Marktausblick 05.08.2019, 16:01 Uhr

Was der neue Niedrigzinszyklus für Investoren bedeutet

Vor drei Jahren haben sich die Zinsmärkte in den USA und Europa voneinander entkoppelt. Während in den Vereinigten Staaten die Zinsen stiegen, sanken sie in der Eurozone auf den Nullpunkt. Nun denkt die US-Notenbank wieder an Zinssenkungen. Das hat Folgen.

Während der europäischen Nullzinspolitik hat die US-Notenbank die Zinsen schrittweise gesteigert. Nun steht sie vor einer Kehrtwende. Foto: panthermedia.net/ViewApart

Während der europäischen Nullzinspolitik hat die US-Notenbank die Zinsen schrittweise gesteigert. Nun steht sie vor einer Kehrtwende.

Foto: panthermedia.net/ViewApart

Die Zeit der Zinsanhebungen in den USA neigt sich dem Ende zu. Nun hat die US-Notenbank den ersten Zinsschritt nach unten unternommen und ihren Leitzins um 0,25 Prozentpunkte gesenkt. Aktuell steht der Leitzins bei 2,00 % bis 2,25 %. Experten schließen nicht aus, dass die FED innerhalb des laufenden Jahres sogar mehrmals die Zinsen senken wird. Das ist eine erstaunliche Entwicklung. Denn die FED hat in den vergangenen 3 Jahren mutig die Zinsen schrittweise angehoben, während andere Währungsräume eher abwartend agierten. Im Euroraum etwa sind die Leitzinsen seit dem Jahr 2016 auf 0 % gestellt. Der Einlagezins für Banken ist sogar negativ.

Nullzinskredite und Anleihenkäufe

Diese Zinsschere hatte Folgen für den Devisenmarkt: Der US-Dollar gewann allein seit Anfang 2018 gegenüber dem Euro bis heute fast 10 % an Wert. Der Trend ist noch intakt – nicht zuletzt auch deshalb, weil die meisten Marktteilnehmer bis vor kurzem noch davon ausgingen, dass weitere Zinsanhebungen durch die FED folgen würden. Doch die Vorzeichen haben sich gedreht. Die US-Wirtschaft verliert an Schwung. Gleichzeitig bewegt sich die Inflation in den USA auf historisch niedrigem Niveau. Die FED kann also an der Zinsschraube drehen und die Wirtschaft stimulieren, ohne Angst vor zu hoher Inflation haben zu müssen. Sie wird diese Chance wohl nutzen und eine Kehrtwende in ihrer Zinspolitik machen.

Damit wäre die FED wieder auf einer Linie mit den anderen großen Notenbanken. Weder bei der EZB noch bei der Bank of Japan wird aktuell darüber nachgedacht, die Zinsen anzuheben. Im Gegenteil: Die japanische Notenbank hat ohnehin keine Wahl mehr. Sie finanziert de facto den überschuldeten Staatshaushalt schon seit Jahren mit Nullzinskrediten. Und die frisch nominierte EZB-Chefin Christine Lagarde hat den südeuropäischen Ländern schon vor ihrer Wahl zugesagt, eher politisch als währungsstabilisierend zu agieren. Deshalb ist zu erwarten, dass die EZB vielleicht wieder die Anleihekaufprogramme aufnimmt und die Bankeinlagenzinsen weiter ins Minus drückt. Vor stark steigender Inflation, die diese Pläne stören könnte, muss auch Lagarde keine Angst haben. Das von den Notenbankern als Ziel definierte Inflationsniveau von 2 % ist noch lange nicht erreicht.

Was bedeutet die Wiederaufnahme der offensiven Geldpolitik für Investoren?

Die wieder offensivere Zinspolitik der Notenbanken hat mehrere Implikationen. Zunächst auf den Devisenmarkt: Die Erfahrung zeigt, dass eine Währung umso stabiler ist, je unabhängiger die Notenbank von der Politik agiert. Die FED und die EZB sind unabhängig. Es ist aber nicht zu übersehen, dass die politischen Akteure diesseits und jenseits des Atlantiks vermehrt Druck auf ihre Notenbanken ausüben. Zum einen, um ihre Staatshaushalte bequem zu sanieren. Zum anderen, um die eigene Exportwirtschaft zu fördern.

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Eine weitere Implikation hat die Zinspolitik auf den Wert von Anleihen: Sinkende Leitzinsen bedeuten Kursgewinne für bereits im Portfolio allokierte Anleihen. Für Investoren auf der Suche nach Zinspapieren wird die Situation dagegen nicht leichter, wenn die Renditen sinken. Also müssen Anleger genau hinsehen. Aussichtsreich können Unternehmensanleihen sein, die deutlich höhere Zinsen bieten als Staatsanleihen.

Angesichts der sich abzeichnenden Zinswende nach unten ist zudem gutes Timing gefragt. Der Markt hat die Entwicklung zum Teil schon antizipiert. Die Renditen sind bereits gefallen. Gleichzeitig gibt es die Chance, dass Marktteilnehmer enttäuscht sind, wenn es nicht so kommt wie erwartet. Beim Timing hilft deshalb ein Kontraindikator: Wenn viele Anleger Anleihen verkaufen und dafür Aktien kaufen, ist es häufig genau der Moment, das Gegenteil zu tun – so wie zuletzt im 3. Quartal 2018. Als antizyklischer Investor fährt man meistens gar nicht so schlecht.

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Porträt von Helge Müller

Helge Müller ist Chief-Investment-Officer der Genève Invest in Luxemburg. Für ingenieur.de schreibt er in regelmäßigen Abständen Kolumnen zur privaten Vermögensverwaltung.

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  • Helge Müller

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