bis 2030 sollen mindestens 70% des Volkswagen-Absatzes in Europa reine Elektroautos sein, so lautete zuletzt der Plan. Der Autobauer präsentierte ein E-Modell nach dem anderen: Vor etwas mehr als einem halben Jahr den VW ID.5, etwas später den „Elektro-Bulli“ VW ID.5 und erst vor einigen Wochen den VW ID.Aero, der eine Reichweite von 600 Kilometern haben soll.
Herbert Diess wollte VW radikal umbauen
Für die neue Elektro-Strategie wollte Diess VW drastisch umbauen, vor allem das Stammwerk in Wolfsburg. Im vergangenen Herbst mahnten Diess und VW-Markenchef Ralf Brandstätter bei einer Krisensitzung, dass VW mittelfristig vom US-Autobauer Tesla abgehängt werde, wenn sich nichts ändere. So brauche man in Wolfsburg mit über 30 Stunden Bauzeit für den ID.3 dreimal so lange wie Tesla, um ein Elektroauto zu bauen. Beim US-Autobauer ist das Model 3 innerhalb von zehn Stunden fertig. Diess spiele mit dem Gedanken, 30.000 Stellen zu streichen, hieß es seinerzeit aus Insider-Kreisen, VW dementierte das später. Und doch: Mit dem Radikal-Umbau hat sich der scheidende VW-Chef offenbar nicht viele Freunde im Konzern gemacht.
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Jetzt der Schnitt. „Herr Dr. Oliver Blume wird den Vorstandsvorsitz übernehmen und daneben seine Funktion als Vorstandsvorsitzender der Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG fortführen“, erklärte VW in einer Information an die Finanzmärkte. Die Kontrolleure hätten bei einer Sitzung zudem beschlossen, dass VW-Finanzchef Arno Antlitz den bisherigen Porsche-Lenker Blume „im operativen Tagesgeschäft“ unterstütze.
Porsche setzt auch auf E-Fuels
Blume wiederum steht als Porsche-Chef nicht für einen radikalen Umbau in Richtung Elektromobilität. Zwar setzt auch Porsche auf E-Mobilität und will bis 2030 80% seiner Autos mit einem E-Antrieb ausrüsten. Doch aktuell konzentriert sich der Stuttgarter Autobauer auf das Thema E-Fuels, also synthetische Kraftstoffe, die mithilfe Strom aus Wasser und Kohlenstoffdioxid hergestellt werden. Gemeinsam mit Siemens Energy baut Porsche ein Werk zur Herstellung von E-Fuels in Chile. Nördlich von Punta Arenas in Patagonien entsteht eine Pilotanlage, die in diesem Jahr rund 130.000 Liter E-Fuels erzeugen soll. Die Pläne sind ehrgeizig: In zwei Stufen soll die Kapazität bis 2024 auf rund 55 Millionen Liter, und bis 2026 auf rund 550 Millionen Liter erweitert werden.
Vor allem der Klassiker Porsche 911 soll auch in Zukunft mit E-Fuel-Verbrennungsmotor ausgestattet werden. Ab 2024 könnten alle weltweit neu verkauften 911 Carrera zu 100 Prozent mit E-Fuels versorgt werden, hieß es bei Porsche.
Eine reine Elektroauto-Strategie fährt Porsche jedenfalls offenkundig nicht. „Wir glauben weiter an den Dreiklang aus klassischen Verbrennern, Plug-in-Hybriden und reinen Elektroautos wie dem Taycan“, sagte jüngst Porsche-Entwicklungsvorstand Michael Steiner.
Porschegate: Hat Blume Einfluss auf Christian Lindner ausgeübt?
Bei Porsche dürfte man sich – vorsichtig ausgedrückt – entsprechend sehr gefreut haben, dass das Thema E-Fuels auch Teil des Koalitionsvertrags ist. Tatsächlich steht aktuell der Verdacht im Raum, Porsche habe die Koalitionsentscheidung beeinflusst. Innerhalb der Ampel-Koalition hatte es Streit über ein Verbot für die Neuzulassung von Verbrennerautos ab 2035 auf EU-Ebene gegeben. Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatte solche Verbotspläne abgelehnt. Auf Wunsch der FDP wurde vereinbart, dass auch nach 2035 Autos mit Verbrennermotoren zugelassen werden dürfen, wenn diese mit E-Fuels fahren.
Oliver Blume wiederum soll bei einer Betriebsversammlung am 29. Juni vor Mitarbeitern gesagt haben, Porsche habe einen „sehr großen Anteil“ daran gehabt, dass eine weitere Nutzung von synthetisch hergestellten E-Fuels für Verbrennungsmotoren „in den Koalitionsvertrag miteingeflossen“ sei. „Da sind wir Haupttreiber gewesen, mit ganz engem Kontakt an die Koalitionsparteien. Der Christian Lindner hat mich in den letzten Tagen fast stündlich auf dem Laufenden gehalten“, wird Blume zitiert.
Nur Angeberei? Oder steckt mehr dahinter? Das ist derzeit noch ungeklärt. Blume hat sich inzwischen entschuldigt, er habe falsche Worte gewählt. Und die FDP hat eine Einflussnahme Blumes dementiert. Klar aber ist: Das Thema E-Fuels und die Zukunft von Verbrennungsmotoren treiben den Porsche-Chef um.
Was ist besser: E-Fuels oder Elektroauto?
Was heißt das nun für VW? Womöglich wird Blume als Porsche- und VW-Chef in Personalunion den geplanten Radikalumbau von Herbert Diess milder vonstatten gehen lassen. Ob die E-Fuel-Technologie dann auch bei der VW-Produktion eine Rolle spielen wird, ist noch absehbar. Aber würde das überhaupt Sinn machen?
Nach Ansicht von Noch-VW-Chef Herbert Diess ganz klar nicht. Die Effizienz dieser Kraftstoffe sei „extrem schlecht“, so Diess in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Der Prozess lasse sich womöglich um ein paar Prozent optimieren. „Aber die Größenordnungen bleiben: Wenn in 2030 einer für zehn Euro Strom tankt, um 500 Kilometer weit zu kommen, wird der E-Fuel-Fahrer 60 Euro ausgeben müssen“.
E-Fuels sind sehr ineffizient
Der Vorteil von E-Fuels: Sie können im Grunde in unbegrenzter Menge hergestellt werden. Im Vergleich zu Benzin und Diesel verbrennen die synthetischen Kraftstoffe sauberer, sind also etwas weniger klimaschädlich. Das heißt, als Alternative können sie in Bestandsfahrzeugen dazu beitragen, den CO2-Ausstoß zu mindern.
Die Nachteile von E-Fuels: Bei Neufahrzeugen ist die Technologie dem Elektroauto aber unterlegen, wenn es um den Wirkungsgrad und die Co2-Bilanz geht. Für die Herstellung von E-Fuels sind zahlreiche Einzelschritte notwendig, was hohe Wirkungsverluste mit sich bringt. Von der eingesetzten Energie werden nur etwa 10% genutzt. Bei einem Elektroauto kommen aktuell bis zu 80 Prozent der Energie aus der Steckdose am Rad an. Viele Kritiker sagen: In der Neuproduktion jetzt noch auf Verbrennungsmotoren zu setzen, wäre ein gewaltiger Rückschritt.
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Anders sieht es beim wasserstoffbetriebenen Elektroauto aus. Gerade bei Lkw und großen Spezialfahrzeuge gilt die Technologie als zukunftsweisend. Und manche Experten sehen auch im Pkw-Bereich wasserstoffbetriebene Elektroautos zumindest als Ergänzung zu den batteriebetriebenen E-Autos. Denn die Reichweite solcher Fahrzeuge ist enorm, sie können mit Verbrennern locker mithalten. Beim Wasserstoffauto wird Wasserstoff in einem Tank mitgeführt. In der Brennstoffzelle reagiert dieser mit Sauerstoff, wodurch Energie freigesetzt wird. Aus dieser erzeugt die Zelle Strom, der wiederum den Elektromotor antreibt. Der Tank ist so schnell befüllt, wie bei einem Benziner oder Diesel, und für eine Strecke von 1.000 Kilometern benötigt man acht bis zehn Kilo Wasserstoff. Von solch einer Reichweite können Fahrer von batteriebetriebenen Elektroautos nur träumen.
Warum hatte Herbert Diess einen neuen Vertrag erhalten?
Bei Investoren und Branchenexperten löst die Nachricht von Diess‘ Angang unterdessen Stirnrunzeln hervor. So stellen sich viele die Frage, warum der künftig mit einer Beraterfunktion ausgestattete Herbert Diess erst vor einem Jahr vorzeitig einen neuen Vertrag erhielt: Im Juli 2021 stimmte der Aufsichtsrat der bis zum Oktober 2025 laufenden Weiterverpflichtung zu, trotz erheblicher Kritik an Diess‘ Führungs- und Kommunikationsstil.
„Die Vertragsverlängerung aus dem letzten Jahr ist nicht nachvollziehbar“, sagte der Leiter des Bereichs Unternehmensführung und Nachhaltigkeit bei der Sparkassen-Fondstochter Deka, Ingo Speich, der Deutschen Presse-Agentur. Die Demission von Diess sei „ein Abgang mit Ansage“, die Kontrolleure hätten weit früher Konsequenzen ziehen können. Diess selbst soll Druck für die Verlängerung gemacht haben. „Die Rechnung trägt jetzt wieder einmal der Aktionär“, meinte Speich. „Auch der neue Beratervertrag wirft mehr Fragen als Antworten auf.“
30 Millionen Euro für drei Jahre: „Goldener Handschlag ist Zeichen schlechter Unternehmensführung“
Allein für das Jahr 2021 erhielt Diess inklusive Rentenansprüchen mehr als 10 Millionen Euro. Die VW-Vorstandsgehälter lassen sich im Zeitverlauf nur schwer vergleichen und genau vorhersehen, weil sie von variablen Boni abhängen. Einige Beobachter schätzen, der bisherige Konzernchef – obschon bald nicht mehr in dieser Position – könnte bis Herbst 2025 bis zu weitere 30 Millionen Euro verdienen.
„Der goldene Handschlag ist Zeichen schlechter Unternehmensführung und hat bei VW leider Tradition“, kritisierte Janne Werning von Union Investment. Bereits mit Bernd Pischetsrieder in den 2000er Jahren oder mit der 2016/2017 nur gut ein Jahr gebliebenen Rechtsvorständin Christine Hohmann-Dennhardt seien hoch dotierte Fortzahlungen oder Abfindungen vereinbart worden. Ein anderer Analyst sagte, diese Praxis sei aus seiner Sicht eine „Sauerei“, zumal im Fall von Diess gleichzeitig Gerüchte zur Kürzung Zehntausender Jobs kursiert hätten. (mit dpa)
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