Wie deutsche Finanzbeamte schnüffeln dürfen
Die Schnüffeleien des US-Geheimdienstes NSA wecken Ängste vor einem Überwachungsstaat. Viele Bürger fragen sich auch, auf welche Daten deutsche Behörden zugreifen können – zum Beispiel das Finanzamt. Wie steht es um den Schutz der Privatsphäre? Die Kölner Rechtsanwälte Marcus Werner und Julius Oberste-Dommes bringen im folgenden Beitrag Licht ins Dunkel.
Welche Informationsquellen kann der Sachbearbeiter des Finanzamtes nutzen, wenn er eine Steuererklärung bearbeitet? Im Regelfall verlässt sich der Finanzbeamte auf Informationen, die ihm der Steuerpflichtige gibt. Außerdem kann er auf allgemein zugängliche Quellen zurückgreifen. Anders sieht es aus, wenn er vermutet, dass die Informationen, die der Steuerpflichtige angegeben hat, nicht vollständig sind oder zum Beispiel eine Steuerstraftat vorliegen könnte. Dann hat er die Möglichkeit eines Kontenabrufs.
Seit 2005 erlaubt das Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit den Kontenabruf. Dieses Instrument war als „Ausgleich“ für das sogenannte Strafbefreiungserklärungsgesetz geschaffen worden. Es eröffnete Steuersündern die Möglichkeiten der Steueramnestie bei einer nachträglichen Richtigstellung. Mittels des Kontenabrufes sollten die Behörden die gemachten Angaben mit wenig Aufwand überprüfen können.
Bis heute dürfen nur Kontenstammdaten abgerufen werden. Das sind die Nummer eines Kontos oder Depots, das Datum der Einrichtung und Auflösung, der Name und das Geburtsdatum von Inhaber und Verfügungsberechtigtem sowie gegebenenfalls Name und Anschrift eines abweichend wirtschaftlich Berechtigten. Einzelne Kontobewegungen, Zahlungseingänge und -ausgänge, oder der Kontostand dürfen nicht abgerufen werden. Das Finanzamt kann also nur feststellen, welche Konten und Depots vorhanden sind oder waren.
Im vergangenen Jahr haben die Finanzbehörden bei ihrer Suche nach Steuerbetrügern rund 62 000 Konten-Stammdaten abgerufen. Die Zahl der Kontenabrufe ist in den vergangenen Jahren gestiegen. Das liegt auch daran, dass das Instrument noch relativ neu ist. Es wurde wie erwähnt erst 2005 eingeführt. Übrigens nutzen die Sozialbehörden diese Möglichkeit ebenfalls. Sie haben 2012 auf der Suche nach Leistungsbetrügern gut 9000 Kontenstammdaten eingesehen.
Das Finanzamt fragt über das Bundeszentralamt für Steuern bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) an, welche Kontenstammdaten eines Steuerpflichtigen vorliegen. Der Datentransfer erfolgt über eine Schnittstelle der BaFin direkt vom Kreditinstitut an das Bundeszentralamt für Steuern und wird dann an das Finanzamt weitergeleitet. Von diesem Vorgang bemerkt der Steuerpflichtige zunächst nichts.
In den meisten Fällen schon. Die Abgabenordnung schreibt zum einen vor, dass jeder Steuerpflichtige auf die Möglichkeit des Kontenabrufes hingewiesen wird. Das kann in einem Vordruck oder Merkblatt geschehen ein persönliches Anschreiben ist nicht erforderlich. Ist ein Kontenabruf erfolgt, muss der Steuerpflichtige nachträglich informiert werden. Die Abgabenordnung sieht nur sehr wenige Ausnahmen von dieser Mitteilungspflicht vor – zum Beispiel, wenn die Gefahr besteht, dass ein erheblicher Betrag von einem bislang nicht angegebenen Konto abgehoben und beiseite geschafft wird.
Nein, ein vergleichbarer automatisierter Abruf von Konten deutscher Steuerpflichtiger im EU-Ausland ist nicht möglich. Banken in EU-Staaten sind aber aufgrund der EU-Zinsrichtlinie verpflichtet, mindestens einmal im Jahr im automatisierten Verfahren Zins- und Konteninformationen natürlicher Personen an das Bundeszentralamt für Steuern zu übermitteln.
Das Bundeszentralamt gibt die Daten an das zuständige Finanzamt weiter. So erfährt das Finanzamt von Konten und insbesondere Zinszahlungen eines Steuerpflichtigen im EU-Ausland. Der Steuerpflichtige selbst muss nicht über die Mitteilung benachrichtigt werden. Informationen über Konten in Nicht-EU-Staaten können dagegen allenfalls über Rechtshilfeersuchen erlangt werden.
Wie kann das Finanzamt zusätzliche Informationen einholen?
Indem es sich an den Betroffenen wendet. Die Abgabenordnung sieht grundsätzlich vor, dass das Finanzamt benötigte Auskünfte beim Steuerpflichtigen selbst einholt. Anfragen, in der Verwaltungssprache „Auskunftsersuchen“, werden in der Regel schriftlich gestellt. Geht es zum Beispiel um konkrete Zahlungseingänge auf einem Konto oder den Kontostand zu einem bestimmten Zeitpunkt, muss das Finanzamt beim Steuerpflichtigen nachfragen.
Selbstverständlich. Ist das der Fall, darf das Finanzamt im zweiten Schritt andere Beteiligte anfragen. Sie sind zur Auskunft verpflichtet. Das Finanzamt dürfte also bei der Bank konkrete Informationen über Zahlungseingänge oder einen Kontostand anfordern und würde sie auch bekommen. Anders als beim Kontenabruf ist im Normalfall aber immer ein aktives Anfragen des Finanzamts und eine aktive Herausgabe von Informationen durch die Bank erforderlich – das Finanzamt greift also nicht unbemerkt auf gewünschte Daten zu.
Ja, für die Höhe der Steuerschuld sind Einnahmen aus staatlichen Transferleistungen sowie Zahlungen an die Sozialversicherungen relevant. Diese Daten werden den Finanzämtern von den Behörden gemeldet – einige in jedem Fall, andere nur mit Einwilligung des Steuerpflichtigen.
Nur bei Einwilligung geben die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung unter anderem die Höhe der Beiträge zur Basiskranken- und gesetzlichen Pflegeversicherung weiter. Ebenfalls nur mit einer Einwilligung übermitteln die Besoldungsstellen bei der Riester-Rente solche Daten ans Finanzamt, die für die steuerliche Förderung und den Mindesteigenbeitrag relevant sind.
Keine Einwilligung benötigen die Rentenkassen: Sie machen das Finanzamt über Art und Höhe von Rentenzahlungen schlau. Das Gleiche gilt für die Träger von Sozialleistungen, unter anderem die Bundesagentur für Arbeit, die Krankenkassen und die Elterngeldstellen: Sie informieren die Finanzämter über Höhe und Dauer von Lohn- oder Entgeltersatzleistungen, also etwa Arbeitslosengeld I, Kurzarbeitergeld, Insolvenzgeld, Krankengeld, Verletztengeld und Elterngeld.
Alle Quellen, die allgemein zugänglich sind. Das gilt auch für Daten im Internet, etwa auf Portalen, in Sozialen Netzwerken, in Blogs oder bei Auktionen. Gewerbsmäßige Verkäufe auf Ebay oder Kalaydo sind also auch für den Sachbearbeiter im Finanzamt sichtbar. Das Gleiche gilt für öffentliche Profile zum Beispiel auf Facebook: Was dort gepostet wird, darf auch vom Finanzamt gelesen und als Information für die Ermittlung der Steuerhöhe verwendet werden. Um es einmal sehr überspitzt zu formulieren: Wer postet, dass er gerade wieder einmal eine Million über die Schweizer Grenze gebracht hat, könnte ein Problem bekommen…
Dipl.-Inform. Dr. jur. Marcus Werner, Fachanwalt für IT-Recht ist Partner, Rechtsanwalt Julius Oberste-Dommes, LL.M., ist Mitarbeiter der Kanzlei AHW in Köln.
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