Börse 15.07.2011, 12:09 Uhr

Welchen Analysten man trauen kann

Viele Investoren und Privatanleger lassen sich bei ihren Entscheidungen von Analystenurteilen leiten. Das kann mitunter teuer werden. Vor allem wenn Märkte drehen, liegen die selbst ernannten Experten oft daneben. Rankings zeigen, welchen Analysten man trauen kann.

Irren ist menschlich – das gilt auch und besonders für Analysten. Die Aktienpropheten versagten in der Vergangenheit gleich mehrfach. Sie sagten weder den Börsen-Salami-Crash von 2001 bis 2003 noch die Finanzkrise Ende 2008 vorher. Meist schrieben sie einfach nur die Kursentwicklung der vergangenen zwölf Monate in die Zukunft fort – und lagen in schwierigen Zeiten voll daneben.

Denn eine Baisse sehen die Experten meist zu spät. Umgekehrt hinken sie hinterher, wenn an der Börse die Post abgeht. Analysten halten viel zu lange an ihren alten Prognosen fest, die Revision könnte als Eingeständnis eines Irrtums ausgelegt werden.

„Analysten sind unfähig, die Zukunft vorherzusagen“

„Analysten sind unfähig, die Zukunft vorherzusagen“, meint Markus Spiwoks, Wirtschaftsprofessor an der Ostfalia-Hochschule in Wolfsburg. Er hat mehrere Jahre lang unter anderem die Aktienmarktprognosen des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung untersucht, die auf den Befragungen von Finanzmarktprofis beruhen. Sein Fazit: Die Analysten schnitten sogar schlechter ab als die naiven Prognosen, bei denen die Gegenwartswerte in die Zukunft projiziert werden. Spiwoks: „Selbst ein Vierjähriger könnte bessere Vorhersagen machen als Analysten mit ihren aufwändigen Prognosemodellen.“

„Die Krisen wurden von der großen Mehrheit der Analysten nicht vorhergesehen“, gibt Autoanalyst Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler zu. Oft würde seine Zunft die Trends fortschreiben. Doch damit könne man mitunter falsch liegen. „Der Trend ist eine große Macht, gegen die man ankämpfen muss.“ Nur wenn man sich auch mal gegen den Trend stemme, könne man zum Helden werden.

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Handelsblatt und Börsen-Zeitung küren jährlich die besten Analysten

Das tut Pieper – und wurde dafür zusammen mit einigen anderen Kollegen ausgezeichnet. Das „Handelsblatt“ vergab im Frühjahr den Analysten-Award an mehrere Personen, darunter vor allem Experten der DZ Bank und des Bankhauses Metzler. Die „Börsen-Zeitung“ kürte jüngst die Unicredit zum besten Analystenhaus und das Bankhaus Metzler zum besten Analystenteam. Beide Zeitungen verleihen alljährlich einen Preis an die besten Analysten und Analystenhäuser.

Hinzu kommen Rankings der britischen AQ und der Thomson-Reuters-Schwester Starmine, die anzeigen, welche Analystenhäuser sich vom Durchschnitt positiv abheben. So kamen laut einer Untersuchung von AQ  Research die besten Dax-Aktientipps 2010 von der DZ Bank.

Worin liegt das Erfolgsgeheimnis? Vor allem gutes Handwerkszeug und jahrelange Erfahrungen, meint Metzleranalyst Pieper. Lothar Weniger, Leiter des Aktienresearch bei der DZ Bank, hält die Methodik und die Spezialisierung auf Branchen für die entscheidenden Erfolgsfaktoren. Und Unicreditanalyst Andreas Heine nennt gute Unternehmenskenntnisse, das Beobachten von Industrietrends und ein Gespür für den Aktienmarkt als wichtigste Kriterien.

Hein landete beim Dreijahresranking des AktienAnalystenAward der „Börsen-Zeitung“ und beim Ranking von Starmine ganz vorn. Zudem, so Heine, müsse ein Analyst auch mutig sein und sich mit einer starken Meinung auch mal gegen den Markt stellen.

Von Halteempfehlungen hält Heine nichts. Denn damit liege man meist falsch, weil die Aktien immer nach oben oder unten laufen. Das sieht man auch beim Bankhaus Metzler so. Das Traditionshaus verzichtet komplett auf neutrale oder Halteempfehlungen. Es gibt nur die Wahl zwischen „Kaufen“ oder „Verkaufen“.

Bei der DZ Bank werden klare Entscheidungen ebenfalls bevorzugt. Die neutralen Urteile der Aktien, die beobachtet werden, liegen inzwischen bei kaum 10 %, schätzt Lothar Weniger (DZ Bank).

Gute Analysten scheuen vor Verkaufsempfehlungen nicht zurück

Außerdem scheuen die ausgezeichneten Analysten auch vor Verkaufsempfehlungen nicht zurück. Diese sind selten und um so wertvoller für Anleger. In der Regel sprechen Analysten eher Kaufempfehlungen aus.

Auch wenn sie sich selbst nicht als Gurus sehen, haben Analysten große Macht. Mit ihren Empfehlungen und Kurszielen bewegen sie die Märkte. Für Privatanleger ist das Urteil von Analysten sehr wichtig. Ohne sie wären sie allein auf die Informationen der Unternehmen angewiesen. „Wenn die Märkte ohne Analysen arbeiteten, würden alle nur nach ihrem Bauchgefühl handeln“, meint Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler.

Allerdings sind die Analysten auch nicht immer unabhängig. Die Banken profitieren von positiven Bewertungen einer Aktie. Je mehr Kundenaufträge kommen, desto besser verdienen sie. Ähnlich ist es, wenn eine Kundenbeziehung besteht zwischen Bank und Unternehmen, die von Analysten beobachtet werden. Auch kommt den Banken ein positives Urteil aus der Analystenabteilung gelegen. 

Ein Beitrag von:

  • Notker Blechner

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