Start-ups 01.03.2025, 12:00 Uhr

Wie Gründer den Standort Deutschland bewerten

Wie gut ist der Standort Deutschland für Gründer? Es gibt Verbesserungsbedarf, zeigt eine Nachfrage bei Jungunternehmern und Start-ups.

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Wie gut können junge Unternehmen am Wirtschaftsstandort Deutschland gedeihen und wachsen?

Foto: [M] PantherMedia / Krailas / VDIn

Das Paderborner Start-up Unchained Robotics betreibt eine unabhängige Plattform für Automatisierungstechnik, die Fertigungsprozesse in Unternehmen optimieren soll. Um Robotik und Automatisierung für alle zugänglich zu machen, bietet das Unternehmen maßgeschneiderte sowie erprobte Standardlösungen für unterschiedliche Branchen. Mladen Milicevic, Geschäftsführer und Co-Founder von Unchained Robotics, ist davon überzeugt, dass Technologie ein zentraler Baustein ist, um den Wohlstand in Deutschland zu sichern und weiter auszubauen. „Robotik und Automatisierung sehe ich als Schlüsseltechnologien, die Unternehmen dabei helfen, wettbewerbsfähig zu bleiben“, sagt er.

Deutschland darf nicht den Anschluss verlieren

Für Milicevic sind Start-ups Treiber eines notwendigen Wandels in Deutschland. „Viele Unternehmen haben sich in der Vergangenheit zu stark auf den Erfolgen der vorherigen Jahrzehnte ausgeruht. Start-ups fordern diese etablierten Strukturen heraus“, so der Gründer. Große Unternehmen seien so gezwungen, sich mit neuen Technologien und Geschäftsmodellen auseinanderzusetzen. „Dadurch wird die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands nachhaltig gestärkt, denn Start-ups sind der Weckruf, den wir dringend brauchen, um im internationalen Vergleich nicht den Anschluss zu verlieren.“

Mladen Milicevic ist Geschäftsführer und Co-Founder von Unchained Robotics.

Foto: Unchained Robotics

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Eine der größten Herausforderungen für Start-ups sei der Zugang zu qualifizierten Fachkräften, besonders in Bereichen wie Robotik und KI. Darüber hinaus zeige sich, dass deutsche Unternehmen oft zögerlicher seien, wenn es um die Adaption neuer Technologien oder die Zusammenarbeit mit Start-ups geht. „Häufig wird mehr über potenzielle Risiken nachgedacht, anstatt die Chancen in den Fokus zu rücken.“ Von der künftigen Regierung wünscht sich Milicevic, dass es Start-ups einfacher gemacht wird zu gründen. Der Umgang mit Patenten und geistigem Eigentum erschwere den Gründungsprozess oft unnötig. Darüber hinaus brauchen Unternehmen nach Einschätzung des Start-up-Gründers wieder eine stabile Sicht auf die Zukunft. „Ein langfristiger Plan, der Technologie und Innovation als zentrale Bausteine einer starken Wirtschaft definiert, wäre entscheidend, um Deutschland wieder als attraktiven Standort für Unternehmer und Gründer zu positionieren.“

Der Wirtschaftsstandort Deutschland im Umbruch

Das New-Space-Start-up Talos mit Standorten in München und Dresden entwickelt und produziert IoT-Lösungen, die aus energieeffizienten Sensoren am Erdboden und Kleinsatelliten im niedrigen Erdorbit bestehen. Sie ermöglichen eine präzise Erfassung von Positions- und Umgebungsdaten auch in abgelegenen Gebieten ohne terrestrische Infrastruktur. Talos adressiert damit Anwendungsfelder wie Wildlife-Tracking, Natur- und Tierschutz, Viehzucht sowie Logistik. „Unsere Wirtschaft ist im Umbruch, klassische Industrien verschwinden, neue entstehen und die internationale Wirtschaftsordnung ändert sich radikal“, sagt Talos-Mitgründer und CEO Gregor Langer.

Gregor Langer ist Co-Founder und CEO des Start-ups Talos.

Foto: PHOTOGENIKA Tina Rieger-Gudehus

Um im globalen Rennen zu bestehen, müssten sich auch deutsche Unternehmen wandeln. Agile Schnellboote seien da oft schneller und flexibler als große Tanker. Langer weiß aber auch, dass viele Start-ups mit dem schwierigen Finanzierungsumfeld kämpfen. Talos sei aktuell in einer guten Position und finanziere sich bisher komplett über Fördermittel, Zuschüsse und Kundenaufträge. Für künftiges Wachstum werde aber auch Talos Investoren brauchen. „Um Start-ups beim Sprung von Gründung zum Markterfolg nicht abstürzen zu lassen, müssen wir in Deutschland genau diese Brücken bauen: zielgenaue Fördermittel für schlagkräftige Ideen. Bessere Bedingungen für Venture Capital. Und der Staat sollte nicht nur Subventionsgeber, sondern vor allem auch Ankerkunde sein.“

Mehr Offenheit für Neues wagen

Atmio aus Hamburg bietet eine gleichnamige Komplettlösung zur Messung von Methanemissionen. Sie digitalisiert ein bisher manuelles System und soll es der Erdgasindustrie ermöglichen, die neue EU-Methanverordnung einzuhalten und gleichzeitig alle Leckerkennungs- und Reparaturvorgänge (LDAR) zu automatisieren und zentral zu verwalten. Für Atmio-CEO und Mitgründer Matthias Schmittmann sind Start-ups sehr wichtige Treiber für Innovation und Wettbewerbsfähigkeit. „Durch sie entstehen ganz neue Technologien und Geschäftsmodelle und sie können agil auf neue Marktbedingungen reagieren – etablierte Unternehmen schaffen das selten.“ Das sei in Deutschland auch vielen Politikerinnen und Politikern bewusst. „Aber wenn Deutschland wirtschaftlich und technologisch wieder ganz vorne mitspielen will, müssen Start-ups noch besser gefördert werden.“

Matthias Schmittmann ist Mitgründer und CEO des Unternehmens Atmio.

Foto: © 2024 Finn Steen Photography, all rights reserved.

Die größte Hürde für Start-ups sei, in der Wachstumsphase ausreichend Kapital zu erhalten. In der Frühphase sei das meist noch kein großes Problem, später aber werde es dann schwer. „Das ist ein Problem, das wir in Europa schon sehr lange haben, in den USA sieht das anders aus“, so Schmittmann. Dazu komme die Bürokratie, die es Start-ups hierzulande nicht gerade leicht mache. Zudem könne es in Deutschland auch eine Herausforderung sein, Unternehmen von der Zusammenarbeit mit Start-ups zu überzeugen. „Viele halten sich lieber an bestehende Systeme, statt etwas Neues auszuprobieren.“ Das sei zwar verständlich, mache es aber sehr schwer, neue Lösungen zu etablieren und wirklich innovativ zu sein.

„Wir müssen aufhören zu jammern“

Das Start-up Asvin aus Stuttgart ist ein Cybersicherheitsspezialist, der sich jedoch nicht um die Sicherheit von Computern oder Smart­phones, sondern um die Sicherheit von vernetzten, digitalisierten Industrienetz­werken kümmert. Das Unternehmen bietet eine Software für kontextbasierte Risikoanalyse in Operational Technology an. Mirko Ross, Mitgründer und CEO von Asvin, hält den Start-up-Standort Deutschland nicht für grundsätzlich schlecht. Was er vermisst, ist mehr Mut der etablierten Unternehmen: Hierzulande mangele es an Vertrauen und der Bereitschaft von Unternehmen, unkompliziert ein Start-up zu beauftragen. „Bei Investoren sind die reine Anzahl und das Volumen zu gering und die Risikobereitschaft oft sehr konservativ“, so Ross.

Mirko Ross ist Co-Founder und CEO von Asvin.

Foto: Christian Billmann/asvin GmbH

„Wir müssen aufhören zu jammern, sondern die Faktoren für KI-Start-ups verbessern, damit diese in Deutschland und Europa wachsen können.“ Ansonsten wanderten die Erfolgsgeschichten – wie es sie bei Frühphasen-Start-ups gebe – insbesondere in die USA und nach Asien ab. „Die Politik muss hier gemeinsam mit der Wirtschaft die Weichen stellen und diesen Exodus stoppen.“ Von der künftigen Bundesregierung wünscht sich der Jungunternehmer eine schnelle Regierungsbildung und Verabschiedung des Bundeshaushalts. Aktuell seien wichtige Cybersicherheitsmaßnahmen, Behörden und Institutionen ausgebremst. Das hält er für brandgefährlich: „Deutschland überbrückt derzeit im Tiefschlaf die Zeit zu einem neuen Regierungsprogramm – während Angreifer munter und aktiv weiterarbeiten.“ Unter den aktuellen geopolitischen Gegebenheiten sei das „ein unerträglicher Zustand“.

Kapitalmangel und Bürokratie torpedieren Chancen für Standort Deutschland

Icho Systems entwickelt smarte Technologien für die Therapie von Patienten mit neurokognitiven Erkrankungen wie Demenz, Alzheimer und Schlaganfall. Kernprodukt ist der „Ichó Therapieball“, ein interaktives Therapie- und Aktivierungsgerät sowie zertifiziertes Medizinprodukt. Das mehrfach ausgezeichnete Gerät Ichó wird bundesweit in über 1000 Einrichtungen eingesetzt. Deutschland hat nach Einschätzung von Geschäftsführer und Co-Founder Steffen Preuß eine großartige Gründerszene und Programme wie Impact-Factories oder Startup-Factories, die gut ausgebildete Talente hervorbringen. „Start-ups bringen frisches, innovatives Gedankengut in etablierte Strukturen und fördern so die Weiterentwicklung der gesamten Wirtschaft“, sagt er.

Steffen Preuß, Mitgründer und Geschäftsführer von Icho Systems.

Foto: icho systems GmbH

Er benennt dennoch zwei Kernfaktoren, woran es hierzulande hapert: „Viele erfolgreiche Gründer und Ingenieure wandern ins Ausland ab, weil dort der Zugang zu Kapital einfacher ist und weniger bürokratische Hürden existieren.“ Nicht ein Start-up zu gründen sei die eigentliche Herausforderung, sondern dessen nachfolgende Weiterentwicklung: „Besonders der Schritt vom kleinen Start-up mit wenigen Mitarbeitern zur Skalierung des Unternehmens ist in Deutschland extrem herausfordernd. Hier gehen viele Chancen verloren.“ Besonders in der Medizintechnik seien die Zeitrahmen aufgrund regulatorischer Anforderungen immens lang. Es fehle zudem an grundlegenden flexiblen Zugängen zu Kapital. Von der nächsten Bundesregierung wünscht sich Preuß weniger Bürokratie, mehr Investitionen in Technologie und Bildung sowie bessere Rahmenbedingungen für Start-ups, um Innovationen schneller und effektiver auf den Markt bringen zu können. Aus eigener Erfahrung weiß er: „Besonders im Gesundheitsbereich könnten Prozesse deutlich vereinfacht werden.“

Nicht den Anschluss verlieren

Eleqtron aus Siegen baut Quantencomputer „made in Germany“ auf Basis von Ionenfallentechnologie. Vier davon hat das ehemalige Spin-off aus der Forschungsgruppe vom Lehrstuhl für Quantenoptik der Universität Siegen schon gebaut und damit international Beachtung gefunden. Denn die Technik ist anders als bei IBM und Google, die supraleitende Schaltkreise einsetzen. „Wir wollen Quantentechnologie aus der Forschung heraus erfolgreich kommerzialisieren und schnell in die industrielle Anwendung bringen“, sagt CEO Jan Leisse. Es sei essenziell, dass Europa in dieser Schlüsseltechnologie souverän bleibe. „Wir möchten führend werden in Europa für skalierbare Quantencomputer.“

Die Eleqtron-Gründer und Geschäftsführer (v. l. n. r.): Christof Wunderlich (Chief Science Officer), Jan Leisse (Chief Executive Officer) und Michael Johanning (Chief Technology Officer).

Foto: EleQtron//www.reneschiffer.de

Den Standort Deutschland bewertet Leisse positiv: „Deutschland hat sich zu einer erfolgreichen Start-up-Nation entwickelt.“ Insbesondere im Vergleich zu den USA sei der Zugang zu Kapital aber mitunter schwierig. „Bürokratie und Regulierung tragen ebenso nicht dazu bei, dass Start-ups schnell kritische Masse erreichen.“ Die Musik spiele in den USA. Anders als bei KI ist das Rennen beim Thema Quantencomputing jedoch noch nicht entschieden. „Wir sind sehr gut gestartet, ein zukunftsfähiges Quantencomputer-Ökosystem aufzubauen, dürfen aber nicht nachlassen. Sonst haben wir wieder das Nachsehen im Vergleich zu China und zu den USA.“

Ein Beitrag von:

  • Elke von Rekowski

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